unternehmen. Moglicherweise kommt Ihnen ja dann Ihr hei? ersehnter Kurier entgegen.«

»Fur wen halten Sie sich, dass Sie mir Vorschriften machen wollen?«, fauchte Wilden.

»Fur die Frau, die vor Ihnen an der Reihe ist. Lassen Sie mich also jetzt bitte einchecken!«

Wilden schaute sie unglaubig an. Dann zuckte er mit den Schultern und drehte sich wieder zum Empfang um. »Sagen Sie mir sofort Bescheid, wenn der Bote kommt, verstanden?«

Bruder Andreas nickte nur und blatterte angelegentlich im Gastebuch vor sich.

»Hach!«, machte Wilden, warf die Arme in die Luft und verlie? mit stampfenden Schritten das Foyer.

Alexandra stellte sich wieder an den Tresen. »Nettes Kerlchen«, bemerkte sie.

»Tut mir leid«, begann der Monch. »Aber Bernd Wilden ist … er ist mit einer gro?eren Gruppe hier, und … ich wollte ihn nicht verargern …« Hilflos hob er die Schultern. »Wissen Sie, dieser Herr Wilden macht mich einfach rasend … und nicht nur mich.« Der Monch wollte weitersprechen, aber dann verstummte er abrupt. »Bitte entschuldigen Sie, ich habe mich soeben vollig vergessen. Ich kann mich doch nicht bei Ihnen uber einen anderen Gast beklagen.« Er grinste schief. »Sagen Sie, konnten Sie noch mal reinkommen und dabei so tun, als waren Sie noch nie hier gewesen? Ich glaube namlich, wenn Sie Ihren Artikel nach dem ersten Eindruck schreiben, den Sie von mir bekommen haben, dann werden wir das Hotel demnachst schlie?en mussen, weil dann niemand mehr hier ein Zimmer bei uns haben will.« Wieder zuckte er mit den Schultern. »Das ist alles noch so neu fur mich … Ich bin ins Kloster gegangen, um dem Herrn zu dienen, aber nicht, weil ich Pfortner spielen wollte. Ich … ich habe mich daran noch nicht richtig gewohnt.«

Sie lachelte ihn aufmunternd an. »Schon gut, machen Sie sich keine Sorgen! Fangen wir also einfach noch mal von vorn an! Fur mich ist ein Zimmer reserviert worden, entweder auf Alexandra Berger oder auf Traveltime oder auf die Verlagsgruppe DNK.«

Bruder Andreas nickte. »Verlagsgruppe DNK … hier ist es.« Er nahm ein farbiges Kartchen aus einer Schachtel und steckte es an die Tafel, um das belegte Zimmer zu markieren. Plotzlich stutzte er. »DNK? Ach, dann gehoren Sie zu dem anderen Gast, nicht wahr?«

»Zu welchem anderen Gast?«, fragte sie und versuchte, den Eintrag in dem Buch zu entziffern, in dem Bruder Andreas die Reservierung nachgeschlagen hatte.

»Ich meine Herrn Ro …« Weiter kam er nicht, da in diesem Moment eine mannliche Stimme ertonte.

»Alexandra? Alexandra Berger! Da bist du ja!«

Alexandra erstarrte, denn sie hatte die Stimme sofort erkannt. Nein, dachte sie. Bitte nicht! Nicht Tobias Rombach! Ganz langsam, als konnte sich ihre Vermutung doch noch als Irrtum entpuppen, wandte sie den Kopf. Aber das Schicksal meinte es heute offenbar gar nicht gut mit ihr.

In der Tur, die aus dem Foyer tiefer ins Kloster hineinfuhrte, stand ein Mann, den sie nur allzu gut kannte. Er war in etwa so gro? wie Alexandra, von schlanker Statur und dunkelhaarig, und rein objektiv betrachtet hatte man ihn durchaus als gut aussehend bezeichnen konnen. Alexandra fand jedoch, dass ihm das gewisse Etwas fehlte. Besonders nervig war aber die Machodenkweise, die seinen Verstand fest im Griff hatte.

»Tobias?«, fragte sie. »Wieso bist du hier?«

Tobias Rombach kam auf sie zu und streckte die Arme aus, als wollte er sie wie eine gute alte Freundin an sich drucken. Bevor er ihr zu nahe kommen konnte, streckte sie ihm die Hand entgegen, ergriff die seine und schuttelte sie.

»Ich soll fur unser Magazin BMI einen Artikel uber das Klosterhotel schreiben«, antwortete er. »Herr Hutter war der Ansicht, wenn wir schon beide uber die ›Innere Einkehr‹ schreiben, dann ware es sinnvoller, wenn wir zur gleichen Zeit hier ubernachten. So recherchieren wir sozusagen unter denselben ›Bedingungen‹.«

Alexandra nickte nachdenklich. Grundsatzlich war das ein Argument, dem sie nicht widersprechen konnte. Eine Reisereportage war genauso wie eine Restaurantkritik immer nur eine Momentaufnahme, in die unendlich viele Faktoren einflossen. Man musste nur an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Lokal essen, und es konnten zwei vollig verschiedene Kritiken dabei herauskommen. Allerdings wusste sie auch, dass Florian Hutter, ihr Chefredakteur, ein ehemaliger Studienfreund von Tobias war, was der bekanntlich gern mit der Formulierung »Herr Hutter« zu verschleiern versuchte, wenn er einen lukrativen Auftrag ergattert hatte. Das hier war aber weder lukrativ, noch lag ein Urlaub in einem Kloster auf Tobias’ Linie, also konnte dem Ganzen nur ein anderes Motiv zugrunde liegen. Und uber dieses Motiv brauchte Alexandra auch gar nicht lange zu ratseln: Tobias hatte bei diesem Auftrag wieder einmal die Gelegenheit gewittert, sich an sie heranzumachen! Und da war es fur ihn wahrscheinlich ein Leichtes gewesen, Hutter entweder mit einem Pseudoargument oder mit der Wahrheit davon zu uberzeugen, beim Chefredakteur von BMI ein gutes Wort fur ihn einzulegen.

»Und wieso wollt ihr eure Manager ausgerechnet in dieses Kloster schicken?«, fragte sie. »Die stehen doch bekanntlich gar nicht auf Bescheidenheit.«

»Womit du den Beweis geliefert hast, dass du gar nicht wei?t, wofur unser Magazin steht«, hielt Tobias triumphierend dagegen. »Es geht nicht immer nur darum, den starken Mann von Welt zu mimen. Genauso wichtig ist, dass man zwischendurch auch mal die Seele baumeln lasst und sich Urlaub vom Alltag nimmt.«

Wahrend er redete, verdrehte sie Augen. Wie oft hatte sie solche und ahnliche Floskeln schon gehort! Doch Tobias lie? sich nicht beirren.

»Und genau das kann man hier machen. In der ›Inneren Einkehr‹ erfahrt man Ruhe und kann neue Energie tanken, hier …«

»Ja, ja, schon gut, ich habe verstanden«, unterbrach sie ihn, da er offenbar mit seiner Litanei noch lange nicht am Ende war. »Ihr habt mit zwanzig Jahren Verspatung die New-Age-Philosophie entdeckt. Meinen Gluckwunsch.«

»Spotte du nur!«, brummte Tobias. »Du willst ja blo? nicht zugeben, dass ich recht habe.«

Bruder Andreas nutzte die Redepause, die entstanden war. »Wenn Sie sich bitte hier eintragen wurden, Frau Berger. Ich sage Bruder Jakob Bescheid, damit er Sie zu Ihrem Zimmer bringt.« Er schob Alexandra etwas hin, das sie stutzig werden lie?. Es war ein Tablet-PC, der in einer Hulle aus hartem, dunkelbraunem Leder steckte, was ihm etwas eigenartig Rustikales verlieh. Auf dem Display war ein Formular zu sehen, in das sie mit dem Stift, den der Monch ihr hinhielt, ihre Personalien eintragen konnte. Sie begann, in Druckbuchstaben zu schreiben, und bevor sie ihrer Verwunderung uber dieses moderne Gerat, das so gar nicht zum Ambiente zu passen schien, Ausdruck verleihen konnte, bemerkte Tobias:

»Ach, lassen Sie nur, Bruder Andreas! Ich kann Alexandra auch ihr Zimmer zeigen. Da mussen wir Bruder Jakob nicht aus seinem wohlverdienten Schlaf rei?en.«

»Bruder Jakob aus dem Schlaf rei?en?«, wiederholten der Monch und Alexandra gleichzeitig.

»Na, kommt schon, Leute«, sagte Tobias und grinste breit. »Ihr kennt doch dieses Kinderlied … ›Bru-der Ja-kob, Bru-der Ja-kob, schlafst du noch?‹«

Alexandra richtete gequalt den Blick zur Zimmerdecke. »Du bist dir auch fur keinen Kalauer zu schade, wie?«

Tobias nahm diese Frage mit einem gelassenen Schulterzucken hin. »Solange meine Trefferquote insgesamt stimmt, kann ich damit leben, dass der eine oder andere Gag ins Leere lauft.«

»Und wo liegt deine Quote? Bei funf Prozent? Oder eher darunter?«, konterte sie und horte, wie der Monch am Empfang zu kichern begann. Dann riss er sich wieder zusammen und hielt Alexandra den Schlussel hin, an dem ein klobiger Plastikklotz hing, auf dem die Zimmernummer vermerkt war. Sie stutzte angesichts der eigenartigen Design-Mixtur. Nach dem Tablet-Computer hatte sie eigentlich mit einer Codekarte gerechnet, aber offenbar war die Klostertechnik doch noch nicht ganz in der Gegenwart angekommen. Andererseits hatte dieser Schlussel etwas Urtumliches und seltsam Skurriles an sich, das in Alexandra nostalgische Erinnerungen an ihre Urlaube mit den Eltern weckte.

»Danke«, sagte sie und buckte sich, um nach ihrer Reisetasche zu greifen. Tobias kam ihr jedoch zuvor und nahm die Tasche an sich.

»Komm, lass mich dir helfen!«, meinte er, und Alexandra schluckte den Widerspruch, der ihr auf der Zunge lag, hinunter.

Sie verlie?en das Foyer durch die Tur, durch die Tobias eben eingetreten war, und gelangten in einen recht schmalen, schnurgeraden Gang. Die Wande waren wei? gestrichen. Schmucklose Wandlampen sorgten fur die notige Helligkeit. Auf der linken Seite fanden sich mehrere geschlossene Turen, die keine Nummer aufwiesen. Wahrscheinlich handelte es sich bei diesen Raumen also nicht um Gastezimmer.

»Hier lang«, sagte Tobias und bog mit ihr nach rechts in einen noch langeren Gang ein, der quer durch das

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