auf den Punkt genau. »Tja«, sagte ich, »irgendjemand wei? es jedenfalls. Der Schwarm ist entworfen worden. Entweder sind Bakterien eingearbeitet worden oder nicht.«

Ich horte sie seufzen, als wurde ich es einfach nicht verstehen.

Aber was verstand ich nicht?

Ich sagte: »Hast du die Partikel eingesammelt, die in der Luftschleuse weggeblasen wurden? Hast du das Zeug noch?«

»Nein. Alle Partikel aus der Schleuse wurden verbrannt.«

»So was Blodes ...«

»Das ist eine eingebaute Funktion, Jack. Eine Sicherheitsma?nahme. Wir konnen sie nicht ausschalten.«

»Verstehe.« Jetzt war ich es, der seufzte. Wir hatten also keine Partikelproben, die wir untersuchen konnten. Ich wollte mich aufsetzen, aber Mae legte mir sanft eine Hand auf die Brust und hielt mich zuruck.

»Langsam, Jack.«

Sie hatte Recht, denn dadurch verschlimmerten sich meine Kopfschmerzen erheblich. Ich schwang die Beine uber den Rand der Arbeitsplatte. »Wie lange war ich weggetreten?«

»Zwolf Minuten.«

»Ich fuhle mich, als hatte mich jemand zusammengeschlagen.« Meine Rippen schmerzten bei jedem Atemzug.

»Du hattest starke Atemprobleme.«

»Hab ich immer noch.« Ich griff nach einem Kleenex und putzte mir die Nase. Jede Menge schwarzes Zeug kam heraus, vermischt mit Blut und Sand aus der Wuste. Ich musste mir vier- oder funfmal die Nase putzen, bis sie frei war. Ich zerknullte das Taschentuch und wollte es wegwerfen. Mae streckte ihre Hand aus. »Gib mir das.«

»Nein, schon gut .«

»Gib es mir, Jack.«

Sie nahm das Kleenex und steckte es in einen kleinen Plastikbeutel, den sie dicht verschloss. Erst da wurde mir klar, wie trage mein Verstand arbeitete. Naturlich, in dem Taschentuch befanden sich genau die Partikel, die ich untersuchen wollte. Ich schloss die Augen, atmete tief ein und wartete, bis das Pochen in meinem Kopf ein wenig nachlie?. Als ich die Augen wieder aufschlug, war der Raum nicht mehr so grell. Er wirkte fast normal.

»Ach ubrigens«, sagte Mae, »Julia hat angerufen. Sie hat gesagt, du kannst sie nicht zuruckrufen, sie hat irgendwelche Untersuchungen. Aber sie wollte mit dir sprechen.«

»Alles klar.«

Ich sah, wie Mae den Beutel mit dem Taschentuch nahm und in ein Spezialglas tat. Sie schraubte den Deckel fest zu. »Mae«, sagte ich, »falls in dem Schwarm E. coli sind, konnen wir das doch rausfinden, indem wir die Probe jetzt testen. Sollen wir das nicht gleich machen?«

»Ich hab im Moment keine Zeit. Ich mach das, sobald ich kann. Ich habe gerade ein kleines Problem mit einer von den Fermentationseinheiten, und ich brauche dafur die Mikroskope.«

»Was fur ein Problem?«

»Ich wei? es noch nicht genau. Aber einer von den Tanks wirft weniger ab.« Sie schuttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nichts Ernstes. So was passiert standig. Dieses ganze Produktionsverfahren ist unglaublich anfallig, Jack. Das am Laufen zu halten ist wie mit hundert Ballen auf einmal zu jonglieren. Ich habe alle Hande voll zu tun.«

Ich nickte. Aber mich beschlich das Gefuhl, dass sie das Taschentuch nur deshalb nicht untersuchen wollte, weil sie bereits wusste, dass der Schwarm Bakterien enthielt. Sie fand blo?, dass es nicht ihre Aufgabe war, mir das zu sagen. Und wenn das der Fall war, dann wurde sie es mir nie erzahlen.

»Mae«, sagte ich. »Irgendjemand muss mir sagen, was hier los ist. Nicht Ricky. Ich mochte, dass mir irgendjemand reinen Wein einschenkt.«

»Gut«, sagte sie. »Ich finde, das ist eine sehr gute Idee.«

So kam es, dass ich kurz darauf in einem der kleinen Raume vor einem Computer sa?. Neben mir der Projektingenieur David Brooks. Wahrend David sprach, nestelte er standig an seiner Kleidung herum - er richtete seine Krawatte, streckte die Arme, damit die Manschetten herauskamen, zog die Hosenbeine hoch, um die Falten an den Oberschenkeln zu glatten. Dann legte er einen Fu?knochel aufs Knie, zog die Socke hoch, wechselte das Bein. Fuhr sich mit den Handen uber die Schultern, wischte imaginaren Staub weg. Und dann fing er wieder von vorn an. Er machte das Ganze naturlich unbewusst, und bei meinen Kopfschmerzen hatte es mich normalerweise genervt. Aber ich konzentrierte mich auf anderes. Denn mit jeder neuen Information, die David mir gab, wurden meine Schmerzen schlimmer.

Anders als Ricky hatte David eine ausgesprochen klar strukturierte Art zu denken, und er erzahlte mir alles, von Anfang an. Xymos hatte einen Vertrag zur Herstellung eines Mikroro-boterschwarms abgeschlossen, der als Luftkamera dienen sollte. Die Partikel wurden erfolgreich produziert und funktionierten innerhalb geschlossener Raume anstandslos. Doch bei den Tests im Freien erwiesen sie sich bei Wind als weniger beweglich. Bei starkem Wind wurde der Testschwarm weggeweht. Das war sechs Wochen her.

»Habt ihr danach weitere Schwarme getestet?«, fragte ich.

»Ja, viele. Im Verlauf der nachsten vier Wochen oder so.«

»Und keiner hat funktioniert?«

»Genau. Kein einziger.«

»Die ursprunglichen Schwarme sind also alle weg - vom Winde verweht?«

»Ja.«

»Das hei?t, die unkontrollierten Schwarme, mit denen ich heute das Vergnugen hatte, haben nichts mit euren ursprunglichen Testschwarmen zu tun?«

»Genau ...«

»Sie sind die Folge von Kontamination ...«

David blinzelte rasch. »Was meinst du mit Kontamination?«

»Die funfundzwanzig Kilo Material, die der Abluftventilator in die Umwelt geblasen hat, weil ein Filter fehlte .«

»Wer hat denn was von funfundzwanzig Kilo gesagt?«

»Ricky.«

»Oh, nein, Jack, wir haben tagelang Material abgelassen. Bestimmt funf-, sechshundert Kilo - Bakterien, Molekule, Assembler.«

Ricky hatte die Situation also schon wieder verharmlost. Aber mir war schleierhaft, warum er deswegen log. Es war schlie?lich nur ein Versehen. Und wie Ricky gesagt hatte, war es die Schuld der Wartungsfirma. »Okay«, sagte ich. »Und wann habt ihr den ersten von diesen Wustenschwarmen gesehen?«

»Vor zwei Wochen«, erwiderte David, nickte und strich seine Krawatte glatt.

Er erzahlte, der erste Schwarm sei so unorganisiert gewesen, dass sie ihn fur eine Wolke Wusteninsekten, Stechmucken oder dergleichen, gehalten hatten. »Er hat sich eine Weile am Laborgebaude rumgetrieben und ist dann wieder verschwunden. Wir haben dem keine gro?e Bedeutung beigemessen.«

Zwei Tage spater war wieder ein Schwarm da, so erzahlte er, und der war schon um einiges besser organisiert. »Er zeigte eindeutiges Schwarmverhalten, dieses Gewirbel in einer Wolke, das du gesehen hast. Es war also ganz klar, dass das unser Zeug war.«

»Und was ist dann passiert?«

»Der Schwarm ist in der Wuste herumgesurrt, nicht weit von der Fertigungshalle, so wie heute. Er kam und ging. In den Tagen darauf haben wir immer wieder versucht, ihn per Funk unter Kontrolle zu bringen, aber es hat nicht geklappt. Und schlie?lich - etwa eine Woche danach - haben wir gemerkt, dass keins von den Autos mehr ansprang.« Er hielt inne. »Ich bin raus, um nachzusehen, und ich hab festgestellt, dass die Bordcomputer tot waren. Heutzutage haben ja alle Autos eingebaute Mikroprozessoren. Die steuern praktisch alles, von der Benzineinspritzung bis hin zum Radio und zur Zentralverriegelung.«

»Und die Computer funktionierten auf einmal nicht mehr?«

»Genau. Die Prozessorchips selbst waren in Ordnung. Aber die Speicherchips waren korrodiert. Sie waren regelrecht zu Staub geworden.«

Ich dachte, Ach du Schei?e. Ich sagte: »Hast du herausgefunden, warum?«

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