driftete zuruck, vorbei an einem fuchtelnden, hektischen Medienmann in der Livree von Nchibe. Sie hatten die Reaktion der Ringbewohner auf die Drohungen des Sternenschiffs mitverfolgen konnen — die augenblicklich ins Demarchy ubertragen worden war, wie alle Informationen, die wahrend dieser Mission ans Tageslicht kamen. Das Volk, der launige Gott, auf dessen Altar er Wadie Abdhiamal neben einigen anderen Opferlammern geopfert hatte, beobachtete ihn sogar hier. Aber vorerst einmal bewahrte das Volk Stille, denn jeder Funkspruch hatte zwangslaufig auch das Sternenschiff erreicht und so ihre Ziele verraten. Zum ersten Mal im Verlauf seiner Karriere hatte er eine gewisse Freiheit, was seine Entscheidungen anbelangte, aber er war noch nicht ganz sicher, wie sehr er sich daruber freuen sollte.
Denn die nachste Entscheidung, die er zu treffen hatte, war die, ob sie das Sternenschiff weiter verfolgen oder zum Demarchy zuruckkehren sollten. Diese Entscheidung war gar nicht so leicht, wie es den Anschein hatte… Das Sternenschiff hatte tausend Tonnen Wasserstoff an Bord genommen — wesentlich mehr, als es zum Verlassen des Systems benotigte, nach allem, was Osuna ihm gesagt hatte. Eine Ladung, die Geschwindigkeit und Manovrierfahigkeit entscheidend beeinflussen konnte. Hatten sie das auch aus Rachegelusten getan? Das bezweifelte er. Sie hatten schon einmal ein Schiff zerstort — dieses Mal hatten sie wesentlich mehr vernichten konnen… das Schicksal der Hauptdestille hatte in ihren Handen gelegen. Aber sie hatten sie nicht vernichtet. Seine diesbezuglichen Gefuhle bestanden gegenwartig aus einer seltsamen Mischung aus Faszination und Erleichterung.
Doch bei seinem ersten Eintritt in das System war das Schiff direkt nach Lansing geflogen. Ein Mann von Lansing war mit der Frau auf Mekka gewesen. Wenn die Besatzung eine Art Abkommen mit Lansing abgeschlossen hatte, konnte das einiges erklaren. Es wurde auch bedeuten, da? das Schiff nicht direkt aus dem System verschwinden wurde und es fur die Schiffe des Demarchy immer noch eine Gelegenheit gab, es aufzubringen.
MacWong blickte zuruck, als der Pilot des Schiffes sich Tiriki und den anderen naherte und ihr Gesprach unterbrach. Und was wurde geschehen, wenn sie das Sternenschiff in ihre Gewalt gebracht hatten? Er sah zur Luke an seiner Seite hinaus, wo er den langen, hellen Strahl eines zweiten Raumschiffes sehen konnte. Dann waren sie Millionen Kilometer vom Demarchy entfernt — diese drei bewaffneten Schiffe und die Manner, die sie kontrollierten: ambitionierte Manner, Manner, die Spa? an der Macht hatten. Manner wie Esrom Tiriki. Egal was das Volk hinsichtlich des Sternenschiffes entscheiden wurde, zu diesem Zeitpunkt hatte es keinerlei Macht, die Manner auch zum Gehorsam zu zwingen… und sie wurden das schnell erkennen. Die Nahe zu Tiriki und seine Isolierung vom Volk hatten ihn erkennen lassen, was Abdhiamal schon von Anfang an instinktiv gewu?t hatte: da? das Schiff, das sie als ihren Segen ansahen, sich auch blitzschnell in einen todlichen Fluch verwandeln konnte.
Er seufzte.
„Demarchos…“ Die drei Manner der Gesellschaften und der Pilot sahen ihn an, und er sah den Medienmann seine Kameralinse einstellen. „Ich glaube, wir alle sind uns inzwischen daruber im klaren, da? unser Versuch, das Raumschiff unter unsere Herrschaft zu bringen, gescheitert ist. Aber wenigstens ist es nicht in Feindeshand gefallen. Es verla?t das System. Wir konnen auf eine weitere Verschwendung unserer wertvollen Ressourcen verzichten und heimkehren…“
„Vielleicht haben wir das Schiff noch nicht ganz verloren, Demarchos MacWong.“ Tiriki bedachte ihn mit einem steinernen Lacheln, das irgendwie noch unerfreulicher war als seine bisherige Schroffheit.
„Gerade eben bekamen wir ein paar zusatzliche neue Informationen uber das Schiff.“ Der Neffe von Estevez nickte dem Piloten zu. „Lin-piao sagte eben, da? das Schiff das System nicht verla?t. Es kehrt zum Hauptgurtel zuruck.“
„Nach Lansing“, sagte Tiriki. „Sie kehren nach Lansing zuruck.“
„Wir haben immer noch eine Chance, es zu erwischen. Lin-piao sagt, es bewegt sich mittlerweile nur noch mit einem Viertelgrav fort.“
MacWong zogerte, da sie sich alle darin einig waren, ihre Mission fortzusetzen. Und hinter ihnen wartete das gesamte Demarchy stumm und abwagend. Es wu?te, was sie auch wu?ten, wu?te auch, da? er, MacWong, diese Verfolgung angestrebt hatte. Das Volk wu?te zwar nicht alles… aber hatte es inzwischen nicht schon zuviel hinzugelernt? Er konnte immer noch auf eine Umkehr drangen… aber wurden sie das jetzt noch akzeptieren? „Wenn das Volk der Meinung ist, eine weitere Verfolgung des Sternenschiffes sei nicht lohnenswert, dann wird es uns seine Meinung kundtun.“ Die letzten Worte hatte er mit gro?em Nachdruck direkt in die Kameras gesprochen. „In der Zwischenzeit…“ Er spurte sieben Augenpaare auf sich ruhen, hinter denen noch Tausende andere lauerten. „Angesichts der neu erlangten Informationen bin ich der Meinung, wir sollten unsere Mission fortsetzen. Ich verfuge uber personliche Daten, den Eintritt des Sternenschiffes in unser System sowie seinen Treibstoffbedarf betreffend, die dafur sprechen, da? es nach Lansing fliegt.“
„Demarchos…“ Der Pilot zupfte selbstgefallig an den goldenen Aufschlagen seiner Jacke. „Wenn wir jetzt den Kurs andern, werden wir vielleicht trotzdem nicht imstande sein, sie einzuholen. Auch wenn das Sternenschiff nur mit einem Viertelgrav beschleunigen kann — wir selbst mussen vor Lansing wieder verlangsamen…“
Der Pilot brach ab, als er das Stirnrunzeln sah, das sich einhellig unter ihnen ausbreitete. MacWong wog seine Aussage sorgfaltig ab und uberlegte sich bereits die Worte, die jeden Zweifel an seiner eigenen Glaubwurdigkeit ausraumen wurden. „Ich glaube, das wird kein Problem werden, Demarchos. Wenn man von folgendem Ablauf der Ereignisse ausgeht…“
Ranger (Im Transit, Diskus nach Lansing)
+ 2,96 Megasekunden
Wadie ging durch den Korridor zu Berthas Privatgemach, sein Schritt wurde vom Sog der geringen Gravitation verlangsamt, hinzu kam die Mudigkeit vom Arbeiten im Weltraum. Und auch die Vielfalt der Gefuhle, die in ihm brodelten, lie? ihn zogern. Die Erinnerung an das diskanische Firmament, die schimmernden Staubschleier und die Monde verfolgte ihn: das Wissen um einen kostbaren Sieg, den er fast errungen und dann durch seine eigenen Taten wieder verloren hatte, zwei Leben, die letzten der Mannschaft von Morningside, fast verloren — und mit ihm ein Teil seines Selbst, den er selbst eben erst zu entdecken begann…
Er erreichte die offene Tur, wartete kurz, bis sein Blick sich wieder geklart hatte, und trat dann ein.
Rustys Kopf tauchte plotzlich zwischen einem Berg von Kissen auf und betrachtete ihn wie einen lang Vertrauten, als er in das Zimmer blickte. Der Kapitan sa? an ihrem Schreibtisch und hatte ihm den Rucken zugewandt, ihre ganze Aufmerksamkeit galt einigen verstreuten Meldungen und Ausdrucken. Leere Kaffeetassen standen auf der Tischoberflache, uber ihrem Kopf an der Wand hing ein Schild: VOR ZEHN JAHREN WUSSTE ICH NICHT MAL, WIE MAN „INSCHENJOR“ SCHREIBT, UND HEUTE BIN ICH SELBST EINER. Er lachelte fluchtig, bis er sie seufzen horte, ein Laut, der in seinen Ohren wie eine schwere Anklage klang. Hinter seinen Augen entstand das Bild ihrer gebrochenen, bandagierten Rippen, eines Blutergusses von Armeslange.
Er drehte sich abrupt um und verlie? den Raum wieder, sah ein Bild an der Wand innerhalb eines grunen Pfeiles mit der Aufschrift ABWARTS, sah Bertha Torgussen und Welkin und… Eric, hier mit Bart und lachelnd. Bei ihnen waren noch zwei Frauen, zwei Manner und sieben Kinder, die in dicke Kleider verpackt waren, alle bleich, lachend und in drei Richtungen winkend. Sie hoben sich deutlich vom Schneehintergrund ab. Eine Familie, die gelernt hatte, alles miteinander zu teilen… und irgendwie schien dieses Teilen, zusammen mit dem Fieber der vergeblichen Gier, die im Himmel-System brannte, plotzlich nicht mehr ganz so fremd und so bizarr zu sein…
Rusty regte sich auf dem Bett; sie rakelte sich und miaute fragend.
Bertha wandte sich um und konnte ihre Gesichtszuge eben noch kontrollieren, ihre Augen, rasch und nervos, erfragten den Grund seiner Anwesenheit.