der als Schneider gilt, aber Trodler, Hehler und Dieb in einer Person ist. Bei ihm kauften sie allerhand ein. Bakel sagte mir, als ich ihm von der Sache erzahlte, die Sie fur ihn hatten, er wurde sich einfinden. Heute fruh habe ich mich auf den Weg gemacht, um Ihnen seine Antwort auszurichten. Darauf sagten Sie mir, ich solle morgen vor Tage wiederkommen, tagsuber zu Hause bleiben, aber abends etwas erleben, das der Muhe lohne. Ich erriet, was darunter gemeint war, da? namlich Bakel was ausgewischt werden solle, und das ging mir keineswegs wider den Strich, denn Bakel ist ein arger Bosewicht, der den Viehhandler umgebracht hat ... Mittlerweile fiel mir ein, Bakel sei ein durchtriebener Gesell und konne gar leicht eine Falle wittern, deshalb den Ort, an dem ihm Herr Rudolf fur den andern Tag ein Stuck Arbeit vorschlagen wolle, schon heute visitieren oder visitieren lassen, zuletzt vielleicht auch Lust bekommen, die Sache allein, ohne irgendwessen Beihilfe auszufuhren.« – »Und so kam es auch«, bemerkte Rudolf, »du hattest richtig geraten. Auf diese Weise also fugte es die Vorsehung, da? ich dir das Leben zu verdanken habe.« – »Ich mu? mich selbst wundern, Herr Rudolf«, sagte Schuri, »da? mir, seit ich Sie kenne, Dinge passieren, die oben im Himmel eingefadelt zu sein scheinen, und dann sehen Sie, Herr Rudolf, wenn man sich immer behandelt gesehen hat wie einen Hund, sobald man es blo? wagte, sich wieder ehrlicher Gesellschaft zu nahern, dann ... dann beruhrts einen gar seltsam, wenn man sich von jemand freundlich behandelt sieht ... Doch davon genug!« rief er, »ich soll Ihnen ja erzahlen, wie alles zugegangen ist. Nun denn, ich habe da so bei mir gedacht, ich musse mich irgendwo verstecken, wo sich mir die Gelegenheit bote, die Mauer und die Gartentur zu uberschauen, da es einen andern Eingang zu dem Hause ja doch nicht gebe. Und da es regnete, machte ich mich auf den Weg nach den Champs Elysees, um mir dort eine Unterkunft zu suchen. Was aber sehe ich dort? Zehn Schritte vor Ihrer Tur ein kleines Wirtshaus. Dorthinein trat ich und setzte mich ans Fenster, keinen Blick von Ihrer Tur lassend. Da sehe ich mit einem Male die Eule mit Rotarms lahmem Jungen kommen.« – »Rotarm? Rotarm?« fragte Rudolf, »hei?t der Wirt der unterirdischen Schenke in den Champs Elysees so?« – »Jawohl, Herr Rudolf«, erwiderte Schuri, »wu?ten Sie das nicht?« – »Nein. Ich war der Meinung, er habe seine Wohnung in Alt-Paris.« – »Dort wohnt er auch«, antwortete Schuri, »er wohnt eben uberall, Freund Rotarm, der schlaue Wicht mit seiner gelben Perucke und spitzen Nase. Kurzum, als ich Eule und Jungen kommen sah, dachte ich bei mir: Gut, jetzt gibts was! Und wirklich: der Junge verkriecht sich in einen Graben der Allee, von wo aus er den Blick nach Ihrer Tur hin frei hat. Die Eule setzt sich eine Haube auf, tritt an die Tur heran und klingelt. Murph macht ihr auf und la?t sie herein. Nach einer langen Weile kommt sie wieder und spricht zu dem lahmen Jungen, der noch immer im Graben lag, ein paar Worte. Als sie hierauf allein wegging, habe ich mir gesagt: »Nun aber aufpassen, Schuri! Der lahme Junge bleibt hier, die Eule geht wieder ... wohin anders, als zu Bakel und zu Herrn Rudolf, die zusammen beim Rotarm geblieben sind? Die Eule hat also hier blo? baldowern sollen, und heut abend soll was vorgehen, Herrn Rudolf aber haben sie sicher aus dem Wege geschafft, um freie Hand zu haben. – Ich denke weiter: wie die Dinge stehen, gehe ich am besten ... Hm, uberlege ich, wenn aber inzwischen Bakel kommt? Am gescheitesten ware es doch, du gingest zu Herrn Murph und stecktest es ihm! Da lauert aber der verfluchte lahme Junge an der Tur, sage ich mir, und wenn er dich sieht, so warnt er doch die Eule, und das kann alles verderben, zumal sich Herr Rudolf vielleicht doch anders besonnen hat und schon heute abend tun will, was erst morgen sein sollte. Nun ging ich ins Freie, um zu uberlegen, zog meine Bluse aus, band mein Halstuch ab, ging in den Graben und nahm den lahmen Jungen beim Kragen, ohne mich an sein Geschrei zu kehren, und schnurte ihn in meine Bluse wie in einen Sack, den ich oben mit den Aermeln, unten mit dem Halstuche zusammenband und auf den Buckel nahm. Nicht lange, so komme ich an einen Gemusegarten, um den eine kleine Mauer herum lauft. Ich packe meinen Sack und schleudere ihn uber die Mauer in ein Rubenfeld. Freilich quiekt der lahme Junge wie ein Schwein, aber weiter als auf etwa zwei Schritte war seine Stimme doch nicht zu horen. Darauf mache ich mich schleunigst auf die Socken, bis ich zu einem Baume komme, von dem aus sich Ihre Tur uberblicken la?t. Keine zehn Minuten, so horte ich Schritte. Der Regen fiel noch immer, und eine Finsternis herrschte, da? der Teufel sich hatte auf den Schwanz treten konnen. Ich lauschte. Die Eule wars ... »Lahmer, Lahmer!« rief sie leise. Ich aber dachte: »Ja, such du nur!« Da horte ich Bakels Stimme: »Bei dem Regen wirds dem Jungen zuwider geworden sein zu warten; aber wenn ich ihn morgen erwische, ziehe ich ihm die Haut vom Leder.« – »Mannchen«, horte ich drauf die Eule wieder, »nimm dich in acht! Vielleicht ist er weggegangen, um uns was zu berichten? Wenns nun eine Falle ware? Der andre wollte doch erst um zehn?« – »Eben darum«, sagte Bakel drauf, »jetzt ists erst sieben: du hast Geld gesehen; wer nicht wagt, gewinnt nicht; drum gib mir die Zange her!«

»Von wem hatte er die Werkzeuge?« fragte Rudolf. – »Von Rotarm«, versetzte Schuri; »der halt immer Vorrat; im Nu war die Tur aufgebrochen ... Da hore ich wieder die Einaugige: »Du Mannchen, schieb den Dolch da hinter deine Weste, damit du ihn gleich bei der Hand hast«, worauf Bakel in den Garten schlich. Ich sagte mir gleich: Herr Rudolf ist nicht dabei, also entweder tot oder irgendwohin verschleppt; ihm kann ich nicht helfen, aber Bakel kann Herrn Murph, Herrn Rudolfs Freund, der nichts Schlimmes vermutet, um die Ecke bringen wollen. Ich bin im Nu vom Baume hinunter und schlage die Eule Mit zwei Fausthieben nieder; dann renne ich in den Garten; aber, Herr Rudolf, dorthin kam ich zu spat, denn Herr Murph, der jedenfalls Gerausch gehort hatte, war schon drau?en und mit Bakel auf der Vortreppe im Kampfe. Herr Murph war schon schwer verwundet, hielt aber Bakel noch fest. Ich fiel uber beide her und packte den Bakel. »Ich bins, Herr Murph«, rief ich, »ich, der Schuri!« – Bakel aber, wie vom Donner geruhrt, schreit: »Spitzbube! Welcher Satan fuhrt dich hierher?« – »Oho! Nicht so neugierig, Kujon!« antworte ich, ihm ein Bein zwischen die Knie stellend und den Arm fassend, in welchem er den Dolch hielt; Bakel schnaubte wie ein Ochse und wehrte sich wie ein Lowe. Den Dolch hatte ihm Herr Murph nicht entwinden konnen, denn Bakels Faust ist wie ein Schraubstock. Endlich gelang es mir, beide Hande hinter seinen Nacken zu bringen und zusammen zu schlingen, wie wenn ich ihn umarmen wollte ... »Und nun sehen Sie zu«, sagte ich zu Murph, »ob Sie drau?en Hilfe finden. Ich will warten, bis Sie zuruckkommen; drau?en hinter der Gartentur liegt die Eule, die lassen Sie nur mit in Sicherheit bringen, wenn Sie Hilfe haben.« Ich blieb mit Bakel allein, und was ihm bevorstand, das wu?te er. Ich hatte noch immer beide Arme um seinen Hals geschlungen. Wir lagen halb auf der Erde, halb auf der untersten Treppenstufe. Mein Gesicht lag auf dem seinen. Ein Bein hatte ich ihm zwischen die Kniee gesteckt. Trotzdem hob er uns beide zusammen mit dem Leibe uber einen Fu? hoch empor; aber noch immer hielt ich ihm meine Hande unter dem Kopfe und seinen Arm unter meinem Leibe. Da mit einem Male sehe ich die Eule oben auf den Stufen stehen. Donnerwetter! Mir wars, als sei mir der leibhafte Teufel erschienen. Bakel knirschte mit den Zahnen, das runde Auge des Weibes funkelte wie Grunspan ... »Finette«, rief Bakel, als er ihrer ansichtig wurde, »ich habe den Dolch fallen lassen; heb ihn auf und sto? ihn dem Schuft zwischen die Rippen.« – »Einen Moment!« versetzte keuchend die Eule, »erst mu? ich zu mir kommen«, und sie umkreiste uns wie ein Ungluck kundender Vogel. Endlich erblickte sie den Dolch, aber als sie nach ihm greifen wollte, gelang es mir, ihr einen Tritt zu versetzen, da? sie sturzte; aber sie raffte sich flugs wieder auf ... da sah ich einige Bewaffnete die Treppe herunter sturzen, zuletzt Murph, der sich leichenbla? auf einen Neger stutzte. Nun wurde Bakel gepackt und gebunden, ebenso die Eule. Nun wu?te ich aber noch immer nicht, wo Herr Rudolf steckte. Ich nahm die Eule ins Gebet, aber sie wollte nichts sagen. Da packte ich sie am Armgelenk und fing an zu drehen. Sie hielt es aus, bis es zu knacken anfing. Da ging ihr doch die Courage aus, und sie sagte: »Bei Rotarm im Keller vom Blutigen Herzen steckt er.« – Unterwegs wollte ich den lahmen Jungen aus dem Rubenfelde mit heim nehmen, fand ihn aber nicht mehr, denn er hatte sich mit den Zahnen aus dem Sack herausgebissen. Als ich nun ins Blutige Herz kam, fand ich Rotarm nicht sogleich; und als er endlich sichtbar wurde, wollte ich ihn an der Kehle packen; aber er sagte: »Ich kann mir denken, da? du wegen des jungen Laffen kommst, mit dem sich Bakel einen schlechten Witz gemacht hat. La? mich los! Ich habe von Bakel nicht mehr als von dir. Geh in meinen Keller, da wirst du deinen jungen Laffen finden.« – Ich rannte hin, sprengte den Keller auf, das Wasser scho? mir entgegen. Da erblickte ich Ihre beiden Arme, fischte Sie noch glucklich heraus und trug Sie auf dem Rucken hierher.«

Rudolf richtete sich auf und reichte Schuri die Hand ... »Ich verdanke dir das Leben, Schuri«, sagte er, »und werde die Schuld, – darauf verla? dich, – gebuhrlich wett machen. Du hast Herz genug, um zu wissen, welches Gefuhl mich in diesem Augenblicke bewegt: kein anderes als schwere Sorge um einen guten und ehrlichen Freund, dem du gleich mir das Leben gerettet hast, aber auch einen schrecklichen Rachedurst wider den Mann, der uns beinahe umgebracht hatte ... David«, wandte er sich an den Negerarzt, »ein Wort!« und er sprach eine Weile leise mit ihm.

David schauderte... »Sie zogern?« fragte Rudolf; »und doch haben wir so oft miteinander daruber gesprochen! Jetzt ist die Zeit da, den Plan in Ausfuhrung zu bringen.« – »Von Zogern, gnadiger Herr, ist keine Rede. Ich stehe im Gegenteil ganz auf Ihrer Seite, was Ihre Anschauungen uber eine vollstandige Reform des Strafwesens anbetrifft. Aber die Strafe, die Sie verhangen wollen, ist, so einfach wie sie ist, doch zugleich schrecklich. Im vorliegenden Falle ist freilich ihre Anwendung gerechtfertigt. Der Rauber, uber den sie verhangt werden soll, hat Verbrechen gerade genug begangen, um ihn lebenslanglich ins Bagno zu bringen, drei

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