»Schei?viecher.«

Und dann folgte ein seltsames Gerausch, das ich zuerst nicht einordnen konnte. Ich blickte Mae an, die sich das Headset ans Ohr druckte. Es war ein seltsames, rhythmisches Schnarren. Mae sah mich fragend an.

»Charley?«

»Ich - spruh die kleinen Schei?kerle ein. Mal sehen, was sie machen, wenn sie nass sind.«

Mae sagte: »Du verspruhst die Isotope?«

Er antwortete nicht. Doch gleich darauf tauchte er wieder am Fenster auf, die Spruhflasche in der Hand, und spruhte in alle Richtungen. Flussigkeit zog Querstreifen uber die Scheibe und rann dann nach unten. Im Wagen wurde es zusehends dunkler, denn immer mehr Partikel drangen ein. Bald konnten wir Charley nicht mehr erkennen. Seine Hand tauchte aus der Schwarze auf, druckte gegen die Scheibe, verschwand dann wieder. Er hustete ununterbrochen. Ein trockenes Husten.

»Charley«, sagte ich. »Raus aus dem Wagen, und dann lauf.«

»Ach, Schei?e. Bringt doch nichts.«

Bobby Lembeck sagte: »Wind bei zehn Knoten. Los, ver-such's.«

Zehn Knoten war nicht genug, aber besser als gar nichts.

»Charley? Horst du?«

Wir horten seine Stimme aus dem schwarzen Wageninneren. »Ja, gut . Ich suche - finde den - verdammten Turgriff nicht, kann ihn nicht ertasten ... Wo ist der Schei?turgriff in diesem ...« Er bekam einen Hustenanfall.

Uber das Headset horte ich Stimmen im Labor, alle sprachen schnell. Ricky sagte: »Er ist im Toyota. Wo ist im Toyota der Turgriff?«

Bobby Lembeck: »Keine Ahnung, ist nicht mein Wagen.«

»Wem gehort der Wagen? Vince?«

Vince: »Nein, nein. Dem Typen mit den schlechten Augen.«

»Dem Techniker. Dem Typ, der dauernd blinzelt.«

»David Brooks?«

»Ja, genau.«

Ricky sagte: »Leute? Wir glauben, es ist Davids Wagen.«

Ich sagte: »Das hilft uns auch nicht .«

Und dann brach ich ab, weil Mae hinter sich auf den Rucksitz des Wagens deutete. Aus dem Ritz zwischen den Polstern zischten Partikel in den Wagen wie schwarzer Rauch.

Ich sah genauer hin und entdeckte im Fond auf dem Boden eine Decke. Auch Mae sah sie und warf sich formlich nach hinten, hechtete zwischen die Sitze. Sie trat mir dabei gegen den Kopf, aber sie hatte die Decke und stopfte sie in den Spalt. Mein Headset fiel ab und blieb am Lenkrad hangen, als ich nach hinten klettern wollte, um Mae zu helfen. Es war eng im Wagen. Aus dem Kopfhorer horte ich eine blecherne Stimme.

»Komm schon«, sagte Mae. »Schnell.«

Ich war gro?er als sie. Im Fond war nicht viel Platz fur mich, deshalb lehnte ich mich mit dem Oberkorper uber den Fahrersitz, packte die Decke und half Mae, sie zwischen die Polster zu stopfen.

Ich bekam nur mit einem Ohr mit, dass sich die Beifahrertur des Toyota knallend offnete, und dann sah ich Charleys Fu? aus dem Dunkel auftauchen. Er wollte sein Gluck drau?en versuchen. Vielleicht sollten wir auch den Wagen verlassen, dachte ich, wahrend ich Mae mit der Decke half. Die Decke wurde nicht viel nutzen, das war blo? eine Verzogerungstaktik. Ich spurte bereits, wie die Partikel durch den Stoff drangen; der Wagen fullte sich unaufhaltsam. Es wurde dunkler und dunkler. Ich fuhlte Nadelstiche uberall auf der Haut.

»Mae, raus hier.«

Sie gab keine Antwort, sie stopfte nur die Decke weiter in den Spalt, immer fester. Wahrscheinlich wusste sie, dass wir drau?en keine Chance hatten. Die Schwarme wurden uns einholen, sich uns in den Weg stellen, uns zu Fall bringen. Und wenn wir erst am Boden lagen, wurden sie uns ersticken. Wie sie es bei den anderen getan hatten.

Die Luft wurde dicker. Ich musste husten. Im Halbdunkel horte ich weiter eine blecherne Stimme aus den Headsets. Ich konnte nicht sagen, woher sie kam. Auch Mae war das Headset heruntergefallen, und ich meinte, es auf dem Vordersitz gesehen zu haben, aber inzwischen war es so dunkel, dass ich nichts mehr erkannte. Mir brannten die Augen. Ich hustete standig. Auch Mae hustete. Ich wusste nicht, ob sie noch immer mit der Decke beschaftigt war. Sie war nur noch ein Schatten im Nebel.

Ich schloss fest die Augen gegen den stechenden Schmerz. Meine Kehle schnurte sich zu, und mein Husten war trocken. Wieder wurde mir schwindelig. Ich wusste, dass wir nicht langer als eine Minute uberleben konnten, vielleicht weniger. Ich sah wieder zu Mae, aber ich konnte sie nicht sehen. Ich horte sie husten. Ich wedelte mit der Hand, versuchte den Nebel zu lichten, damit ich Mae erkennen konnte. Es half nicht. Ich wedelte mit der Hand vor der Frontscheibe, und sie wurde fur einen Moment klarer.

Trotz meines anhaltenden Hustens sah ich das Labor in der Ferne. Die Sonne schien. Alles war normal. Es machte mich wutend, dass alles so normal und friedlich wirkte, wahrend wir uns zu Tode husteten. Ich konnte nicht sehen, was mit Charley war. Er war nirgendwo in der Wuste vor mir. Aber - ich wedelte wieder mit der Hand - ich konnte ohnehin nichts erkennen vor lauter .

Wehendem Sand.

Herrgott, wehender Sand.

Der Wind war wieder starker geworden.

»Mae.« Ich hustete. »Mae. Die Tur.«

Ich wusste nicht, ob sie mich horte. Sie hustete stark. Ich streckte die Hand nach der Fahrertur aus, tastete nach dem Griff. Ich war verwirrt und desorientiert. Ich hustete ohne Unterlass. Ich beruhrte hei?es Metall, riss daran.

Die Tur neben mir schwang auf. Gluhende Luft fegte herein, wirbelte den Nebel durcheinander. Der Wind war tatsachlich starker. »Mae.«

Sie wurde von Husten geschuttelt, konnte sich vielleicht schon nicht mehr bewegen. Ich hechtete zur Beifahrertur mir gegenuber. Mit den Rippen prallte ich auf den Schalthebel. Der Nebel war schon dunner, und ich sah den Turgriff, zog und druckte die Tur auf. Der Wind schlug sie wieder zu. Ich schob mich ein Stuck vor, druckte den Griff erneut runter, stie? die Tur auf und hielt sie mit der Hand offen.

Wind blies durch den Wagen.

Innerhalb weniger Sekunden war die schwarze Wolke verschwunden. Der Rucksitz war noch immer dunkel. Ich kroch zur Beifahrertur hinaus und offnete die hintere Tur. Mae streckte mir die Hand entgegen, und ich zog sie heraus. Wir husteten beide heftig. Maes Beine gaben nach. Ich zog ihren Arm uber meine Schulter und schleppte sie hinaus in die offene Wuste.

Selbst jetzt wei? ich nicht, wie ich es zuruck zum Laborgebaude geschafft habe. Die Schwarme waren verschwunden; der Wind blies kraftig. Mae war ein schlaffes Gewicht an meiner Schulter, ihr Korper kraftlos, die Fu?e schleiften uber den Sand. Ich hatte keine Energie. Immer wieder schuttelten mich Hustenanfalle, die mich zwangen, stehen zu bleiben. Ich konnte nicht richtig atmen. Ich war benommen, orientierungslos. Die grelle Sonne hatte einen Stich ins Grune, und Sterne tanzten vor meinen Augen. Mae hustete schwach; ihr Atem ging flach. Ich hatte das Gefuhl, dass sie nicht uberleben wurde. Ich stapfte weiter, setzte einen Fu? vor den anderen.

Irgendwie ragte plotzlich die Tur vor mir auf, und es gelang mir, sie zu offnen. Ich brachte Mae in den dunklen Vorraum. Auf der anderen Seite der glasernen Luftschleuse warteten Ricky und Bobby Lembeck. Sie feuerten uns an, aber ich konnte sie nicht horen. Mein Headset lag im Auto.

Die Schleusenturen offneten sich zischend, und ich bugsierte Mae hinein. Sie schaffte es zu stehen, obwohl sie vor Husten vornubergebeugt war. Ich trat zuruck. Der Wind begann, sie sauber zu pusten. Ich lehnte mich gegen die Wand, au?er Atem, schwindelig.

Ich dachte, hab ich das nicht schon mal erlebt?

Ich sah auf die Uhr. Es war gerade drei Stunden her, dass ich dem letzten Angriff knapp entronnen war. Ich beugte mich vor und stutzte die Hande auf die Knie. Ich starrte zu Boden und wartete, dass die Luftschleuse frei wurde. Ich blickte zu Ricky und Bobby. Sie brullten irgendwas, deuteten auf ihre Ohren. Ich schuttelte den Kopf.

Sahen sie denn nicht, dass ich kein Headset aufhatte?

Ich sagte: »Wo ist Charley?«

Sie antworteten, aber ich konnte sie nicht verstehen.

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