Handen hat. Ansonsten ist er wirklich lieb und ungefahrlich. Die drei mutwilligen kleinen Bengels oben in der einen Bodenkammer, von denen kann ich nur sagen, da? sie … Ja, du bist doch hoffentlich kinderlieb? Dann wirst du namlich nicht so argerlich. Mehr brauche ich vielleicht nicht zu sagen? Und du bist ja einiges gewohnt, nehme ich an, die Schreinerkinder sind wohl auch nicht rucksichtsvoll gewesen, oder? Diejenige, die deine Fenster putzt und deine Fu?boden mit Liebe und mit ihren Handen scheuert, die nach und nach immer rissiger werden, das durfte wohl die Unterzeichnete sein, Mann. Du kannst dich aber darauf verlassen, ich stelle die anderen zum Helfen an! O ja! Wir werden unser Bestes tun, um hier Ordnung zu halten. Gute Nacht, liebes Schreinerhaus, nun werden wir wohl schlafen. Ein kaltes Bodenkammerchen wartet auch auf mich, aber ich bleibe hier unten so lange, wie ich kann, in deiner landlichen Kuche und an deinem gluhenden Herd, denn hier habe ich das Gefuhl, als hattest du mich an dein warmes klopfendes Herz genommen.
So schrieb Malin, und dann merkte sie plotzlich, wie spat es geworden war. Ein neuer Tag nahte schon, einer, der hell und klar werden wurde, das sah sie, als sie zum Fenster lief. Hier blieb sie stehen. »Von allen Kuchenfenstern auf Erden«, murmelte sie und wu?te, noch nie hatte sie etwas gesehen, das ihr besser gefiel, als was sie dort drau?en sah. Das stille Wasser in der Morgendammerung, der Steg, die grauen Steine am Ufer, alles. Sie machte das Fenster auf und horte den Gesang der Vogel, der wie ein Jubel uber sie hinstromte. Der kam aus vielen kleinen Kehlen, aber lauter als alle horte sie die Amsel im Mehlbeerbaum singen. Sie war gerade aufgewacht, munter und voller Lebensfreude.
Und der arme Melcher in der Madchenkammer war noch nicht mal eingeschlafen. Aber Malin horte, wie er gahnte, obgleich er unverdrossen und mit lauter Stimme deklamierte:
»Herz, offne dich dem Tag, freu dich der Morgenstunde. Noch glitzert Tau im Hag, noch schimmern bla? die Sunde. Der Morgen atmet Ewigkeit wie erster Tag uralter Zeit.«
»Ja, genau so ist es«, sagte Malin.
Es ist ein Gefuhl, als hatten wir immer auf Saltkrokan gelebt, schrieb Malin eine Woche spater. Ich kenne die Menschen, die hier leben. Ich wei? ungefahr, was von ihnen zu halten ist. Nisse und Marta, ich wei?, sie sind die nettesten Menschen der Welt – besonders er – und die tuchtigsten der Welt – besonders sie. Er kummert sich um das Geschaft. Sie kummert sich auch um das Geschaft, au?erdem aber um die Telefonvermittlung, die Post, die Kinder, den Hund und den Haushalt, und au?erdem springt sie jedesmal ein, wenn jemand anders auf der Insel Hilfe braucht. Es ist typisch fur Marta, da? sie gleich mit Gulasch bei uns angesturzt gekommen ist. »Nur weil ihr so verloren ausgesehen habt«, sagt sie.
Was wei? ich sonst noch? Da? es im Bauch vom alten Soderman »ganz unverantwortlich knurrt«, das hat er mir selbst anvertraut, und er werde wohl an einem der nachsten Tage nach Norrtalje fahren und den Doktor aufsuchen.
Ferner wei? ich, da? Vesterman seinen landwirtschaftlichen Betrieb nicht so fuhrt, wie er mu?te, sondern immer nur fischt, auf die Jagd geht und »uberhaupt von nichts das Geringste versteht«, das hat Frau Vesterman mir anvertraut.
Marta und Nisse, der alte Soderman, Vestermans, gibt es noch mehr? O ja, Janssons naturlich. Sie haben auch einen Hof, und dort holen wir unsere Milch. Es gehort zu unserem landlichen Vergnugen, abends durchs Geholz zu wandern und bei Janssons Milch zu holen.
Die Insel hat auch einen Volksschullehrer, einen jungen, der Bjorn Sjoblom hei?t. Ihn hab ich kennengelernt, als ich Mittwoch abend Milch holte, und es schien, als ob … ja, es ist zwar einerlei, aber er war kein »Quadratekel«, wie Johann es nennt, sondern machte einen sehr angenehmen und rechtschaffenen Eindruck. Irgendwie treuherzig.
Und dann die Kinder hier, dem Himmel sei Dank dafur! Pelle spielt intensiv mit Tjorven und Stina, vor allem mit Tjorven. Ich glaube, da findet ein kleiner Machtkampf um ihn statt, so etwa im Stil wie: »Ruhr den Goldklumpen nicht an, ich hab ihn zuerst gesehen!« Aber Tjorven hat die Oberhand. Und wie sollte es anders sein? Sie ist ein merkwurdiges Kind, eins von denen, die immer der Liebling von allen werden, ohne da? man so recht wei?, weshalb. Es wird nur irgendwie heller, wo immer ihr gutmutiges Gesicht auftaucht. Papa behauptet, sie habe etwas von der ewigen, kindlichen Sicherheit an sich, von dem Warmen und Sonnigen, das nach Gottes Absicht eigentlich alle Kinder haben sollten, wenn die Wirklichkeit auch leider ein bi?chen anders aussieht. Tjorven gehort allen auf Saltkrokan, frei streift sie auf allen Wegen herum und in allen Hausern, und uberall wird sie mit einem »Sieh mal an, da ist ja unsere Tjorven« begru?t, gerade so, als konnte man sich im Augenblick gar nichts Erfreulicheres denken als sie. Wenn sie bose wird – was vorkommt, denn sie ist kein Engel –, dann ist es, als wurde eine Naturkraft entfesselt, mit Donner und Blitz, oh, oh, oh! Es geht aber schnell voruber.
Stina ist anders, sie ist ein kleines lustiges und verschmitztes Kind mit einem auffallenden zahnlosen Reiz. Wie es zugegangen ist, wei? ich nicht, sie hat es aber fertiggekriegt, sich samtliche Vorderzahne im Oberkiefer auszuschlagen, und das verleiht ihrem Gesicht etwas Wildes und Malerisches, wenn sie lacht. Sie ist die gro?e Marchenerzahlerin der Insel, unglaublich ausdauernd. Selbst Papa, der doch im allgemeinen ganz kinderlieb ist und der sich gern mit anderen Kindern als nur seinen eigenen unterhalt, ist, was Stina angeht, bereits vorsichtig geworden und macht einen kleinen Umweg, wenn er sie sieht. Obgleich er es abstreitet. »Im Gegenteil«, sagte er neulich. »Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als wenn Stina kommt und mir Marchen erzahlt. Es ist namlich so ein schones Gefuhl, wenn sie aufhort.«
Johann und Niklas fuhren ein gluckliches und ungeregeltes Leben mit Teddy und Freddy, die wirklich zwei kleine Amazonen sind, ubrigens richtig hubsche. Auf diese Weise sieht man nicht viel von seinen Brudern, besonders dann nicht, wenn abgewaschen werden soll. Ich hore nur so nebenbei davon reden, da? man »heute zum Angeln rausfahren will«, oder »wir gehen heute schwimmen«, »wir bauen eine Hutte«, »wir wollen uns ein Flo? machen«, »wir wollen zur Schare hinausfahren und Netze auslegen«. Das zum Beispiel tun sie heute abend. Morgen fruh wollen sie hinaus und sie einholen, habe ich gehort. Um funf Uhr. Falls sie so fruh wach werden.
Das taten sie. Um funf Uhr wurden sie wach und schlupften schnell in ihre Sachen und waren ebenso schnell unten bei Grankvists Steg, wo Teddy und Freddy mit ihrem Kahn warteten. Bootsmann war auch fruhzeitig wach geworden. Jetzt stand er dort auf dem Steg und guckte Teddy und Freddy mit vorwurfsvollen Augen an. Wollten sie wirklich aufs Wasser hinaus, ohne ihn mitzunehmen?
»Na, dann komm schon«, sagte Freddy. »Wo soll ein Bootsmann sein, wenn nicht in einem Boot? Aber du wei?t vielleicht: Tjorven wird bose, da? es nur so kracht!«
Es schien, als ob Bootsmann zogerte, als er Tjorvens Namen horte. Aber nur einen Augenblick. Dann sprang er mit einem weichen Satz in den Kahn, der unter seinem machtigen Gewicht erzitterte.
Freddy streichelte ihn.
»Du denkst wahrscheinlich, du kommst noch rechtzeitig nach Hause, bevor Tjorven aufsteht, aber da hast du dich geirrt, mein Bootsmannchen.«
Dann ergriff sie die Riemen und begann zu rudern.
»So was konnen Hunde sich doch nicht uberlegen«, sagte Johann.
»Bootsmann denkt uberhaupt nicht. Er springt ins Boot, nur weil er dich und Teddy da sieht.«
Doch Teddy und Freddy versicherten, da? Bootsmann denken und empfinden konne wie ein Mensch.
»Nur besser«, sagte Teddy.
»Ich mochte wetten, da? es in diesem Hundeschadel nie einen bosen Gedanken gegeben hat«, sagte sie und streichelte den riesigen Kopf. »Wie ist es denn mit diesem Schadel?« fragte Johann und fuhr Teddy onkelhaft uber den blonden Scheitel.
»Der sitzt manchmal knuppeldick voll kleiner boshafter Gedanken«, gestand Teddy. »Freddy ist besser. Sie schlagt sicher nach Bootsmann.«
Bis zur Schare brauchten sie fast eine Stunde, und so vertrieben sie sich die Zeit damit, sich zu uberlegen, wie es in ihren verschiedenen Schadeln aussah und welche Gedanken es dort gab. »Was denkst du zum Beispiel, Niklas, wenn du so etwas hier siehst?« fragte Teddy und machte eine Bewegung, die den ganzen wunderbaren, soeben erwachten Morgen mit wei?en Sommerwolken am Himmel und flimmerndem Sonnengeglitzer auf dem Wasser umfing.
»Dann denke ich an Essen«, sagte Niklas.