Ricky: »Was ist denn blo? los mit ihm? Er kennt doch die Gefahr.«

Bobby: »Ich wei?.«

»Er bleibt einfach da sitzen.«

Charley hatte seine Hande um meine Taille gelegt. Sein Kopf lag an meiner Schulter. Ich konnte seinen rasselnden Atem horen. Ich sagte: »Gut festhalten, Charley.« Er nickte.

Ricky: »Jack? Was machst du denn?«

Dann sagte Charley an meinem Ohr mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flustern war: »Damlicher Idiot.«

»Ja.« Ich nickte. Ich wartete. Ich konnte jetzt sehen, wie sie um das Gebaude herumkamen. Diesmal waren es neun Schwarme. Und sie steuerten in einer V-Formation direkt auf mich zu. Ihr eigenes Schwarmverhalten.

Neun Schwarme, dachte ich. Bald wurden es drei?ig Schwarme sein, und dann zweihundert .

Bobby: »Jack, siehst du sie?«

»Ich sehe sie.« Naturlich sah ich sie.

Und naturlich waren sie anders als vorher. Sie waren jetzt dichter, die Saulen dicker und fester. Diese Schwarme wogen keine drei Pfund mehr. Ich schatzte sie eher auf zehn oder zwanzig Pfund. Vielleicht noch mehr. Vielleicht drei?ig Pfund. Jetzt hatten sie richtig Gewicht und richtig Masse.

Ich wartete. Ich blieb, wo ich war. Irgendein separater Teil meines Gehirns fragte sich, was die Formation machen wurde, wenn sie bei mir war. Wurden die Schwarme mich umkreisen? Wurden ein paar von ihnen zuruckbleiben und warten? Irritierte sie das laute Motorrad?

Nicht im Geringsten - sie kamen direkt auf mich zu, machten aus dem V eine Linie, formierten sich dann zu einer Art umgedrehtem V. Ich horte das tiefe, vibrierende Summen. Bei so vielen Schwarmen war es wesentlich lauter.

Die wirbelnden Saulen waren zwanzig Meter von mir entfernt. Dann zehn. Konnten sie sich jetzt schneller fortbewegen, oder bildete ich mir das blo? ein? Ich wartete, bis sie fast bei mir waren, dann gab ich Gas und raste los. Ich fuhr schnurstracks durch den Anfuhrerschwarm in das Schwarze hinein und wieder hinaus, und dann brauste ich auf die Tur der Energiestation zu jagte holpernd uber die Wuste, wagte nicht, nach hinten zu blicken. Es war eine wilde Fahrt, und sie dauerte nur wenige Sekunden. Als wir an der Station waren, lie? ich die Maschine fallen, schob meine Schulter unter Charleys Arm und wankte die letzten zwei, drei Schritte zur Tur.

Die Schwarme waren noch gut funfzig Meter von der Tur entfernt, als ich den Turknauf drehte, einen Fu? in den Spalt schob und sie dann ganz aufdruckte. Dabei verlor ich das Gleichgewicht, und Charley und ich fielen mehr oder weniger durch die Tur auf den Beton. Die Tur schwang zuruck und knallte gegen unsere Beine, die noch nach drau?en ragten. Ich spurte einen heftigen Schmerz an den Knocheln - doch schlimmer war, dass sie noch immer einen Spalt offen war, durch unsere Beine blockiert. Durch die Offnung konnte ich die Schwarme naher kommen sehen.

Ich rappelte mich hoch und schleifte Charleys reglosen Korper in den Raum. Die Tur schloss sich, aber ich wusste, dass es die Brandschutztur war, und die war nicht luftdicht. Kein Hindernis fur Nanopartikel. Ich musste uns beide in die Luftschleuse schaffen. Wir wurden erst dann in Sicherheit sein, wenn sich die ersten Glasturen hinter uns schlossen.

Achzend und schwitzend schleppte ich Charley in die Luftschleuse. Ich hievte ihn in eine sitzende Position, gegen das Seitengeblase gelehnt. So kamen seine Fu?e den Glasturen nicht in die Quere. Und weil immer nur eine Person in der Schleuse sein durfte, trat ich wieder zuruck. Und ich wartete darauf, dass sich die Turen schlossen.

Aber nichts passierte.

Ich suchte an der Seitenwand nach irgendeinem Knopf, aber ich konnte nichts entdecken. Die Lichter in der Luftschleuse waren an, Strom war also da. Aber die Turen gingen nicht zu.

Und ich wusste, die Schwarme naherten sich rasch.

Bobby Lembeck und Mae kamen in den Raum auf der anderen Seite gelaufen. Ich sah sie durch das zweite Paar Glasturen. Sie schwenkten die Arme, gestikulierten hektisch, wollten mir offenbar zu verstehen geben, dass ich wieder in die Schleuse gehen sollte. Aber das leuchtete mir nicht ein. In mein Headset sagte ich: »Ich dachte, es darf immer nur einer rein.«

Sie hatten kein Headset und konnten mich nicht horen. Sie winkten wie verruckt, geh rein, geh rein.

Ich hielt fragend zwei Finger hoch.

Sie schuttelten den Kopf. Offenbar wollten sie sagen, dass ich nicht richtig verstand.

Zu meinen Fu?en sah ich bereits die ersten Nanopartikel hereinkommen, wie ein schwarzer Strom. Sie drangen durch die Ritzen um die Brandschutztur herum. Mir blieben nur noch funf bis zehn Sekunden.

Ich trat wieder in die Schleuse. Bobby und Mae nickten zustimmend. Aber die Turen schlossen sich nicht. Jetzt machten sie andere Gesten, wie jemand, der etwas anhebt.

»Ich soll Charley hochheben?«

Ja. Ich schuttelte den Kopf. Charley sa? zusammengesackt da, ein schlaffes Gewicht auf dem Boden. Ich schaute nach hinten in den Vorraum und sah, dass er sich mit schwarzen Partikeln fullte, die allmahlich einen graulichen Nebel in der Luft bildeten. Dieser Nebel drang schon in die Luftschleuse. Ich spurte die ersten Nadelstiche auf der Haut.

Ich sah Bobby und Mae an, auf der anderen Seite des Glases. Sie sahen, was passierte; sie wussten, es ging um Sekunden. Wieder gestikulierten sie: Heb Charley hoch. Ich beugte mich uber ihn, schob ihm meine Hande unter die Achseln. Ich versuchte, ihn auf die Beine zu ziehen, aber er ruhrte sich keinen Millimeter.

»Charley, verdammt noch mal, hilf mit.« Achzend machte ich einen neuen Anlauf. Charley trat mit den Beinen und stie? mit den Armen, und es gelang mir, ihn einen halben Meter vom Boden hochzuhieven. Dann rutschte er wieder nach unten. »Charley, los, noch einmal ...« Ich zog mit aller Kraft, und diesmal half er wesentlich mehr mit, und wir schafften es, seine Beine unter ihn zu bugsieren, und mit einem letzten Ruck stand er. Ich behielt meine Hande unter seinen Achseln; wir standen da wie ein Liebespaar in einer verruckten Umarmung. Charley keuchte. Ich blickte nach hinten auf die Glasturen.

Die Turen ruhrten sich nicht.

Die Luft wurde immer dunkler. Ich sah Mae und Bobby an, und sie waren vollkommen hektisch, hielten zwei Finger hoch, schuttelten sie, zeigten auf mich. Ich kapierte nicht. »Ja, wir sind zu zweit ...« Was war nur mit den verdammten Turen los? Schlie?lich beugte Mae sich vor und zeigte ganz deutlich mit einem Finger jeder Hand auf ihre beiden Schuhe. Ich sah ihren Mund: »Zwei Schuhe.« Und sie deutete auf Charley.

»Ja, klar, wir haben zwei Schuhe. Er steht auf zwei Schuhen.«

Mae schuttelte den Kopf.

Sie hielt vier Finger hoch.

»Vier Schuhe?«

Die Nadelstiche irritierten mich, erschwerten das Denken. Ich spurte, wie die alte Verworrenheit mich wieder erfasste. Mein Verstand arbeitete schwerfallig. Was meinte sie, vier Schuhe?

Langsam wurde es dunkel in der Schleuse. Ich konnte Mae und Bobby kaum noch sehen. Ihre Pantomime stellte jetzt etwas anderes dar, aber ich kapierte es nicht. Sie kamen mir weit weg vor, fern und unbedeutend. Ich hatte keine Energie mehr, und mir war alles egal.

Zwei Schuhe, vier Schuhe.

Und dann verstand ich. Ich drehte Charley den Rucken zu, lehnte mich gegen ihn und sagte: »Leg deine Arme um meinen Hals.« Er tat es, und ich packte seine Beine und hob seine Fu?e vom Boden.

Sofort gingen die Turen zischend zu.

Das war's, dachte ich.

Das Geblase pustete auf uns ein. Die Luft wurde rasch klar.

Mit letzter Kraft hielt ich Charley hoch, bis ich sah, dass das zweite Paar Turen sich entriegelte und aufglitt. Mae und Bobby kamen in die Schleuse geeilt.

Und ich fiel einfach hin. Charley landete auf mir. Ich glaube, es war Bobby, der ihn von mir runterzog. Von da an wei? ich kaum noch was.

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