»Und deshalb leuchte ich jetzt im Dunkeln«, sagte Charley lachend. Er kam herein und setzte sich.

Alle begru?ten ihn uberschwanglich. Es war auf jeden Fall besser, noch jemanden am Tisch zu haben. Ich fragte ihn, wie er sich fuhle.

»Ganz gut. Ein bisschen schwach. Und ich hab hollische Kopfschmerzen.«

»Ich wei?. Ich auch.«

»Und ich auch«, sagte Mae.

»Schlimmer als die Kopfschmerzen, die ich Ricky verdanke«, sagte Charley und blickte auf den Tisch. »Und auch anhaltender.«

Ricky sagte nichts. Er a? einfach weiter.

»Glaubt ihr, diese Dinger dringen einem ins Hirn?«, sagte Charley. »Ich meine, es sind schlie?lich Nanopartikel. Man atmet sie ein, sie passieren die Blut-Hirn-Schranke . und schwups sind sie im Gehirn.«

Bobby schob Charley einen Teller Pasta hin. Er machte sofort ausgiebigen Gebrauch von der Pfeffermuhle.

»Willst du nicht erst probieren?«

»Nichts gegen deine Kochkunste. Aber ich bin sicher, es fehlt Pfeffer.« Er fing an zu essen.

»Ich meine«, fuhr er fort, »das ist doch die gro?e Sorge, dass die Nanotechnologie die Umwelt verschmutzt, oder nicht? Nanopartikel sind so klein, dass sie Stellen erreichen konnen, an die bisher keiner einen Gedanken verschwenden musste. Sie konnen in die Synapsen zwischen den Neuronen. Sie konnen ins Zytoplasma von Herzzellen. Sie konnen in Zellkerne. Sie sind so klein, dass sie jede Stelle im Korper erreichen. Vielleicht sind wir ja jetzt infiziert, Jack.«

»Allzu gro?e Sorgen scheinst du dir deshalb ja nicht zu machen«, sagte Ricky.

»He, was kann ich denn jetzt noch daran andern? Ich kann nur hoffen, dass ich dich anstecke. He, die Spagetti sind gar nicht schlecht.«

»Ravioli«, sagte Bobby.

»Egal. Mussen nur ein bisschen nachgewurzt werden.« Er griff wieder nach der Pfeffermuhle.

»Sonnenuntergang ist um neunzehn Uhr siebenundzwanzig«, las Bobby vom Monitor ab. Er a? weiter. »Und sie mussen nicht nachgewurzt werden.«

»Aber ja doch.«

»Ich hab schon Pfeffer reingetan.«

»Zu wenig.«

Ich sagte: »Leute? Fehlt einer von uns?«

»Nein, wieso?«

Ich deutete auf den Monitor. »Wer steht dann da drau?en in der Wuste?«

6. Tag, 19.12 Uhr

Ach, du Schei?e«, sagte Bobby. Er sprang vorn Tisch auf und lief aus der Kuche. Alle folgten ihm. Ich auch.

Ricky sprach im Laufschritt in sein Funkgerat: »Vince, alles dicht machen. Vince?«

»Es ist alles dicht«, sagte Vince. »Druck bei funf plus.«

»Wieso ist der Alarm nicht losgegangen?«

»Keine Ahnung. Vielleicht haben sie ja schon gelernt, ihn auszutricksen.«

Ich folgte den anderen in den Technik-Raum, wo gro?e Flussigkristallbildschirme an den Wanden die Bilder der Au?enkameras zeigten. Die Wuste aus allen Perspektiven.

Die Sonne war schon am Horizont verschwunden, aber der Himmel war noch leuchtend orange, wurde lila und dann dunkelblau. Vor diesem Himmel hob sich die Silhouette eines jungen Mannes mit kurzen Haaren ab. Er trug eine Jeans und ein wei?es T-Shirt und sah aus wie ein Surfer. Ich konnte sein Gesicht in dem schwacher werdenden Licht nicht deutlich sehen, doch die Art, wie er sich bewegte, hatte fur mich irgendwas Vertrautes.

»Haben wir drau?en keine Scheinwerfer?«, fragte Charley. Er ging auf und ab, seinen Teller Pasta in der Hand, und a? noch immer.

»Licht geht an«, sagte Bobby, und gleich darauf stand der junge Mann in grellem Licht. Jetzt konnte ich ihn deutlich sehen .

Und dann fiel es mir ein. Er sah genauso aus wie der junge Mann, der gestern Abend nach dem Essen in Julias Wagen gesessen hatte, als sie wegfuhr, kurz vor ihrem Unfall. Derselbe blonde Surfertyp, der, jetzt da ich ihn wieder sah, Ahnlichkeit mit .

»Ach du Schande, Ricky«, sagte Bobby. »Der sieht aus wie du.«

»Du hast Recht«, sagte Mae. »Es ist Ricky. Sogar sein T-Shirt.«

Ricky zog sich gerade eine Limo am Automaten. Er drehte sich zum Monitor um. »Was redet ihr denn da?«

»Er sieht aus wie du«, sagte Mae. »Er hat sogar dein >Ich bin Root<-T-Shirt an.«

Ricky blickte auf sein T-Shirt, dann wieder auf den Bildschirm. Einen Moment lang sagte er kein Wort. »Das gibt's doch gar nicht.«

Ich sagte: »Du warst kein einziges Mal drau?en, Ricky. Wieso bist du das da?«

»Keinen Schimmer«, sagte Ricky. Er zuckte lassig die Achseln. Zu lassig?

Mae sagte: »Ich kann das Gesicht nicht richtig erkennen. Ich meine, die Gesichtszuge.«

Charley trat naher an den gro?ten Monitor und betrachtete das Bild mit zusammengekniffenen Augen. »Die Gesichtszuge sind deshalb nicht zu sehen«, sagte er, »weil es keine gibt.«

»Ach, hor doch auf.«

»Charley, das ist ein Auflosungsfehler, mehr nicht.«

»Nein«, sagte Charley. »Da sind keine Gesichtszuge. Zoom es doch ran und guck selbst.«

Bobby zoomte. Das Bild des blonden Kopfes wurde gro?er. Die Gestalt bewegte sich hin und her, verschwand aus dem Bild und kam wieder herein, aber es war gleich klar, dass Charley Recht hatte. Es gab keine Gesichtszuge. Unter dem blonden Haaransatz war eine ovale Flache blasse Haut; Nase und Augenbrauen waren angedeutet, und dort, wo die Lippen hingehorten, war eine Art Wolbung. Aber richtige Gesichtszuge waren das nicht.

Es sah aus wie das unvollendete Werk eines Bildhauers. Es war ein unvollendetes Gesicht.

Doch die Augenbrauen bewegten sich von Zeit zu Zeit. Eine Art Wackeln oder Flattern. Aber vielleicht war das ja ein Bildfehler.

»Euch ist doch wohl klar, was wir da sehen, nicht?«, sagte Charley. Er klang besorgt. »Schwenk nach unten. Wir wollen uns den Rest angucken.« Bobby schwenkte nach unten, und wir sahen wei?e Sportschuhe, die sich uber den Wustensand bewegten. Blo?, die Schuhe schienen den Boden nicht zu beruhren, sondern daruber hinwegzuschweben. Und sie waren irgendwie verschwommen. Man konnte die Schnursenkel erahnen und auch einen Streifen, wo normalerweise das NikeLogo war. Aber es sah aus wie eine Skizze, nicht wie ein richtiger Sportschuh.

»Das ist seltsam«, sagte Mae.

»Uberhaupt nicht seltsam«, sagte Charley. »Das ist eine berechnete Annaherung an Dichte. Der Schwarm hat nicht genug Agenten, um Schuhe mit hoher Auflosung darzustellen. Er nahert sich also nur an.«

»Oder aber«, sagte ich, »er versucht, aus den Materialien, die er hat, das Beste zu machen. Er muss all die Farben erzeugen, indem er seine fotovoltaische Oberflache ganz leicht neigt, um das Licht aufzufangen. Wie bei diesen gro?en Kartons, die die Fans im Footballstadion hochhalten, um ein Bild darzustellen.«

»Was bedeuten wurde«, sagte Charley, »dass sein Verhalten ziemlich hoch entwickelt ist.«

»Hoher als alles, was wir vorher gesehen haben«, bestatigte ich.

»Ach, jetzt hort aber auf«, sagte Ricky gereizt. »Ihr tut ja so, als ware der Schwarm da Einstein.«

»Ganz sicher nicht«, sagte Charley, »wenn er dich imitiert, kann er kein Einstein sein.«

»Halt die Luft an, Charley.«

»Wurde ich ja, Ricky, aber du bist so ein gro?es Arschloch, dass es mich immer wieder juckt.«

Bobby sagte: »Jetzt haltet aber ihr beiden mal die Luft an.«

Mae sah mich an und sagte: »Warum macht der Schwarm das? Imitiert er die Beute?«

»Im Grunde, ja.«

»Schreckliche Vorstellung, dass wir Beute sein sollen«, sagte Ricky.

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