Sie trug eine gutsitzende Polizeiuniform und sah blendend aus. Eigentlich verruckt, sagte Ainslie sich, da? strenggeschnittene Mannerkleidung auf dem Korper einer Frau so sexy wirken konnte. Die ma?geschneiderte Uniformjacke mit geraden Schultern und den goldenen Eichenblattern, die ihren Majorsrang bezeichneten, schien die vollkommenen Proportionen ihrer Figur noch zu unterstreichen. Ihr dunkelbraunes kurzes Haar, das vorschriftsma?ig drei Zentimeter oberhalb des Kragens endete, umrahmte ein schmales Gesicht mit makellos hellem Teint und smaragdgrunen Augen, deren Blick durchdringend war. Ainslie nahm den zarten Duft eines vertrauten Parfums wahr und wurde plotzlich von Erinnerungen uberwaltigt.

Cynthia, die ein vor ihr liegendes einzelnes Blatt Papier uberflogen hatte, sah jetzt mit ausdrucksloser Miene auf.

»Kommen Sie rein«, sagte sie. »Machen Sie die Tur zu.«

Ainslie trat naher und stellte dabei fest, da? ihre Augen gerotet waren. Offenbar hatte sie geweint.

Vor dem Schreibtisch stehend begann er: »Ich mochte Ihnen mein tiefempfundenes Beileid... «

»Danke«, unterbrach Major Ernst ihn rasch. Dann fuhr sie in geschaftsma?igem Ton fort: »Ich bin hier, weil ich Ihnen ein paar Fragen zu stellen habe, Sergeant.«

Er pa?te sich ihrem Tonfall an. »Ich werde versuchen, sie zu beantworten.«

Obwohl Cynthia Ernst ihm jetzt die kalte Schulter zeigte, erregten ihr Anblick und ihre Stimme ihn noch so wie fruher, als sie seine Geliebte gewesen war. Aber dieses erotische, aufregende, provokante Zwischenspiel schien jetzt lange zuruckzuliegen.

Ihre Affare hatte vor funf Jahren begonnen, als sie beide Detectives im Morddezernat gewesen waren. Als Dreiunddrei?igjahrige - drei Jahre junger als Malcolm - war Cynthia schon und begehrenswert gewesen. Jetzt erschien sie ihm noch reizvoller. Und auf seltsame Weise machte Cynthias Kalte, mit der sie ihm begegnete, seit sie sich nach ihrer einjahrigen Beziehung getrennt hatten, sie noch anziehender als fruher. Cynthias erotische Ausstrahlung war so stark, da? Ainslie selbst in dieser ganzlich unromantischen Umgebung eine beginnende Erektion spurte.

Sie deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und sagte, ohne zu lacheln: »Sie konnen Platz nehmen.«

Ainslie gestattete sich ein ganz schwaches Lacheln. »Danke, Major.«

Als er sich setzte, war ihm bewu?t, da? Cynthia ihre Grenzen im Verhaltnis zu ihm sehr klar abgesteckt hatte - auf die Frage unterschiedlicher Dienstgrade reduziert, wobei ihrer jetzt viel hoher als seiner war. Nun, das war in Ordnung. Es konnte nie schaden, genau zu wissen, wo man stand. Trotzdem bedauerte er, da? sie ihm keine Gelegenheit gegeben hatte, ihr sein Beileid auszudrucken. Aber Cynthia sah wieder auf das Blatt Papier, das sie gelesen hatte; sie lie? sich Zeit damit, bevor sie es weglegte und ihn ansah.

»Wie ich hore, leiten Sie die Ermittlungen wegen des Mordes an meinen Eltern.«

»Ja, das stimmt.« Er wollte ihr die Bildung der Sonderkommission und die Grunde dafur erklaren, aber sie schnitt ihm das Wort ab.

»Das wei? ich alles.«

Ainslie wartete schweigend ab, worauf Cynthia hinauswollte. Eines stand fur ihn fest: ihre Trauer war tief und echt. Das verrieten ihre geroteten Augen, und er wu?te aus personlicher Kenntnis, da? die Beziehung zwischen Gustav und Eleanor Ernst und Cynthia, ihrem einzigen Kind, ungewohnlich eng gewesen war.

Unter anderen Umstanden hatte er sie trostend in die Arme genommen oder auch nur ihre Hand beruhrt, aber jetzt hutete er sich davor, so etwas zu tun. Abgesehen davon, da? sie seit vier Jahren ihre eigenen Wege gegangen waren, wu?te er auch, da? Cynthia sofort ihren undurchdringlichen Schutzschild hervorholen wurde, den sie so haufig benutzte, um private Dinge abzublocken, wahrend sie der unduldsame, auf Leistung fixierte Profi wurde, den er so gut gekannt hatte.

In ihrer Zeit als Ainslies Kollegin hatte Cynthia jedoch auch weniger erfreuliche Charakterzuge erkennen lassen. Ihre kompromi?lose Geradlinigkeit lie? sie subtile Methoden verachten, obwohl Subtilitat ein nutzliches Ermittlungsinstrument sein konnte. Sie war bestrebt, Ermittlungen moglichst abzukurzen, auch wenn dadurch die Grenze zwischen legal und illegal uberschritten wurde - etwa durch Absprachen mit Kriminellen oder untergeschobenes Beweismaterial, um eine Straftat zu »beweisen«. Als ihr Vorgesetzter hatte Ainslie Cynthias Methoden manchmal beanstandet, obwohl niemand ihre Erfolge kritisieren konnte, die damals auch ein gutes Licht auf ihn geworfen hatten.

Dann hatte es die vollig unprofessionelle, zartliche, hingebungsvolle, wild sinnliche Cynthia gegeben - eine Seite ihrer Personlichkeit, die er wohl niemals wieder erleben wurde. Er schob diesen Gedanken beiseite.

Sie beugte sich uber den Schreibtisch und sagte: »Kommen Sie zur Sache. Ich will horen, was Sie wirklich unternehmen, und erwarte, da? Sie nichts zuruckhalten.«

Diese Szene, dachte Ainslie, war eine Wiederholung vieler Dinge, die sich fruher ereignet hatten.

Cynthia Ernst war mit siebenundzwanzig Jahren ins Miami Police Department eingetreten. Sie hatte rasch Karriere gemacht weil ihr Vater City Commissioner war, behaupteten bose Zungen. Jedenfalls hatte ihr das ebensowenig geschadet wie die Tatsache, da? Minderheiten- und Frauenrechte neue Prioritaten und Moglichkeiten schufen. Aber wie alle, die sie besser kannten, zugeben mu?ten, basierte Cynthias Erfolg in Wahrheit auf angeborenen Fahigkeiten, Ehrgeiz und der Bereitschaft zu harter Arbeit, ohne dabei auf die Uhr zu sehen.

Gleich von Anfang an, schon bei dem zehnwochigen Pflichtlehrgang an der Polizeiakademie, hatte Cynthia sich mit ihrem ausgezeichneten Gedachtnis und ihrer geistigen Beweglichkeit im Umgang mit Problemen hervorgetan. Auch bei der Schie?ausbildung hatte sie die Trainer durch glanzende Leistungen verblufft. Nach vier Wochen konnte sie ihre Waffe blitzschnell zerlegen und wieder zusammensetzen, scho? in allen Lagen wie eine Scharfschutzin und erzielte nie weniger als zweihundertachtundneunzig von dreihundert moglichen Ringen.

Nach der Ausbildung erwies Cynthia sich als hochst kompetente Polizeibeamtin, an der Vorgesetzte ihre Einsatzbereitschaft, ihre Intelligenz und ihre Fahigkeit zu raschen Entschlussen schatzten. Diesen Eigenschaften und ihrem Talent, nur angenehm aufzufallen, hatte Cynthia es zu verdanken, da? sie bereits nach nur zwei Jahren im uniformierten Streifendienst zur Mordkommission versetzt wurde.

In der Mordkommission war sie weiter erfolgreich, und dort begegnete sie Malcolm Ainslie, damals ebenfalls noch Detective, der dabei war, seinen guten Ruf als hervorragender Ermittler zu begrunden.

Cynthia wurde Ainslies Ermittlerteam zugeteilt, das damals von Detective-Sergeant Felix Foster, einem erfahrenen Kriminalbeamten, geleitet wurde. Nur wenig spater wurde Foster zum Lieutenant befordert und in eine andere Abteilung versetzt. Als frischgebackener Sergeant trat Ainslie an seine Stelle.

Aber schon vorher hatten Cynthia und er zusammengearbeitet und fuhlten sich zueinander hingezogen - eine gegenseitige Anziehung, die sich nur fur kurze Zeit unterdrucken lie?.

Cynthia leitete die Ermittlungen in einem Dreifachmordfall und wurde dabei gelegentlich von Malcolm unterstutzt. Um vielversprechenden Hinweisen nachzugehen, flogen die beiden fur zwei Tage nach Atlanta. Die Hinweise erwiesen sich tatsachlich als lohnend, und am Abend des ersten anstrengenden, aber erfolgreichen Tages quartierten die beiden sich in einem Motel am Stadtrand ein.

Beim Abendessen in einer kleinen, aber uberraschend guten Trattoria sah Malcolm uber den Tisch hinweg Cynthia an und fragte mit instinktivem Gespur fur den richtigen Augenblick: »Bist du sehr mude?«

»Verdammt mude«, antwortete sie. Dann griff sie nach seiner Hand. »Aber nicht zu mude fur das, was wir beide am meisten wollen - und ich meine nicht die Nachspeise.«

Als sie in ihr Motel zuruckfuhren, lehnte Cynthia sich zu Malcolm hinuber und kitzelte ihn mit der Zungenspitze am Ohr. »Ich wei? nicht, ob ich so lange warten kann«, gurrte sie dabei. »Kannst du's?« Dann reizte sie ihn mit der Hand, bis er stohnend in Schlangenlinien die Stra?e entlangfuhr.

Vor seiner Zimmertur zog er Cynthia an sich und ku?te sie zart. »Ich nehme an, da? du mit reinkommen willst.«

»Genauso dringend, wie du willst, da? ich's tue«, antwortete sie neckend.

Das hatte Malcolm horen wollen. Er sperrte auf und schob Cynthia vor sich her. Als die Tur hinter ihnen zufiel, wurde das Zimmer durch von au?en hereinfallendes Licht nur schwach erhellt. Malcolm drangte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen Cynthia, die an der Wand neben der Tur stand. Er spurte, wie ihr Atem schneller ging, ihr Korper vor Lust pulsierte. Er atmete den Duft ihres Haars ein und ku?te ihren Nacken, wahrend seine rechte Hand uber ihre Huften glitt und in ihrem Slip verschwand.

»O Gott«, flusterte Cynthia, »ich will dich jetzt!«

»Pst«, sagte Malcolm, dessen Finger feucht und aufreizend war. »Nicht reden. Kein Wort.«

Daraufhin drehte sie sich um - schnell und uberraschend -, so da? sie ihm mit dem Rucken zur Wand

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