»Aber mir ist es wichtig.«

»Vielleicht spater, Julia.«

»Ich muss es dir jetzt sagen. Wei?t du, es ist so, ich wollte unbedingt die Firma retten, Jack. Das ist alles. Die Kamera hat nicht funktioniert, und wir haben es nicht hingekriegt, wir haben unseren Vertrag verloren, und die Firma ging den Bach runter. Ich hab noch nie eine Firma verloren. Ich hab noch nie erlebt, dass eine Firma, fur die ich arbeite, zusammenbricht, und Xymos sollte nicht die erste sein. Ich hing da mit drin, es stand was fur mich auf dem Spiel, und ich hatte wohl auch meinen Stolz. Ich wollte sie retten. Ich wei?, es war nicht sehr klug von mir. Ich war verzweifelt. Es war allein meine Verantwortung. Alle wollten mich bremsen. Ich hab sie gedrangt, weiterzumachen. Es war . mein personlicher Kampf.« Sie zuckte die Achseln. »Und es war alles fur die Katz. Die Firma geht in wenigen Tagen endgultig baden. Ich hab sie verloren.« Sie beugte sich noch naher zu mir. »Aber ich will dich nicht auch noch verlieren. Ich will meine Familie nicht verlieren. Ich will uns nicht verlieren.«

Sie senkte die Stimme, streckte die Hand uber den Tisch aus und legte sie auf meine. »Jack, ich hab einiges wieder gutzumachen, und das mochte ich auch. Ich mochte, dass es wieder lauft, auch mit uns.« Sie hielt inne. »Ich hoffe, du willst das auch.«

Ich sagte: »Ich wei? nicht genau, was ich will.«

»Du bist mude.«

»Ja. Aber ich bin mir nicht sicher, nicht mehr.«

»Du meinst, wegen uns?«

Ich sagte: »Dieses blode Gesprach geht mir auf die Nerven.« Und das stimmte. Ausgerechnet jetzt musste sie damit anfangen, ich war fix und fertig, ich hatte gerade erst die Holle durchgemacht und ware fast ums Leben gekommen, was im Grunde auf ihr Konto ging. Und es nervte mich, dass sie nur so eine banale Entschuldigung zu bieten hatte wie »Es war nicht sehr klug von mir«, obwohl ihr Zutun weitaus schlimmer gewesen war.

»Ach, Jack, lass uns wieder so werden, wie wir waren«, sagte sie, und plotzlich beugte sie sich ganz uber den Tisch und wollte mich auf den Mund kussen. Ich wich zuruck, drehte den Kopf zur Seite. Sie blickte mich mit flehenden Augen an. »Jack, bitte.«

»Das ist jetzt weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, Julia«, sagte ich.

Pause. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Schlie?lich: »Die Kinder vermissen dich.«

»Das glaub ich gern. Ich vermisse sie auch.«

Sie brach in Tranen aus. »Und mich vermissen sie nicht ...«, schluchzte sie. »Ich bin ihnen doch schon vollig egal ... ihre Mutter ... « Wieder ergriff sie meine Hand. Ich lie? es zu. Ich versuchte, mir uber meine Gefuhle klar zu werden. Ich war einfach mude, und mir war sehr unwohl zu Mute. Ich wollte, dass sie mit dem Weinen aufhorte.

»Julia .«

Die interne Sprechanlage klickte. Ich horte Rickys Stimme, verstarkt. »He, Leute? Wir haben ein Problem mit den Kommunikationsleitungen. Am besten, ihr kommt sofort her.«

Die Telekommunikationstechnik befand sich in einer gro?en Kammer, die von einer Ecke des Wartungsraumes abging. Gesichert war sie durch eine dicke Stahltur mit einem kleinen Hartglasfenster in der oberen Halfte. Das Fenster gab den Blick frei auf samtliche Kabel und Schalter fur die Telekommunikation im gesamten Betrieb. Ich sah, dass dicke Kabelbundel herausgerissen waren. Und ich sah in einer Ecke zusammengesackt Charley Davenport. Er war offensichtlich tot. Sein Mund stand offen, die Augen starrten ins Leere. Seine Haut war lilagrau. Ein schwarzer, summender Schwarm wirbelte um seinen Kopf herum.

»Ich kann mir absolut nicht erklaren, was passiert ist«, sagte Ricky. »Er schlief tief und fest, als ich nach ihm gesehen hab .«

»Wann war das?«, fragte ich.

»Etwa vor einer halben Stunde.«

»Und der Schwarm? Wie ist der da reingekommen?«

»Das kann ich mir absolut nicht erklaren«, sagte Ricky. »Er muss ihn mitgebracht haben, von drau?en.«

»Wie denn?«, sagte ich. »Er ist doch durch die Luftschleusen gegangen.«

»Ich wei?, aber .«

»Aber was, Ricky? Wie ist das moglich?«

»Vielleicht . ich wei? nicht, vielleicht hatte er ihn hinten im Hals oder so.«

»Im Hals?«, sagte ich. »Du meinst, die haben ihm einfach so zwischen den Mandeln gehangen? Die Biester toten, wei?t du.«

»Ja, ich wei?. Klar wei? ich das.« Er zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«

Ich starrte Ricky an, versuchte, aus seinem Verhalten schlau zu werden. Er hatte gerade festgestellt, dass ein todlicher Nanoschwarm in sein Labor eingedrungen war, und das schien ihn keineswegs zu beunruhigen. Er nahm es ganz gelassen hin.

Mae kam in den Raum geeilt. Sie erfasste die Situation mit einem Blick. »Hat sich jemand das Uberwachungsvideo angesehen?«

»Das geht nicht«, sagte Ricky. Er deutete auf die Kammer. »Alles lahm gelegt - da drin.«

»Dann wisst ihr also nicht, wie er da reingekommen ist?«

»Nein. Aber offenbar wollte er verhindern, dass wir nach drau?en anrufen. Zumindest sieht es ganz danach aus ...«

Mae sagte: »Wieso sollte Charley da reingehen?«

Ich schuttelte den Kopf. Ich hatte keine Ahnung.

Julia sagte: »Die Kammer ist luftdicht. Vielleicht wusste er, dass er befallen war, und wollte uns vor sich schutzen. Ich meine, er hat die Tur von innen abgeschlossen.«

Ich sagte: »Ach ja? Woher wei?t du das?«

Julia sagte: »Ah ... das hab ich angenommen ... ah ...« Sie spahte durch die Scheibe. »Und, ah, das Schloss spiegelt sich in dem Chromteil da . siehst du das da?«

Ich schaute gar nicht erst hin. Aber Mae tat es, und ich horte sie sagen: »Oh ja, Julia, du hast Recht. Gut beobachtet. Ware mir niemals aufgefallen.« Es klang vollig gekunstelt, aber Julia reagierte gar nicht.

Also spielten jetzt alle Theater. Alles war inszeniert. Und ich verstand nicht, warum. Aber als ich Mae mit Julia beobachtete, fiel mir auf, dass sie au?erst vorsichtig mit meiner Frau umging. Fast so, als hatte sie Angst vor ihr, zumindest Angst, sie zu reizen.

Das war eigenartig.

Und ein wenig beunruhigend.

Ich fragte Ricky: »Kriegen wir die Tur irgendwie auf?«

»Ich denke schon. Vince hat einen Dietrich. Aber vorlaufig offnet keiner die Tur, Jack. Nicht, solange der Schwarm da drin ist.«

»Dann konnen wir also nirgendwo anrufen?«, sagte ich. »Wir stecken hier fest? Von der Au?enwelt abgeschnitten?«

»Bis morgen, ja. Der Hubschrauber kommt morgen fruh, turnusma?ig.« Ricky sah sich durch die Scheibe die Zerstorung an. »Gottogott. Charley hat bei den Schalttafeln wirklich ganze Arbeit geleistet.«

Ich sagte: »Was glaubst du, warum hat er das getan?«

Ricky schuttelte den Kopf. »Charley war ein bisschen verruckt. Ich meine, er war ein interessanter Typ. Aber dieses standige Gefurze und Gesumme . Er hatte nicht alle Tassen im Schrank, Jack.«

»Das finde ich nicht.«

»Nur meine Meinung«, sagte er.

Ich stand neben Ricky und blickte durch die Scheibe. Der Schwarm schwirrte um Charleys Kopf herum, und ich sah bereits, wie sich die milchige Schicht auf seinem Korper bildete. Das ubliche Muster.

Ich sagte: »Wir konnten doch Flussigstickstoff reinpumpen? Den Schwarm einfrieren?«

»Ware wahrscheinlich moglich«, sagte Ricky, »aber es konnte sein, dass die Technik Schaden nimmt.«

»Konnen wir die Luftung nicht so weit aufdrehen, dass die Partikel rausgesogen werden?«

»Die Luftung lauft schon auf vollen Touren.«

»Und einen Feuerloscher haltst du wohl auch nicht fur so geeignet .«

Er schuttelte den Kopf. »Feuerloscher enthalten Halon. Kann den Partikeln nichts anhaben.«

»Dann sind wir also regelrecht aus diesem Raum ausgesperrt.«

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