»Guten Abend! Aha, hier ist also Tjorven, das hatte ich mir ja gedacht. Puh, was ist denn hier drinnen fur ein Rauch?« sagte sie dann, und ehe ihr noch jemand beipflichten konnte, fuhr sie fort: »Ach, richtig, ich mu? wohl sagen, wer ich bin. Marta Grankvist. Wir sind Nachbarn. Willkommen bei uns!«
Sie sprach schnell und lachelte die ganze Zeit, und bevor einer von der Familie Melcherson noch ein Wort gesagt hatte, war sie schon am Herd und schaute in die Esse.
»Haben Sie die Klappe aufgemacht? Dann geht es namlich besser!«
Malin lachte auf, aber Melcher machte ein beleidigtes Gesicht. »Doch, naturlich hab ich die Klappe aufgemacht. Das war das erste, was ich getan habe«, versicherte er.
»Jetzt ist sie jedenfalls zu«, sagte Marta Grankvist. »Und jetzt ist sie offen«, fuhr sie fort und drehte den Griff halb herum. »Sie stand wahrscheinlich offen, als Sie kamen, und dann haben Sie sie zugemacht, Herr Melcherson.«
»Ordentlich, wie er ist«, sagte Malin.
Alle lachten, auch Melcher. Und am allermeisten Tjorven.
»Ich kenne diesen Herd«, sagte Marta Grankvist, »und der ist ganz ausgezeichnet.«
Malin guckte sie dankbar an. Alles schien soviel leichter geworden zu sein, seit diese wunderbare Frau in die Kuche gekommen war. Sie war so heiter und strahlte Sicherheit und Freundlichkeit und Tatkraft aus. Welch ein Gluck, da? wir gerade sie zur Nachbarin bekommen haben, dachte Malin.
»Ich bring Ihnen hier etwas Gulasch als Einstandsessen, wenn Sie damit vorliebnehmen wollen«, sagte Marta Grankvist und zeigte auf den Emailtopf.
Da traten Melcher die Tranen in die Augen. Das war immer so bei ihm, wenn Leute freundlich zu ihm und den Kindern waren.
»Da? es so gute Menschen gibt«, stotterte er.
»Ja, so gut sind wir hier auf Saltkrokan«, sagte Marta Grankvist lachend. »Komm, Tjorven, wir wollen jetzt nach Hause.«
In der Tur wandte sie noch einmal den Kopf.
»Wenn Sie sonst noch Hilfe brauchen, dann sagen Sie Bescheid.«
»Ja, da drinnen ist ein Fenster kaputt«, sagte Malin schuchtern. »Aber wir konnen Sie doch schlie?lich nicht mit allen solchen Dingen belastigen.«
»Ich schicke Nisse her, wenn Sie gegessen haben«, sagte Marta Grankvist.
»Ja, der setzt namlich hier auf Saltkrokan alle Scheiben ein«, sagte Tjorven. »Und Stina und ich, wir machen sie kaputt.«
»Was hore ich da«, sagte ihre Mutter streng.
»Aber nicht mit Absicht«, beeilte sich Tjorven hinzuzufugen. »Es kommt nur so.«
»Stina, die kenn ich«, sagte Pelle.
»Soo?« sagte Tjorven, und aus irgendeinem Grund klang ihre Stimme nicht richtig erfreut.
Pelle war eine ganze Weile seltsam stumm gewesen. Warum sollte man mit Leuten reden, wenn es einen Hund wie Bootsmann gab? Pelle hing an seinem Hals und flusterte ihm ins Ohr: »Dich mag ich.«
Und Bootsmann lie? ihn gewahren. Er sah Pelle nur mit freundlich abwesenden, ein wenig traurigen Augen an, und dieser Blick offenbarte jedem, der Augen hatte zu sehen, seine ganze treue Hundeseele.
Aber jetzt mu?te Tjorven nach Hause gehen, und wo Tjorven hinging, da ging auch Bootsmann hin.
»Komm, Bootsmann«, sagte sie. Und dann waren sie weg.
Aber das Kuchenfenster stand offen, und sie konnten alle Tjorvens Stimme horen, als sie drau?en voruberging.
»Mama, wei?t du was? Als er oben auf dem Dach langging, der Herr da, hat er sich am Feuerhaken festgehalten.«
Sie horten auch Marta Grankvists Antwort.
»Das sind Stadter, Tjorven, wei?t du, und die haben es sicher notig, sich am Feuerhaken festzuhalten, glaube ich.«
Die Melchersohne sahen sich an.
»Wir tun ihr leid«, sagte Johann. »Und das ist nun wirklich nicht notig.«
Doch mit dem Herd, da hatte sie recht. Der war ausgezeichnet und brannte so gut, da? er gluhte und in der ganzen Kuche eine wunderbare Warme verbreitete.
»Das heilige Feuer des Hauses«, sagte Melcher. »Der Mensch hatte kein Zuhause, bis er das Feuer entdeckte.«
»Und bis er das Gulasch erfand«, sagte Niklas und stopfte sich so viel auf einmal in den Mund, da? er nicht mehr reden konnte.
Sie sa?en um den Kuchentisch herum und a?en, und es war ein Augenblick tiefer und warmer Traulichkeit. Das Feuer prasselte im Herd, und drau?en prasselte der Regen.
Als die Jungen zu Bett gehen wollten, regnete es noch schlimmer. Widerwillig verlie?en sie die Warme der Kuche und zogen sich in ihre Bodenkammer zuruck, die kalt und feucht und richtig ungemutlich war, obwohl ein Feuer im Kachelofen brannte. Aber Pelle schlief schon, von Malin in Wolljacken eingemummelt und mit einer wollenen Mutze auf dem Kopf.
Johann stand frostelnd am Fenster und versuchte, zu Grankvists hinuberzuschauen, aber der Regen klatschte gegen die Scheiben, so da? man alles nur durch einen Vorhang rinnenden Wassers sah. Den Kaufmannsladen – Johann sah das Schild. Und das Haus – es war rot, genau wie das Schreinerhaus. Und den Garten – er fiel zum Wasser hin ab, und dort unten hatten Grankvists einen Bootssteg, der ahnlich war wie der vom Schreinerhaus.
»Morgen konnen wir mal sehen, ob wir diese Jungs finden, die …« sagte Johann, stockte aber plotzlich. Denn druben auf dem Nachbargrundstuck ging etwas vor sich. Eine Tur wurde geoffnet, und jemand rannte in den Regen hinaus. Es war ein Madchen. Sie trug einen Badeanzug, und die hellen Haare flatterten um sie herum, als sie zum Bootssteg hinuntergaloppierte.
»Komm mal her, Niklas, da kannst du etwas Interess …« begann Johann, stockte aber von neuem. Denn die Tur druben ging abermals auf, und in den Regen hinaus kam ein zweites Madchen, auch sie im Badeanzug, auch ihr wehte das Haar um den Kopf, als sie zum Steg hinuntertrabte. Die erste war schon unten angekommen. Jetzt sprang sie ins Wasser. Als sie mit der Nase wieder uber Wasser war, rief sie: »Freddy, hast du die Seife?« Niklas und Johann schauten sich schweigend an.
»Da hast du die Jungs, die du morgen suchen wolltest«, sagte Niklas endlich.
»Oh«, sagte Johann.
Sie lagen an diesem Abend lange wach.
»Man kann nicht einschlafen, solange die Fu?e nicht einigerma?en aufgetaut sind«, versicherte Niklas.
Johann mu?te ihm recht geben. Dann schwiegen sie eine ganze Weile.
»Jetzt hat's wenigstens aufgehort zu regnen«, sagte Johann schlie?lich. »Im Gegenteil«, sagte Niklas. »Hier in meinem Bett fangt es erst richtig an.«
Entweder mag man es, wenn es durchs Dach regnet, oder man mag es nicht …
Niklas mochte es nicht so unbedingt, da? es auf sein Bett tropfelte, aber so viel machte es ihm nun auch wieder nicht aus, denn er war erst zwolf Jahre alt und von Natur aus sorglos. Doch sahen sie beide ein, er und auch Johann, da? Malin eine schlaflose Nacht haben wurde, wenn sie ihr uber das Elend gleich jetzt Bericht erstatteten. Und da sie ihre Schwester liebten und ihr Bestes wollten, ruckten sie Niklas' Bett ganz leise beiseite und stellten einen Eimer unter das Getropfel vom Dach.
»Von diesem Gerausch wird man richtig schlafrig«, murmelte Johann, als er wieder ins Bett gekrochen war. »Blupp, blupp!«
Aber Malin sa?, ohne eine Ahnung von all dem Blupp, unten in der warmen Kuche und schrieb emsig in ihr Tagebuch, denn sie wollte die Erinnerung an ihren ersten Tag auf Saltkrokan festhalten.
Ich sitze hier allein, schrieb sie zuletzt. Aber ich hab das Gefuhl, als schaute mir einer zu. Nicht ein Mensch! Vielmehr das Haus … das Schreinerhaus. Liebes Schreinerhaus, bitte finde uns nett. Am besten, du entscheidest dich gleich, denn du mu?t dich ja ohnehin jetzt mit uns herumschlagen. Du wei?t noch nicht, wer wir sind, sagst du? Das kann ich dir erzahlen. Dieses lange Ende von einem Mann, der da drinnen in der kleinen Madchenkammer liegt und laut vor sich hin Gedichte aufsagt, um einschlafen zu konnen, das ist Melcher. Vor dem mu?t du dich in acht nehmen, besonders wenn du siehst, da? er einen Hammer oder eine Sage oder sonst ein Werkzeug in