Als er die Stimme des Kapitans horte, die ihm befahl aufzuhoren, war das Kabel bereits gelost. Er lie? sich zuruckfallen und sah uberrascht auf, sah die gelosten Tanks, sah das Seil, das sie wie eine Peitsche wegschlug, sah ihre Fuhrungsrakete davonschweben, ein greller Lichtpunkt. „O mein Gott…“ Er erkannte, was er getan hatte, horte die Schreie von Bird Alyn und Shadow Jack, seine eigenen, aber keinen Laut von Bertha Torgussen. Er winkte die anderen zuruck, als er ihr in die Nacht folgte.
Das alles verdrangende Gefuhl der Isolation raubte ihm den Atem und erfullte die schwarze Wuste wie Sand, der an ihm zerrte und ihn zuruckhielt… wie die Isolation seiner eigenen Taten ihn sein Leben lang von der Wahrheit abgeschnitten hatte. Er naherte sich ihrer sich uberschlagenden Gestalt langsam, Zentimeter um Zentimeter… in Gedanken sah er einen zerrissenen Anzug, eine erstarrte, gefrorene Gestalt, ihr bleiches, anklagendes Gesicht, das ihn noch im Tod verfluchte und anklagte wegen der Last seiner vergeudeten Jahre. Und doch wunschte er sich sehnlicher als alles bisher im Leben, den Abgrund zwischen ihnen schlie?en zu konnen, um zu erkennen, da? es noch nicht zu spat war…
Und nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, umklammerte seine suchende Hand einen Knochel. Er zog sie an sich und benutzte seine Fuhrungseinheit, um ihren Fall zu stoppen. Er konnte schlie?lich ihren Helm mit den Handen umklammern, fuhlte sie gegen sich gepre?t, wahrend er hinter der rotverschmierten Scheibe nach einem Blick von ihr suchte. „Bertha… Bertha… Bertha, ist mit dir alles in Ordnung?“ wiederholte er immer wieder mit wilder Erleichterung.
Ihr schattenhaftes Gesicht beugte sich nach vorn und starrte heraus, ihr Kinn pre?te den Lautsprecherknopf. „Eric… oh, Eric.“ Er horte sie schluchzen. „La? mich nicht los… ich falle… nicht loslassen…“ Ihre Arme krallten sich konvulsivisch an ihm fest, dann stellte die Stille sich wieder zwischen sie. Er streichelte das verschmierte Glas. „Das werde ich nicht…alles ist in Ordnung… ich werde dich nicht loslassen.“ Die Ebene der diskanischen Ringe blendete ihn mit ihrer strahlenden Pracht, unnahbar und kalt wie der Tod, er wandte sich ab und startete durch die Sandwuste der Nacht zu dem kaum mehr sichtbaren Schiff zuruck. Sie bewahrte Funkstille, und er suchte nicht mehr nach ihrem Gesicht, das hinter der blutverschmierten Scheibe kaum zu erkennen war. Er gewahrte ihr das Alleinsein mit ihrem Kummer und fuhlte die Anwesenheit von funf menschlichen Wesen, die sie begleiteten. Bis er schlie?lich horte, wie sie seinen Namen nannte, ihm dankte und wieder seinen Namen rief…
„Was ist geschehen?“
„Geht es ihr gut?“
„Bertha, ist mit dir alles in Ordnung?“
Die Stimmen von Shadow Jack und Bird Alyn zeterten in seinem Helm, als er wieder bei ihnen war, ihre verborgenen Gesichter wandten sich Bertha zu, Handschuhe griffen nach ihr.
„Sie ist verletzt. Helft mir, sie hineinzubringen.“ Sie wehrte sich nicht gegen seinen Griff, als er sie in die Luftschleuse zog.
Als sie im Kontrollraum ankamen, hatte sie ihre Hande immer noch fest um seinen Anzug geklammert. Er sah zur Konsole, suchte Welkin und bemerkte plotzlich, da? sich nichts bewegte. „Welkin?“ Er sah eine bewegungslose Hand im Kommandosessel. Seine Kehle war wie zugeschnurt.
Bertha hob wie lauschend den Kopf, konnte aber nicht antworten. Sie loste ihren Griff und stie? sich von ihm weg. „Pappy?“ Ihre Stimme zitterte, sie krummte sich in der Luft, die Hande hatte sie gegen den Magen gepre?t. „Pappy… bist du da?“ Er horte ein leises Stohnen, als sie versuchte, die Arme zu heben. „Jemand… soll mir diesen Helm abnehmen… kann nichts sehen. Pappy?“
„Bertha…“ begann Shadow Jack, schwieg dann aber.
Bird Alyn nahm Bertha den Helm ab, hob ihn langsam und wich zuruck, als sie das blutverschmierte Gesicht sah.
Aber Bertha hatte sich bereits abgewandt und schuttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben. Sie zerrte ungeduldig an ihren Handschuhen. Als sie die bewegungslose Hand des alten Mannes sah, erstarrte sie. „O mein Gott.“ Ihre eigene Hand griff um sich und klammerte sich schlie?lich schutzsuchend an Bird Alyns Anzug fest. Bird Alyn legte einen Arm um sie und half ihr, sich zu bewegen. Wadie folgte ihnen.
„Pappy…“ Ihre Stimme brach, als sie ihn erreicht hatten.
Als sie sein Gesicht beruhrte, offnete Welkin die Augen und sah sie verstandnislos an, die rechte Hand pre?te er gegen die Brust. Lachend — oder schluchzend — rieb sie seine Schulter. „Gott sei Dank, Gott sei Dank… ich dachte schon… du bist so kalt…“
„Bertha. Bist du…?“
„Schon in Ordnung. Nicht schlimm.“ Sie beruhrte mit einer zitternden Hand ihr Gesicht und betrachtete die blutigen Fingerspitzen. „Nur… Nasenbluten. Was ist passiert?“
„Schmerz… in meiner Brust, als wurde ich zerschmettert werden. Mein Arm… mu? das Herz sein. Hatte Angst, mich zu bewegen. Als ich sah… was mit dir auf dem Schirm geschah…“
„Nicht. Nicht daran denken… es ist vorbei. Wir schaffen es, Pappy. Wir schaffen es trotzdem. Mach die Augen zu. Mach dir keine Sorgen, ruh dich einfach nur aus. Wir kummern uns um dich.“ Sie rang sich zu einem Lacheln durch. Neues Blut rann an ihrem Kinn herab. Ihre Hand liebkoste sein Gesicht.
„Sollen wir ihn in die Krankenstation bringen?“ Wadie zogerte. Er mu?te sich zum Sprechen zwingen.
„Nein.“ Welkin schuttelte den Kopf. „Noch nicht. Zuerst mussen wir unsere Aufgabe erledigen.“
„Er hat recht. Au?erdem sollten wir ihn nicht bewegen. Gott sei Dank sind wir in Nullgravitation…“ Bertha holte ein Taschentuch aus einer Schublade unter der Konsole hervor. Papiere schwebten davon. Stohnend wischte sie sich das Gesicht ab. Wadie sah, wie sie sich um Kontrolle bemuhte, sah ihr schmerzverzerrtes Gesicht und wie sich ihr Korper beugte, als sie sich von Welkin entfernte. Bird Alyn kehrte an ihre Seite zuruck, ihr Mund stand offen; sie runzelte die Stirn, straffte sich, schuttelte den Kopf. „Schon gut. Pappy hat alles gesagt. Wir beenden zuerst unsere Arbeit. Jetzt kann uns nichts mehr aufhalten! Ich bediene die Winde. Bird Alyn, geh wieder nach drau?en und sieh nach, ob die Ladung ordentlich vertaut ist. Shadow Jack, du berechnest uns einen Kurs nach Lansing. Sag mir alles, was du dazu brauchst, ich werde dich uberwachen… Abdhiamal…“
Er begegnete ihrem Blick und sperrte sich gegen das, was er zu sehen erwartete. „Wahrscheinlich soll ich mich huten, Ihnen noch mal in die Quere zu kommen?“
Ihr Gesicht war ausdruckslos. „Gehen Sie zur Krankenstation und holen Sie ein paar schmerzlindernde Mittel fur Clewell. Sie sind im Notfallschrank.“ Sie griff nach einer Stuhllehne. „Beeilen Sie sich. Und dann…“ — ihr Blick veranderte sich, ihre Augen schienen ihn zu durchbohren — „… huten Sie sich, mir noch mal in die Quere zu kommen, Abdhiamal!“
Grusinka-Maru (Im Transit, Demarchy nach Diskus)
+ 2,75 Megasekunden
„… wie wollen Sie jetzt erklaren, was Ihr Mann getan hat, MacWong? Nur er kann den Fremden gezeigt haben, wie sie an den Wasserstoff herankommen. Damit hat er sichergestellt, da? wir das Sternenschiff nicht mehr erwischen konnen, bevor es das System verla?t.“ Esrom Tiriki bewegte sich ungeduldig im uberfullten Kontrollraum des Schiffes.
„Er ist nicht mehr ,mein Mann’, Demarchos Tiriki. Er wurde zum Verrater erklart“, antwortete Lije MacWong schwachlich.
„Aber Sie sagten, das wurde er tun.“
„Was auch ein vernunftiger Gedanke war.“ Ungewohnte Anspannung verkrampfte MacWongs Nackenmuskeln — forciert durch das Unbehagen, das die Beschleunigung des Schiffes verursachte. Und auch durch das Unbehagen aller Anwesenden an Bord. Insgeheim verwunschte er den unglucklichen Zufall, der die Destille der Tirikis zum Miteigner dieses Fusionsschiffs machte, was Esrom Tiriki eine Berechtigung verschafft hatte, mit an Bord zu sein. Tiriki und seiner Gesellschaft waren einige bemerkenswerte Peinlichkeiten nicht erspart geblieben, als ihre Plane mit dem Sternenschiff enthullt wurden, und sogar Tirikis Begleiter hatten ihrem Unmut offen Ausdruck verliehen. MacWong bedauerte weiterhin, da? Tiriki nicht genugend Selbstkontrolle hatte, um stumm zu leiden.
Der Reprasentant von Nchibe zog die unerwunschte Aufmerksamkeit Tirikis wieder auf sich, und MacWong