»Und ich?« rief Tjorven. »Soll ich etwa nie ein bi?chen Spa? haben? Pfui, ist das ungerecht!«

Nisse stohnte und bohrte den Kopf in das Kissen.

»Geh raus, Tjorven! Geh woanders hin, wenn du bose sein mu?t! Wir wollen das nicht mitanhoren.«

Tjorven stand stumm da. Sie schwieg eine Weile, und ihre Eltern hatten schon fast die Hoffnung, da? diese selige Stille anhalten wurde. Sie bemerkten nicht, da? Tjorven nur einen neuen Anlauf nahm. »O ja, das ist fein«, schrie sie schlie?lich. »Aber ich geh schon. Ich gehe und komme nie wieder zuruck. Ich will aber hinterher kein Gejammer horen, wenn ihr keine Tjorven mehr habt.«

Nun sah Marta ein, da? dies eine ernste Angelegenheit war, und sie streckte Tjorven versohnlich die Hand hin.

»Du willst doch nicht etwa ganz und gar verschwinden, Hummelchen?«

»Doch, das ist sicher das beste«, sagte Tjorven. »Dann konnt ihr immerzu schlafen und schlafen und schlafen.«

Marta erklarte ihr, da? sie ihre liebe kleine Tjorven um jeden Preis behalten wollten, nur vielleicht nicht gerade im Schlafzimmer um sechs Uhr morgens. Aber Tjorven horte gar nicht hin. Sie ging hinaus und knallte die Tur hinter sich zu.

Im blo?en Nachthemd lief sie ins Freie.

»Immerzu schlafen und schlafen«, knurrte sie, und Tranen des Zorns standen in ihren Augen. Aber nach und nach wurde ihr klar, da? sie zu fruh aufgewacht war. Dieser Tag wirkte so neu. Sie spurte es an der Luft und an dem betauten Gras, das ihre nackten Fu?e kuhlte, und sie konnte es an der Sonne sehen, die nicht ganz dort stand, wo sie sollte. Nur die Mowen waren wach und kreischten wie gewohnlich. Eine davon sa? auf der Spitze des Fahnenmastes und sah aus, als gehorte ihr ganz Saltkrokan.

So ubermutig war Tjorven nicht, im Augenblick nicht. Sie stand nachdenklich da und zupfte mit den Zehen Grashalme aus. Dies war eine finstere Sache. Sie argerte sich schon, da? sie eben so kindisch gewesen war. So von zu Hause wegzulaufen, das taten ja nur kleine Kinder, und das wu?ten Mama und Papa ebensogut wie sie selber. Aber es ware so schmachvoll, jetzt zuruckzugehen. Sie konnte das nicht so ohne weiteres tun. Es mu?te eine ehrenhafte Art und Weise geben, um aus dieser Klemme herauszukommen. Sie dachte angestrengt nach und rupfte viele Grashalme aus, bis sie plotzlich wu?te, was sie machen sollte. Da rannte sie zum offenen Schlafzimmerfenster und steckte den Kopf hinein. Ihre Eltern waren dabei, sich anzuziehen, und waren so wach, wie sie es sich nur wunschen konnte.

»Ich gehe zu Soderman in Stellung«, sagte Tjorven, und sie fand selber, da? das ein guter Einfall sei. Nun mu?te es Mama und Papa klarwerden, da? sie das die ganze Zeit gemeint hatte und nicht irgendwas Kindisches. Soderman wohnte allein in seiner Kate unten am Wasser. Und er klagte standig daruber, wie schwer er es habe so ohne Hilfe im Haushalt.

»Kannst du nicht zu mir in Stellung kommen, Tjorven?« hatte er einmal gesagt. Aber da hatte Tjorven gerade keine Zeit gehabt. Wie gut, da? ihr das jetzt eingefallen war. Eine Stellung im Haushalt, die brauchte man nicht so furchtbar lange zu behalten. Spater konnte man zu Mama und Papa nach Hause gehen und wieder ihre Tjorven sein, als ware nichts gewesen.

Nisse streckte seine vaterliche Hand durchs Fenster und klopfte Tjorven auf die Wange.

»Dann bist du also nicht mehr bose, Hummelchen?«

Tjorven schuttelte verlegen den Kopf.

»Nee.«

»Das finde ich aber schon«, sagte Nisse. »Es hat keinen Sinn, bose zu werden, denn siehst du, man wird so jahzornig davon.« Da mu?te Tjorven ihm recht geben.

»Glaubst du, Soderman will dich als Hausangestellte haben?« fragte Marta. »Er hat ja Stina.«

Daran hatte Tjorven nicht gedacht. Es war im letzten Winter gewesen, als Soderman sie gefragt hatte. Da hatte es Stina nicht gegeben, da wohnte sie in der Stadt bei ihrer Mama. Tjorven uberlegte, aber nicht lange.

»Hausangestellte mussen stark sein«, sagte sie, »und das bin ich.« Dann lief sie los, um Soderman so schnell wie moglich von seinem Gluck wissen zu lassen. Aber ihre Mutter rief sie zuruck.

»Hausangestellte konnen nicht im Nachthemd arbeiten«, sagte sie. Und das sah Tjorven ein.

Soderman sa? hinter seiner Kate und entwirrte seine Stromlingsnetze, als Tjorven angelaufen kam.

»Die mussen stark sein, tralala«, sang sie. »Ganz infernalisch stark, tralala …« Sie brach ab, denn sie entdeckte Soderman. »Soderman, wei?t du was«, sagte Tjorven, »rate mal, wer heute dein Geschirr abwascht?«

Bevor Soderman noch mit Raten anfangen konnte, tauchte in dem offenen Fenster hinter ihm ein strubbeliger Kopf auf.

»Ich«, sagte Stina.

»Nee«, versicherte Tjorven, »du bist nicht stark genug.«

Es dauerte eine Weile, bis Stina davon uberzeugt war, aber zuletzt mu?te sie sich widerwillig damit abfinden. Tjorven hatte nur verschwommene Vorstellungen von Hausangestellten, so was hatte noch nie seinen Fu? auf Saltkrokan gesetzt. Ihr schwebte vor, da? es starke, eisenharte Geschopfe seien, die ungefahr vorgingen wie ein Eisbrecher, der im Winter die Fahrrinne fur die Dampfer aufbricht. Und mit ungefahr gleicher Kraft machte Tjorven sich ans Abwaschen in Sodermans Kuche. »Ein bi?chen darf man kaputtmachen«, versicherte sie, als Stina wegen ein paar Tellern jammerte, die auf den Fu?boden gefallen waren.

Tjorven go? gro?zugig Spulmittel in die Abwaschwanne, so da? sich der herrlichste Schaum bildete. Sie wusch mit Schwung ab und sang, da? es bis zu Soderman hinaustonte, wahrend Stina ziemlich ubelgelaunt auf einem Stuhl sa? und zuschaute. Sie war jetzt die Frau des Hauses, »denn die brauchen nicht so stark zu sein«, hatte Tjorven erklart.

»Jedenfalls nicht so infernalisch stark«, sang Tjorven, aber dann fiel ihr etwas anderes ein. »Ich backe auch gleich Pfannkuchen«, sagte sie.

»Wie macht man das?« wollte Stina wissen.

»Ganz einfach: Man ruhrt und ruhrt und ruhrt«, sagte Tjorven. Sie war mit dem Abwaschen fertig, und nun go? sie das Abwaschwasser rasch aus dem Fenster. Aber darunter lag Matilda, Sodermans Katze, und sonnte sich. Sie fuhr mit einem erschrockenen Miauen hoch und kam in die Kuche gerast, da? der Schaum um sie herumspritzte.

»Katzen darf man nicht abwaschen«, sagte Stina streng.

»Das war nur ein Unfall«, sagte Tjorven. »Aber wenn man sie abgewaschen hat, dann mu? man sie auch abtrocknen.«

Sie nahm das Geschirrtuch, und gemeinsam trockneten sie Matilda ab und versuchten sie zu beruhigen. Man sah es Matilda an, da? sie sich schmahlich behandelt fuhlte, denn sie miaute argerlich von Zeit zu Zeit, und hinterher wollte sie nichts als schlafen.

»Wo habt ihr das Mehl stehen?« fragte Tjorven, als sie endlich wieder an ihre Pfannkuchen denken konnte. »Hol es mal her!« Stina kletterte gehorsam auf einen Stuhl und zog die Schublade mit dem Mehl aus dem Kuchenschrank. Es war schwierig, sie mu?te sich sehr recken, um heranzulangen, und schwer war es auch. Und tatsachlich, Tjorven hatte recht, Stina war nicht stark genug. »Au wei, ich lasse es fallen«, rief sie. Das Schubfach schwankte in ihren kleinen Handen, so da? der gro?te Teil vom Mehl herausflog. Und es flog auf Matilda hinab, die auf dem Fu?boden darunter lag und gerade eingeschlummert war.

»Sieh mal, das ist eine ganz andere Katze geworden«, sagte Tjorven verdutzt.

Matilda war fur gewohnlich schwarz, aber das Tier, das jetzt mit einem Satz zur Tur hinausscho?, war wei? wie ein Gespenst und hatte wilde, weit aufgerissene Augen.

»Sie wird allen Katzen auf ganz Saltkrokan einen Todesschrecken einjagen«, sagte Tjorven. »Arme Matilda, sie hat auch einen richtigen Ungluckstag.«

Kalle Hupfanland kreischte in seinem Kafig, es horte sich an, als lache er uber Matildas Ungluck. Stina offnete den Kafig und lie? den Raben heraus.

»Ich bring ihm gerade das Sprechen bei«, erzahlte sie Tjorven. »Ich will ihm beibringen zu sagen: ›Zum Kuckuck mit dir!‹«

»Wozu das?« fragte Tjorven.

»Na, weil Pelles Gro?vater das kann«, sagte Stina, »und sein Papagei auch.«

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