fortgegangen.« – »Gewi?, die beiden sind es«, sagte Tom. – »Waren sie allein hier?« fragte Sarah. – »Der Kohlentrager war nicht mit in der Stube. Der Mann, den Sie mir beschrieben haben, sa? hier mit einem Mann und einem Madel, die bei uns die Namen Schalldirne und Schurmann fuhren.« Dabei zeigte die Wirtin auf den letzteren, wahrend sie sich nach dem Madchen vergeblich umsah. Tom und Sarah sahen sich nach Schuri um.

»Kennen Sie den Mann?« fragte Sarah ihren Begleiter, als sie ihn ein paar Minuten lang aufmerksam gemustert hatten. – »Nein. Karl hatte Rudolfs Spur am Eingange zu diesem Gassenlabyrinth verloren; als er aber Murph um diese Spelunke in seiner Kohlentrager-Maske schleichen und in einemfort durch die Fenster lugen sah, merkte er, da? wir wieder die Fahrte gefunden hatten, und stattete sofort Bericht ab.«

Wahrend zwischen diesen beiden Personen in dieser Weise leise gesprochen wurde, gab es zwischen Bakel und der Eule eine andere Zwiesprach. »Der gro?e, magere Musje hat der Wirtin hundert Sous hingeworfen. Es ist bald Mitternacht. Drau?en regnets und sturmts. Wenn sie Weggehen, schleichen wir ihnen nach. Ich packe den Wicht von hinten und nehm ihm sein Geld ab. Er hat ein Weibsbild bei sich. Da wird er keinen Larm schlagen.« – »Und sollte sie welchen schlagen wollen«, fugte die Einaugige bei, »dann zieh ich mein Vitriolflaschchen aus der Tasche und zerschlag ihr auf ihrer Fratze.« Dann verzog sie ihr Gesicht in schreckliche Falten. »Du, Morderchen«, fuhr sie fort, »das aber versprichst du mir, horst du? Wenn uns der Balg noch einmal vor die Augen kommt, dann packen wir sie und schleifen sie mit.« Auch ihre Fratze will ich olen, damit sie sich nichts mehr drauf einbilden kann.« – »Du, Eule«, erwiderte Bakel, »soviel sage ich dir, du wirst noch meine Kalle vor Gott und dem Pfaffen, denn deine Ideen und deine Courage suchen ihresgleichen. Du arbeitest geschickter als alle Manner, die ich kenne.«

Da wandte Tom sich an Schuri. »Sagt mal, Freund, wir wollten uns hier mit einem guten Bekannten treffen. Mit Euch hat er hier zu Nacht gegessen. Ihr mu?t ihn doch also kennen. Sagt uns doch, wohin er sich von hier begeben hat.« – »Ich kenne den, nach dem Ihr fragt, blo? von den Prugeln her, die er mir vor etwa zwei Stunden verabfolgt hat, als ich einem Madel ein paar verabfolgen wollte.« – »Und vorher hattet Ihr ihn nicht gesehen?« – »Mit keinem Blicke. Wir trafen uns in dem Hausflur von Rotarms Bude.« – »Frau Wirtin«, rief Tom, »noch eine Flasche von Ihrem Besten!« Dann stand er auf und setzte sich mit Sarah neben Schuri, dem solche Aufmerksamkeit ebenso sehr schmeichelte wie verwunderte. »Ihr habt den Mann, sagt Ihr, vor Rotarms Hause getroffen?« fragte Tom den Schurimann weiter. – »Ja, doch«, versetzte dieser, sein Glas austrinkend. – »Rotarm? Rotarm?« sagte Tom, »ein wunderlicher Name!« – »Auch ein sonderbarer Kerl in unserer Gesellschaft. Einer, der Meiches bekaspert.« – »Das verstehe ich nicht«, sagte Tom argerlich; »was meint Ihr mit dem Kauderwelsch?« – »Wie es scheint, sind Sie des Jenischen nicht machtig?« erwiderte Schuri, »er schmuggelt, hei?ts, hintergeht Zoll und Steuer. Aber Ihr Freund versteht Jenisch wie ein Alter, trotzdem er sagt, da? er Fachermaler sei, also ein anstandiges Gewerbe treibt. Der Notarm, wie gesagt, ist ein Schmuggler. Ich verrate ihn nicht, man brauchts auch nicht, macht er doch selbst gar kein Hehl daraus. Und kriegen kann ihn doch kein Polizist und Gendarm.« – »Was mag Rudolf bei solchem Menschen zu suchen haben?« fragte Sarah. – »Ja, danach Hab ich das Madel fragen wollen,« erwiderte Schuri, »das bei uns die Schalldirne hei?t, weil sie sehr gut singt. Sie hatte sich in Rotarms Bude gefluchtet, und ich hatte sie verfolgt. Statt nun sie zu fassen, bin ich an den Herrn Rudolf geraten, der mir sakrisch mitspielte. Mohrenelement! Kann der Kerl zuhauen! Er hat mir ubrigens versprochen, mich in dieser Fertigkeit zu unterrichten.« – »Aber Rotarm«, fragte Tom wieder, »was ist das fur ein Mensch?« – »Rotarm? Hm, einer, der alles verkauft, was nicht verkauft werden soll, und alles macht, was nicht gemacht werden soll. Ich meine, was die Polizei zu verkaufen und zu machen verbietet. Es ist halt sein Geschaft – nicht wahr, Frau Ponisse? Wohl an zwei Dutzend Mal hat man bei ihm schon das ganze Haus durchsucht, aber gefunden noch keine Stecknadel!« – »Ja, der Rotarm ist ein gar gewiegter Wicht«, meinte die Wirtin; »wie es hei?t, soll unter seinem Hause ein Gang bis zu den Katakomben hinausfuhren.« – »Welche Nummer hat Rotarms Haus?« – »Es liegt in der Rue des Poix und hat die Nummer 13. Bekannt ists doch in der ganzen Pariser Altstadt.« – »Danke schon! Werde mir die Adresse aufschreiben. Finden wir Herrn Rudolf nicht, dann will ich mich bei Rotarm nach ihm erkundigen,« erwiderte Tom; und wahrend er das sagte, schlug es druben auf dem Rathause zwolf.

Bakel und Eule verlie?en die Kaschemme.

Siebentes Kapitel.

Das Geld oder das Leben!

Kaum waren Bakel und Eule in einem Hauseingange neben der Kaschemme verschwunden, als der Schurimann sich nach der Stra?enseite hin begab, wo ein Haus im Abbruch war. Bald verlor sich der Schall seiner infolge des vielen Schnaps- und Weingenusses recht schweren Tritte im Geheul des Sturmes und in dem klatschenden Regen. Tom und Sarah kehrten sich nicht an das grause Unwetter, sondern verlie?en die Kaschemme, um in einer dem Wege, den Schuri eingeschlagen, entgegengesetzten Richtung sich zu entfernen ...

»Die beiden sind verloren«, flusterte Bakel seiner Gefahrtin zu, »halte dein Vitriol bereit. Achtung!« – »La? uns die Schuhe von den Fu?en ziehen!« riet die Eule. – »Hast recht, Weib, wie immer. Da horen sie uns erst im letzten Moment oder uberhaupt nicht.« –

Zufolge dieser List wurde das Gerausch ihrer Schritte so matt, da? sie dicht hinter Tom und Sarah einhergehen konnten, ohne gehort zu werden.

Mit einem Male blieb Tom stehen.. »Ich habe mich in der Stra?e geirrt«, sagte er, »wir hatten links vom Gasthause gehen mussen, an einem im Abbruch befindlichen Hause vorbei. Dort halt unsere Droschke. Jetzt bleibt uns weiter nichts ubrig, als umzukehren.« Bakel und Eule schlupften, um nicht gesehen zu werden, hinter eine Hausecke.

Tom und Sarah gingen bis zur Kaschemme zuruck und auf der entgegengesetzten Seite weiter, bis sie vor das im Abbruch befindliche Haus gelangten, dessen Keller eine Art Abgrund bildeten, an welchem sich der Weg entlangzog.

Mit der Schnelligkeit und Gewandtheit eines Tigers sprang nun Bakel auf Tom zu, packte ihn an der Gurgel und rief ihm zu: »Dein Geld her, oder ich schmei?e dich ins Kellerloch hinunter!« Ehe Tom eine Hand ruhren konnte, plunderte die Eule mit der gro?ten Fingerfertigkeit Sarahs Taschen aus. Sarah schrie nicht, wehrte sich nicht, sondern sagte mit aller Ruhe: »Geben Sie ihm die Borse, Tom!« Und zu dem Rauber gewandt, sagte sie: »Wir machen keinen Larm. Tut uns also nichts zu leide!« Toms Kaltblutigkeit verleugnete sich keinen Augenblick wahrend dieses unvermuteten Ereignisses ... »Ich will einen Handel mit Euch schlie?en,« sagte er zu Bakel, »die Papiere in meinem Taschenbuche konnen Euch nichts nutzen; bringt sie mir morgen wieder, und Ihr sollt 25 Louisdor bar bekommen.« »Nicht wahr? So dumm! Damit du uns den Spitzeln uberantwortest!« Da mischte sich die Eule ein ... »Halt, einen Augenblick. Wir konnen dem Manne die Tasche vielleicht zuruckgeben ... Wi?t Ihr,« wendete sie sich an Tom, »wo Saint-Denis liegt?« »Ja.« »Nun, gegenuber von Saint-Ouen, da wo der chemin de la revolte aufhort, wird die Ebene ganz flach, da? man weithin uber die Felder sehen kann. Kommen Sie morgen fruh allein dort hin mit dem Gelde. Ich werde mit der Brieftasche da sein. Wir tauschen beides gegeneinander aus.«

»Nichts da, Eule. Der Mann la?t dich abfassen.« »Aber sei doch nicht dumm, Bakel; man kann dort doch weithin uber alle Felder sehen. Wenn ich auch blo? ein Auge noch habe, so macht das nichts... Ich sehe noch immer fur zwei. Kommt der Mann nicht allein, dann kriegt er mich eben nicht zu sehen.« Sarah schien auf einen Gedanken Zu kommen. »Habt Ihr«, wandte sie sich an Bakel, »den Mann in dem Gasthause gesehen, der vom Kohlentrager herausgerufen wurde?« »Ein schlanker Mensch mit Schnurrbart? O ja, wollt' ihn doch gerade blauen, bekam aber von ihm ein paar Fausthiebe, da? ich hintenuber kippte. So etwas ist mir im ganzen Leben noch nicht passiert! Aber heimzahlen werd ichs ihm. Wer mir tausend Franks gibt, dem versprech ich, ihn um die Ecke zu bringen.«

»Sarah!« rief Tom, au?er sich vor Entsetzen. »Mensch,« sagte Sarah Zu Bakel, »davon ist ja gar keine Rede.« »Und wovon denn?« fragte Bakel. »Sei morgen auf der Ebene von Saint-Denis, dort, wo deine Gefahrtin sein will. Dort wirst du meinen Begleiter treffen. Er wird allein dasein und wird dir sagen, was du tun sollst, um tausend Franks zu verdienen. Nein,« setzte sie hinzu, »nicht tausend, sondern zweitausend, sobald es dir gelingt, die Aufgabe, die mein Begleiter dir stellen wird, zur Zufriedenheit zu losen.«

»Morderchen«, sagte die Eule leise zu Bakel, »hier ist Geld zu verdienen. Es sind Leute, die Moos haben,

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