Schuri in der Kaschemme gesehen und herbestellt, falls er Lust haben sollte, es mit uns zu halten; es scheint ihm aber nicht sonderlich viel daran zu liegen.« – »Sie wollen die Sache also in die Hand nehmen?« – »Jawohl, falls Sie... aber wie hei?en Sie eigentlich, Herr ...« – »Rudolf ist mein Name.« – »Also, Herr Rudolf«, sagte Bakel, »wir wollen uns in die Kneipe setzen, denn ich habe noch nichts zum Fruhstuck gegessen und meine Frau ebensowenig. Wahrend wir essen, la?t sich ja von den Geschaften reden.« – »Meinetwegen.« – »Nun, Entschadigung mu?ten Sie uns eigentlich geben«, begann der Mann, »denn Sie sind doch schuld, da? wir Zweitausend Franks eingebu?t haben. Meine Frau hatte mit dem Langen, der zuletzt in der Kaschemme nach Ihnen fragte, eine Zusammenkunft in Saint-Quen verabredet. Er wollte uns, wenn wir Arbeit fur ihn verrichten wollten, zweitausend Franks auszahlen. Schuri hat mir einigerma?en erklart, wie sich die Sache verhalt; aber, Finette«, sagte der Rauber zu dem Weibe, »geh doch immer voraus und bestelle uns einen Imbi?. Wir kommen gleich nach.« Zu Rudolf gewandt, fuhr er fort: »Au?erdem sollten uns 500 Franks fur eine Brieftasche verabfolgt werden, wenn wir sie wieder aushandigen wollten. Aber das haben wir uns anders uberlegt, nachdem wir gesehen haben, da? die Papiere mehr wert zu sein scheinen, und werden die Brieftasche nicht wieder herausrucken.« – Bei diesen Worten klopfte er auf die Brusttasche seines Rockes.
Rudolf war sehr froh, da? der Mann die Papiere noch bei sich hatte, die ihm erst zwei Tage vorher von Tom geraubt worden waren und die fur ihn von sehr hohem Werte waren. Der Auftrag, den er Schuri gegeben, hatte keinen andern Zweck gehabt, als ihn dem Weibe fern zu halten. Auf diese Weise hatte er darauf gerechnet, die Brieftasche sich wieder anzueignen. – »Wir konnen zusammen ein Geschaft machen,« sagte er, »wenn es Ihnen recht ist. Ich kaufe Ihnen, wenn uns der Anschlag gluckt, die Brieftasche ab. Die Papiere, die darin liegen, werden mir, da ich dem Eigentumer nicht fremd bin, mehr nutzen als Ihnen. Ich hatte Schuri eine ganz nette Sache vorgeschlagen. Zuerst schien es ihm nicht recht zu sein. Nachher hat er sich aber anders besonnen, indem er mir riet, mich an Sie zu wenden.« – »Ich mochte nicht neugierig erscheinen, anderseits doch aber gern wissen, warum Sie gestern fruh mit Schuri eine Begegnung hatten, und was ihn veranla?t hat, mit der Eule zu reden. Er war verlegen und nicht im stande, mir eine klare, bestimmte Auskunft zu geben.«
Rudolf fand nach einigem Besinnen zum Gluck eine halbwegs wahrscheinliche Mar, die Schuris Ungeschick erklaren konnte ... »Die Sache verhalt sich so«, sagte er; »mir gefiel die Sache, die ich im Sinne hatte, deshalb, weil sich der fragliche Hausherr zurzeit in Paris befindet, und vorderhand nicht zu befurchten stand, da? er aufs Land zuruckkehren werde. Es ware drau?en in Pierrefitte. Meine Cousine dient bei dem Herrn; sie sagte mir, es lagen etwa 60 000 Franks in Gold drau?en in Pierrefitte.« – »Und Sie wissen dort Bescheid?« – »Wie bei mir selber. Der Portier ist wohl ein kraftiger Mann. Ich redete mit Schuri, wie gesagt; zuerst war er ganz dabei, dann wollte er nicht mehr; aber einer von denen, die ihre Kameraden verraten, ist er keinesfalls.« – »Nein. Schuri ist ein ehrlicher Kerl. Er halt unbedingt seinen Mund. Aber – da sind wir an Ort und Stelle.«
Rudolf wollte den Rauber vorausgehen lassen, hatte wohl auch gute Grunde dazu. Bakel wehrte sich aber so sehr dagegen, da? Rudolf schlie?lich in die Schenke vorausgehen mu?te. Bakel klopfte, ehe er sich setzte, die Wande ab, um sich von ihrer Dicke zu uberzeugen ... »Es wird notwendig sein, leise miteinander zu sprechen,« sagte er, »es ist keine dicke Wand vorhanden.«
Eine Aufwarterin brachte das bestellte Fruhstuck. Der Rauber setzte sich, als sie gegangen war, so neben Rudolf, da? es ihm nicht moglich war, anders als an dem Rauber vorbei die Tur zu gewinnen... »Ich merke, Sie wollen mich am Hinausgehen verhindern?« sagte Rudolf kaltblutig. – Bakel nickte. Dann zog er aus der Rocktasche einen langen Dolch, der in einen Holzgriff gefa?t war ... »Blo? vorsichtshalber,« sagte er, die Brauen zusammenkneifend. – Rudolf seinerseits griff kaltblutig unter seine Bluse und zog einen Revolver hervor, den er Bakel unter die Augen hielt und dann wieder unter der Bluse verschwinden lie?. – »Ich sehe«, sagte der Rauber, »wir passen zueinander, aber so recht verstehen Sie mich noch immer nicht. Sollte mir die Polizei an den Kragen kommen wollen, so wurde ich, ob ich Ihnen den Besuch zu verdanken hatte oder nicht, Ihnen ohne Besinnen dies Eisen zwischen die Rippen jagen.« – »Und ich wurde dir gewi? nicht blo? zusehen«, sagte die Eule. – Rudolf zuckte die Achseln, go? sich ein Glas voll Wein und trank es auf einen Schluck aus ... »Stecken Sie nur Ihr Kasemesser wieder zu sich«, sagte er lachend, »hier gibts kein Huhn zu spicken, auch keinen Hasen. Sie finden an mir schon Ihren Mann. Daruber ohne Sorge! Apropos«, wandte er sich an die Eule, »kennen Sie wirklich die Eltern des Madchens, das unter dem Namen Schalldirne hier bekannt ist?« – »Mein Mann hat in die Brieftasche des Langen zwei Schriftstucke gesteckt, die daruber Aufklarung geben. Aber die Dirne soll nichts davon erfahren. Kommt sie mir wieder zwischen die Finger, solls ihr schlecht bekommen!«
Bei diesen Worten legte sie ihr Umschlagetuch ab. Trotzdem er sich sehr in der Gewalt hatte, konnte Rudolf nicht hindern, da? er zusammenfuhr, als er an einer dicken, vergoldeten Halskette, die das Weib trug, einen kleinen heiligen Geist aus Lapis Lazuli an silbernem Ringe hangen sah, der ganz dem von Frau Georges geschilderten glich. – Da scho? Rudolf ein Gedanke durch den Sinn. Von Schuri hatte er gehort, da? der vor einem halben Jahre aus dem Bagno entwichene Verbrecher sich vor der Polizei durch Verunstaltung seines Gesichts gesichert habe, und von Frau Georges hatte er gehort, da? ihr Mann vor einem halben Jahre aus dem Bagno entwichen sei, ohne da? irgend jemand wu?te, wohin er sich gefluchtet habe, oder was aus ihm geworden sei. Sollte dieser Bakel der Mann seiner armen Frau Georges sein? Da? dieser Verbrecher zur wohlhabenden Gesellschaftsklasse gehort hatte, stand nach der gewahlten Ausdrucksweise, deren er fahig war, nicht wohl zu bezweifeln. Ein Gedanke schlo? sich nun an den andern. Rudolf besann sich, da? ihm Frau Georges von dem verzweifelten Widerstande erzahlt hatte, den dieser rasende Verbrecher den Polizisten entgegensetzte, als er abgefuhrt werden sollte, und da? er, dank seiner ungeheuren Korperkraft, fast noch entkommen ware. Wenn nun Bakel – wie er jetzt unter seinesgleichen genannt wurde – wirklich der Mann von Frau Georges war, dann mu?te er doch wissen, was aus seinem und ihrem Kinde geworden! Glucklicherweise fiel es dem Rauber nicht auf, da? Rudolf in sich gekehrt eine lange Weile sitzen blieb, seine Aufmerksamkeit wurde durch das Essen in Anspruch genommen, von dem er die besten Bissen seiner Kameradin auf den Teller legte.
Nach einer Weile sagte Rudolf zu dieser: »Sie haben da eine wirklich sehr schone Kette ..« – »Ja, aber unecht, ich behelfe mich mit ihr nur so lange, bis mir mein Mann mal eine echte kaufen kann.« – »Und was ist das fur ein kleines blaues Ding dran?« fragte Rudolf weiter. – »Auch, ein Prasent von meinem Manne ..« Rudolf war nun uberzeugt, da? er sich auf der rechten Fahrte befand, und wartete angstlich gespannt auf die Antwort des Verbrechers. Der sa? aber und lie? sich das Essen schmecken. Erst nach einer Weile sagte er zur Eule: »Das Ding darfst du nicht weggeben, Finette, auch wenn du eine bessere Kette bekommst, ist es doch ein Talisman!« – »Was? Ein Talisman?« fragte Rudolf, scheinbar gleichgultig, »wer glaubt wohl noch an so etwas? Wo, zum Teufel! haben Sie ihn denn aufgestobert? So etwas bekommt man doch heute kaum noch!« – »Talismane werden freilich nicht mehr gemacht, Herr«, erwiderte der Verbrecher, »aber der, den Sie am Halse meiner Frau sehen, ist von sehr hohem Alter. Um aber auf das Geschaft zu kommen, von dem Sie sprechen, und das also in der Allee des Veuves liegen soll?« – »Ganz recht!« erwiderte Rudolf, »Nr. 17, und bewohnt von einem steinreichen Manne, namens ...«
– »O, ich brauche seinen Namen nicht zu wissen«', erwiderte der Rauber, »aber in einer Stube des Landhauses, sagen Sie, liegen 60 000 Franks in Gold?« – Rudolf nickte. – »Und Sie sind im Haus bekannt?« – Rudolf nickte wieder.
– »Das Haus ist schwer zu erreichen?« – »Nach der Allee des Veuves schlie?t es eine sieben Fu? hohe Mauer ab, davor liegt ein Garten, und im Erdgescho?e hat es Fenster. Sie sagen, der Schatz werde nur von einem Portier bewacht?« – Rudolf nickte. – »Und wie haben Sie sich den Plan gedacht?« – .Einfach genug. Es wird uber die Mauer gestiegen und entweder die Tur gesprengt oder ein Fensterladen aufgebrochen.« – »Und wenn der Pfortner munter wird?« – »Das mochte zu seinem Besten nicht eben sein«, erwiderte Rudolf, »hat der Plan Ihren Beifall?« – »Ehe ich die Gelegenheit nicht mit meiner Alten ausbaldowert habe, kann ich Ihnen, wie Sie wohl einsehen werden, Bescheid nicht geben. Verhalt sich aber alles so, wie Sie sagen, nun, dann halte ich es furs beste, ohne Saumnis an die Arbeit zu gehen, am besten schon heut abend.«
Der Rauber fa?te Rudolf dabei scharf ins Auge... »Heut abend schon?« wiederholte Rudolf, »nein, das ginge nicht. Heut abend bin ich behindert.« – »Wirklich? Nun, und morgen kann ich nicht.« – »Warum?« – »Aus demselben Grunde nicht wie Sie,« sagte der Rauber lachend. –
Nach einigem Nachdenken versetzte Rudolf: »Nun, mag' es sein, wie Sie wollen, heut abend also! Wir treffen uns, bestimmen Sie nur, wo?« – »Wo?« wiederholte Bakel, »besser schon, wir gehen uberhaupt nicht auseinander.« – »Wie meinen Sie das?« – »Was ist da weiter zu meinen? Die Allee des Veuves wird bald ode und verlassen sein. Wir konnen uns also ganz bequem in der zehnten Stunde dorthin auf den Weg machen.« – »Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich Mi?trauen bei Ihnen in meine Absichten voraussetze.« – »Lassen wir alle Sentimentalitat beiseite. Ich will annehmen, da? an Ihrer Mitteilung etwas Wahres ist, und da es ja lohnt, sich um