Es folgte eine kurze Pause, dann erklang wieder Wildens spottische Stimme:
Ein dumpfes Gerausch – offenbar ein Schlag – unterbrach den Mann mitten im Satz, der stohnte vor Schmerzen laut auf, aber ein zweiter Schlag brachte ihn endgultig zum Schweigen. Dann waren ein Knirschen und ein leises Achzen zu horen. Jemand atmete schnaufend, als bewegte er muhsam etwas Schweres von der Stelle. Schritte kamen zuruck, und Augenblicke spater fiel eine Wagentur zu.
Tobias stoppte die Wiedergabe. »Ab dieser Stelle der Aufnahme ist nur noch das leise Ticken einer Analoguhr zu horen, die in einem Ablagefach von Herrn Wildens Wagen lag. Sein Handy hat noch ungefahr neunzig Minuten lang aufgenommen, dann war der Akku leer, und es hat sich abgeschaltet.«
Im Saal herrschte fassungsloses Schweigen. Alle Blicke waren auf Bruder Johannes gerichtet, der von seinem Platz aufgesprungen war. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren, doch seine Augen brannten wie von einem irren Feuer.
Pallenberg schaute Bruder Johannes an.
Der Monch straffte die Schultern und reckte den Kopf wie jemand, der davon uberzeugt war, richtig gehandelt zu haben. Doch seine Stimme klang ungewohnt bruchig, als er zu sprechen begann. »Was soll ich dazu noch sagen? Sie haben ja alle gehort, was Herr Wilden vorhatte. Er wollte uns alles wegnehmen. Das konnte ich doch nicht zulassen! Nicht nach allem, was wir fur den Aufbau des Klosters geleistet haben.« Sein Blick, der von dem Polizeibeamten uber Tobias zu Alexandra und wieder zuruck zu Pallenberg wanderte, schien um Verstandnis zu flehen. »Ich habe nicht aus niederen Motiven gehandelt, sondern bei all dem nur an meine Mitbruder gedacht.« Sein Tonfall klang nun wieder energischer, selbstbewusster. »Manchmal gibt es eben keine andere Losung als Gewalt, um ein Unheil abzuwehren … und Herr Wilden war das Fleisch gewordene Unheil, ein wahrer Teufel. Jemand
Alexandra spurte, wie sich die feinen Harchen auf ihrem Rucken aufstellten, und sie schuttelte unglaubig den Kopf. »Und deshalb musste auch noch Assmann sterben, nicht wahr? Weil er alles uber Wildens Vorhaben wusste.«
Bruder Johannes erwachte aus seiner Versunkenheit und sah sie aus funkelnden Augen an. »Herr Assmann war doch noch schlimmer! Er war fest entschlossen, Herrn Wildens Plan trotzdem in die Tat umzusetzen, und weil er vermutete, dass einer von uns etwas mit Wildens Tod zu tun hatte, kundigte er an, uns vor die Tur zu setzen. In ein paar Wochen waren wir alle obdachlos gewesen.«
Pallenberg ergriff wieder das Wort. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts als professionelle Sachlichkeit. »Und wie haben Sie die beiden Manner umgebracht, Bruder Johannes? Ich konnte auf der Aufnahme zwei dumpfe Schlage horen.«
»Mit einem Hammer … einem Holzhammer«, verriet Bruder Johannes. »Ich bin Herrn Wilden zum Parkplatz gefolgt … und habe zweimal auf ihn eingeschlagen. Danach habe ich ihn im Schutz der Dunkelheit zum Brunnen geschleift und in den Schacht geworfen. Ich hoffte, man konnte spater nicht mehr feststellen, dass ihm vor dem Sturz in die Tiefe der Schadel zertrummert wurde.«
»Und letzte Nacht haben Sie Kurt Assmann in die Kapelle gelockt, nachdem Sie ihm – wahrscheinlich mit einer SMS – die Ubergabe von Wildens Laptop angekundigt hatten«, folgerte Tobias leise. »Ihn haben Sie auch mit dem Hammer niedergestreckt und dann alles so arrangiert, dass es nach einem Unfall aussehen sollte.«
Bruder Johannes zuckte mit den Schultern und druckte wieder den Rucken durch. Er schien tatsachlich davon uberzeugt zu sein, das Richtige getan zu haben. »Ich hatte meine Grunde.«
Einen Moment lag unglaubiges Schweigen uber dem Saal, dann sagte Polizeiobermeister Pallenberg: »Mich wurde noch interessieren, wie Sie sich in beiden Fallen so spat am Abend aus dem Kloster geschlichen haben. Sie mussten doch befurchten, von irgendjemandem gesehen zu werden. Einer Ihrer Mitbruder oder einer der Gaste hatte im Haus unterwegs sein konnen. Wenn Sie dabei beobachtet worden waren, wie Sie nachts das Kloster verlassen, ware der Verdacht doch gleich auf Sie gefallen …«
»Ich werde nichts von dem leugnen, was Sie uber mich und meine Motive in Erfahrung gebracht haben«, erklarte der Monch gelassen. »Aber was Sie noch nicht wissen, werde ich Ihnen auch nicht verraten.«
»Ich glaube, ich kann Ihre Frage beantworten«, sagte Alexandra anstelle des Monchs und zog die Kellerschlussel hervor, die Tobias ihr gegeben hatte. »Bruder Johannes, Herr Pallenberg, wenn Sie uns in den Keller begleiten wurden? Ach ja, Bruder Siegmund und Bruder Dietmar, es ware schon, wenn Sie beide auch mitkommen konnten.«
Die Monche tauschten einen unbehaglichen Blick, standen aber auf und kamen zu ihnen.
Wie auf ein Stichwort sprang Kater Brown von dem Beistelltisch. Fur den Moment hatte Alexandra ihm die Leine abgenommen; er trug nur das Geschirr.
Gemurmel im Saal wurde laut, als die kleine Prozession sich in Richtung Kellertur in Bewegung setzte.
Im Kellergeschoss angekommen, eilte Kater Brown mit steil aufgerichtetem Schwanz voraus und setzte sich vor die Tur, die in den angrenzenden Raum fuhrte.
»Ja, ich wei?, mein Kleiner«, sagte Alexandra. »Du willst mir dort schon lange etwas zeigen. Gleich habe ich Zeit fur dich. Aber zuerst muss ich noch etwas anderes erledigen.«
Kater Brown sah ihr interessiert zu, wie sie aufschloss. Kaum war die Tur einen Spaltbreit geoffnet, huschte er hindurch und verschwand in der Dunkelheit.
Alexandra schaltete das Licht ein, dann bedeutete sie den anderen, ihr zu folgen. Der Kater war nicht zu sehen, als sie den nachsten Raum betrat. Zielstrebig ging sie an den Regalreihen vorbei, bis sie die linke hintere Ecke erreicht hatte. Vor einem der Regale dort blieb sie stehen und zeigte auf den Boden. »Sehen Sie diese