»Ja, Julia«, erwiderte ich, kaum mehr als ein Flustern. »Alles in Ordnung.«
»Was ist denn mit deiner Stimme?«, sagte sie, wich auf Armeslange zuruck und sah mich an. Sie musterte mein Gesicht. »Was hast du?«
»Wahrscheinlich hat er sich die Stimmbander veratzt«, sagte Mae. Auch sie war heiser. Ihr Gesicht war ru?geschwarzt. Sie hatte einen Riss in der Wange und einen weiteren an der Stirn.
Julia umarmte mich erneut, ihre Finger beruhrten mein Hemd. »Schatz, du bist verletzt ...«
»Blo? mein Hemd.«
»Jack, bist du wirklich nicht verletzt? Ich glaube, du bist verletzt .«
»Nein, mir fehlt nichts.« Ich trat verlegen von ihr zuruck.
»Ich kann dir gar nicht sagen«, sagte sie, »wie dankbar ich dir bin fur das, was du heute Nacht getan hast, Jack. Was ihr alle getan habt«, fugte sie hinzu und wandte sich an die anderen. »Du, Mae, und auch du, Bobby. Es tut mir nur Leid, dass ich nicht da war, um euch zu helfen. Ich wei?, das ist alles meine Schuld. Aber wir sind euch dankbar, die Firma ist euch dankbar.«
Ich dachte: Die Firma? Aber ich sagte blo?: »Schon gut, es musste ja gemacht werden.«
»Und ob, ja, allerdings. Rasch und grundlich. Und ihr habt es geschafft, Jack. Gott sei Dank.«
Ricky stand im Hintergrund, sein Kopf bewegte sich auf und ab, wie einer von diesen mechanischen Vogeln, die aus einem Wasserglas trinken. Auf und ab. Das alles kam mir unwirklich vor, als ware ich in einem Theaterstuck.
»Ich finde, darauf sollten wir zusammen einen trinken«, sagte Julia jetzt, wahrend wir den Korridor hinuntergingen. »Hier muss doch irgendwo noch eine Flasche Champagner sein. Ricky? Hab ich Recht? Ja? Ich mochte mit euch feiern.«
»Ich will blo? noch schlafen«, sagte ich.
»Ach, nun komm schon, blo? ein Glaschen.«
Das war typisch Julia, dachte ich. Ganz in ihrer Welt, ohne zu merken, wie anderen zu Mute war. Uns stand jetzt wirklich nicht der Sinn nach Champagner.
»Nein, aber vielen Dank«, sagte Mae und schuttelte den Kopf.
»Wirklich nicht? Das ware doch schon. Was ist mit dir, Bob-by?«
»Vielleicht morgen«, sagte Bobby.
»Na gut, schade, aber ihr seid ja schlie?lich die siegreichen Helden! Dann aber morgen.«
Mir fiel auf, wie schnell sie redete, wie rasch ihre Bewegungen waren. Ich musste daran denken, was Ellen uber Drogen gesagt hatte. Ich hatte wirklich den Eindruck, dass sie was genommen hatte. Aber ich war so mude, es war mir einfach egal.
»Ich hab Larry Handler schon informiert, den Oberboss«, sagte sie, »und er ist euch allen sehr dankbar.«
»Das freut mich«, sagte ich. »Verstandigt er die Armee?«
»Die Armee verstandigen? Weswegen?«
»Wegen der au?er Kontrolle geratenen Schwarme.«
»Aber, Jack, die Sache ist doch jetzt aus der Welt geschafft. Ihr habt sie aus der Welt geschafft.«
»Ganz sicher bin ich mir da nicht«, sagte ich. »Konnte sein, dass ein paar Schwarme entwischt sind. Oder vielleicht ist irgendwo da drau?en noch ein Nest. Ich denke, wir sollten sicherheitshalber die Armee einschalten.« Ich glaubte zwar eigentlich nicht, dass uns einer entkommen war, aber ich wollte jemanden von drau?en hier haben. Ich war mude. Andere sollten die Sache in die Hand nehmen.
»Die Armee?« Julias Blick huschte zu Ricky hinuber, dann wieder zu mir. »Jack, du hast vollig Recht«, sagte sie bestimmt. »Die Lage ist extrem ernst. Wenn auch nur die geringste Moglichkeit besteht, dass nicht alle Schwarme vernichtet worden sind, mussen wir umgehend die Armee einschalten.«
»Ich meine, noch heute Nacht.«
»Ja, vollig klar, Jack. Noch heute Nacht. Am besten mache ich das jetzt sofort.«
Ich warf einen Blick uber die Schulter auf Ricky. Er kam hinter uns her, nickte noch immer so mechanisch vor sich hin. Ich verstand das nicht. Wo war Rickys Panik geblieben? Seine Angst, die Sache mit den Schwarmen konnte publik werden? Jetzt schien ihm das gleichgultig zu sein.
Julia sagte: »Ihr drei legt euch aufs Ohr, und ich rufe meine Bekannten im Pentagon an.«
»Ich komme mit«, sagte ich.
»Das ist wirklich nicht notig.«
»Ich mochte aber«, sagte ich.
Sie warf mir einen Blick zu und lachelte. »Traust du mir nicht?«
»Wie kommst du denn darauf?«, erwiderte ich. »Aber es konnte doch sein, dass sie Fragen haben, die du nicht beantworten kannst.«
»Ja, richtig. Gute Idee. Ausgezeichnete Idee.«
Ich war sicher, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich kam mir immer mehr so vor, als ware ich in einem Theaterstuck, und jeder spielte seine Rolle. Nur wusste ich nicht, was das fur ein Stuck war. Ich blickte zu Mae hinuber. Sie hatte die Stirn leicht in Falten gelegt. Auch sie musste es gespurt haben.
Wir passierten die Luftschleusen und kamen in den Wohnbereich. Hier empfand ich die Luft als unangenehm kalt; mich frostelte. Wir gingen in die Kuche, und Julia griff nach dem Telefon.
»Rufen wir direkt an, Jack«, sagte sie.
Ich ging zum Kuhlschrank und nahm mir ein Gingerale. Mae trank einen Eistee. Bobby ein Bier. Wir waren alle durstig. Ich sah, dass im Kuhlschrank eine Flasche Champagner bereitstand. Ich beruhrte sie; sie war kalt. Ich sah auch sechs Glaser, die vorgekuhlt wurden. Julia hatte die Party bereits geplant.
Julia druckte die Mithortaste. Wir horten den Wahlton. Sie tippte eine Nummer ein. Aber der Anruf ging nicht durch. Die Leitung wurde einfach unterbrochen.
»Mhm«, sagte sie. »Ich versuch's noch mal ...«
Sie wahlte ein zweites Mal. Wieder ging der Anruf nicht durch.
»Komisch. Ricky, ich krieg keine Verbindung nach drau?en.«
»Versuch's noch mal«, sagte Ricky.
Ich trank von meinem Gingerale und beobachtete sie. Kein Zweifel, alles war nur Theater, das sie uns vorspielten. Julia wahlte brav ein drittes Mal. Ich fragte mich, was fur eine Nummer sie da anrief. Oder kannte sie die Nummer vom Pentagon auswendig?
»Mhm«, sagte sie. »Nichts.«
Ricky nahm das Telefon hoch, schaute sich die Unterseite an, stellte es wieder hin. »Musste in Ordnung sein«, sagte er und tat verwundert.
»Ach, Herrgott«, sagte ich. »Lasst mich raten. Irgendwas ist passiert, und wir konnen nicht nach drau?en telefonieren.«
»Nein, nein, es geht«, sagte Ricky.
»Ich habe vorhin noch telefoniert«, sagte Julia. »Kurz bevor ihr zuruckgekommen seid.«
Ricky stie? sich vom Tisch ab. »Ich uberpruf mal die Leitungen.«
»Ja genau, tu das«, sagte ich mit finsterem Blick.
Julia starrte mich an. »Jack«, sagte sie, »du machst mir Sorgen.«
»Ach nee.«
»Du bist wutend.«
»Ich werde verarscht.«
»Das wirst du nicht«, sagte sie und blickte mir in die Augen. »Ich schwore.«
Mae stand vom Tisch auf und sagte, dass sie unter die Dusche wolle. Bobby ging in den Freizeitraum, um ein Videospiel zu spielen, wie immer, wenn er Entspannung brauchte. Wenig spater horte ich das Knattern eines Maschinengewehrfeuers und die Schreie der todlich getroffenen bosen Buben. Julia und ich waren allein in der Kuche.
Sie beugte sich uber den Tisch zu mir. Sie sprach mit leiser, ernster Stimme. »Jack«, sagte sie, »ich glaube, ich schulde dir eine Erklarung.«
»Nein«, sagte ich. »Tust du nicht.«
»Ich meine, fur mein Verhalten. Meine Entscheidungen in den vergangenen Tagen.«
»Ist nicht wichtig.«