Trotzdem konnte er sich mit solchen Stimmungsschwankungen eher abfinden als mit den beruflichen Bedenken, die ihr Verhalten in ihm weckte.

In seiner Laufbahn als Polizeibeamter hatte Ainslie stets an seinen ethischen Grundsatzen festgehalten - auch im Umgang mit vollig amoralischen Gewohnheitsverbrechern. Manchmal waren gewisse Zugestandnisse denkbar, um Informationen zu erhalten, aber damit war fur ihn das Limit schon erreicht. Auf der anderen Seite gab es Kollegen, die mit Straftatern illegale Absprachen trafen, bei ihren Zeugenaussagen logen oder Verdachtigen belastendes Material unterschoben, um eine anders nicht mogliche Verurteilung zu erwirken. Ainslie lehnte solche Winkelzuge fur sich selbst und seine Untergebenen strikt ab.

Cynthia schien keine derartigen Skrupel zu haben.

Als Cynthias Vorgesetzter hatte Ainslie den Verdacht, manche ihrer Ermittlungserfolge konnten auf moralisch fragwurdige Weise zustande gekommen sein. Aber er hatte selbst keine Kenntnis davon, und seine Fragen nach ihren angeblich oft ruden Methoden bewirkten nur, da? Cynthia sie nachdrucklich, einmal sogar emport leugnete. Auf einen Fall wurde er jedoch so aufmerksam gemacht, da? er ihn nicht ubersehen konnte.

Dieser Fall betraf einen Dieb und Betruger namens Val Castellon, der erst vor kurzem auf Bewahrung aus der Haft entlassen worden war. Cynthia leitete die Ermittlung wegen eines Mordes, und obwohl Castellon nicht als Tater verdachtigt wurde, sollte er Auskunft uber einen ehemaligen Mithaftling geben, der als Tater in Frage kam. Bei seiner ersten Vernehmung bestritt Castellon, solche Informationen zu besitzen, und Ainslie neigte dazu, ihm zu glauben. Cynthia war jedoch anderer Meinung.

Bei einer weiteren Vernehmung, die Cynthia allein durchfuhrte, drohte sie Castellon, falls er sich weigerte, die gewunschte Aussage zu machen, werde sie dafur sorgen, da? er mit Drogen in der Tasche aufgegriffen werde. Fur Castellon lagen die Folgen auf der Hand: Widerruf seiner Entlassung auf Bewahrung, Fortdauer der Haft und erneute Verurteilung wegen Versto?es gegen seine Bewahrungsauflagen. Einem Verdachtigen Drogen in die Tasche zu schmuggeln und sie dann angeblich bei ihm zu finden, war ein simpler Polizeitrick, der nur allzu haufig angewandt wurde.

Ainslie erfuhr von Cynthias Erpressungsversuch durch Sergeant Hank Brewmaster, der diese Geschichte von einem seiner Spitzel gehort hatte, der mit Castellon befreundet war. Als er Cynthia fragte, ob das wahr sei, gestand sie ihre allerdings noch nicht wahrgemachte Drohung ein.

»Und dazu kommt's auch nicht«, erklarte er ihr. »Ich ware dafur verantwortlich, und ich lasse so etwas nicht zu.«

»Unsinn, Malcolm!« sagte Cynthia. »Der Kerl landet sowieso wieder hinter Gittern. Ich beschleunige diesen Vorgang nur ein bi?chen.«

»Begreifst du das denn nicht?« fragte er unglaubig. »Die Gesetze, denen wir Geltung verschaffen mussen, sind auch von uns einzuhalten.«

»Und du bist muffig wie dieses alte Kissen.« In dem Motelzimmer, das sie sich an diesem verregneten Nachmittag genommen hatten, warf Cynthia vom Bett aus eines nach ihm. Gleichzeitig lie? sie sich zurucksinken, spreizte aufreizend ihre Beine und fragte: »Ist deine Begierde etwa legal? Schlie?lich sind wir beide im Dienst.«

Sein Gesichtsausdruck veranderte sich. Er trat ans Bett, lie? seine Jacke von den Schultern gleiten und ri? sich die Krawatte vom Hals. Cynthia drangte plotzlich: »Schnell, beeil dich! Steck deinen herrlich gro?en illegalen Schwanz in mich rein!«

Wie schon so oft, fuhlte Ainslie sich willenlos, als er mit ihr verschmolz, und zugleich verlegen und von Cynthias derber Ausdrucksweise sogar abgesto?en. Aber auch das gehorte zu ihrer sexuellen Aggressivitat, die ihre heimlichen Zusammenkunfte von Mal zu Mal aufregender machte.

Unterdessen war nicht mehr von Val Castellon die Rede, obwohl Ainslie dieses Thema spater erneut anschneiden wollte, was er allerdings nie tat. Er erfuhr auch nie, wie die fehlenden Informationen letztlich doch beschafft worden waren, sondern nur, da? Cynthia - und damit auch er selbst - einen weiteren Triumph als Ermittlerin verzeichnen konnte.

Ainslie uberzeugte sich jedoch davon, da? Castellon nicht wegen Drogenbesitzes angeklagt und seine Entlassung auf Bewahrung nicht widerrufen wurde. Irgendwie schien Cynthia sich seine Warnung also doch zu Herzen genommen zu haben.

Auch etwas anderes bereitete Ainslie Unbehagen. Im Gegensatz zu den meisten Polizeibeamten schien Cynthia sich in Gesellschaft von Kriminellen wohl zu fuhlen und verkehrte in Bars unbefangen, geradezu freundschaftlich mit ihnen. Auch ihre Einstellung gegenuber Gesetzesbrechern unterschied sich von der Ainslies. Wahrend er seine Arbeit - vor allem die Aufklarung von Morden - fur moralisch hochwertig hielt, war Cynthia anderer Meinung und forderte ihn einmal auf: »Sieh der Realitat doch ins Auge, Malcolm! Hier konkurrieren Straftater, Polizei und Anwalte. Wer zuletzt gewinnt, hangt davon ab, wie clever der Anwalt und wie reich sein Mandant ist. In diesem Spiel sind deine sogenannten moralischen Prinzipien chancenlos.«

Ainslie war keineswegs beeindruckt. Ausgesprochen unglucklich war er, als er spater erfuhr, wer Cynthias regelma?iger Begleiter bei ihren Bar- und Restaurantbesuchen war: Patrick Jensen, ein erfolgreicher Romanautor und Lebemann aus Miami, der jedoch einen denkbar schlechten Ruf hatte - vor allem bei der Polizei.

Jensen, ein ehemaliger Fernsehjournalist, hatte zahlreiche Kriminalromane geschrieben, die weltweit zu Bestsellern wurden, und damit bis zu seinem neununddrei?igsten Lebensjahr angeblich zwolf Millionen Dollar verdient. Manche Leute behaupteten, der Erfolg sei ihm zu Kopf gestiegen, und Jensen habe sich in einen frechen, arroganten, oft gewalttatigen Schurzenjager verwandelt. Seine zweite Frau Naomi, von der er langst wieder geschieden war, hatte ihn mehrfach angezeigt, weil er sie verprugelt hatte, aber alle Anzeigen wieder zuruckgezogen, bevor Anklage erhoben werden konnte. Nach der Scheidung hatte Jensen mehrmals versucht, sich wieder mit ihr zu versohnen, aber seine Exfrau hatte sich nicht darauf eingelassen.

Dann wurde Naomi Jensen ermordet aufgefunden - mit einem Gescho? Kaliber 38 in der Kehle. Neben ihr lag ihr Liebhaber, der junge Musiker Kilburn Holmes; er war mit derselben Waffe erschossen worden. Nach Zeugenaussagen war es am Morgen vor der Tat vor Naomis Haus zu einem erbitterten Streit zwischen den geschiedenen Ehepartnern gekommen, bei dem Naomi verlangt hatte, Jensen solle sie in Ruhe lassen, und angekundigt hatte, sie werde bald wieder heiraten.

Patrick Jensen wurde naturlich verdachtigt, und die Ermittlungen der Mordkommission ergaben, da? er Gelegenheit zur Tat gehabt und kein Alibi hatte. Ein in der Nahe der Ermordeten gefundenes Taschentuch war mit anderen aus Jensens Besitz identisch; da? es wirklich ihm gehorte, lie? sich jedoch nicht beweisen. Aber ein winziges Stuck Papier in Holmes' Hand pa?te zu einem anderen Stuck Papier, das in Jensens Garage sichergestellt wurde. Und dann entdeckten die Ermittler, da? Jensen zwei Wochen vor der Tat einen Revolver Smith & Wesson Kaliber 38 gekauft hatte. Aber der Revolver war angeblich verlorengegangen, und die Tatwaffe blieb verschwunden.

Trotz intensivster Bemuhungen fand Sergeant Pablo Greenes Ermittlerteam kein weiteres Belastungsmaterial, und das vorliegende reichte fur eine Anklageerhebung nicht aus.

Das wu?te auch Patrick Jensen.

Detective Charlie Thurston, der die Ermittlungen leitete, berichtete den Sergeants Greene und Ainslie: »Ich bin heute bei diesem arroganten Schei?er Jensen gewesen, um ihm weitere Fragen zu stellen, aber der Dreckskerl hat nur gelacht und mich aufgefordert, ich solle verschwinden.« Thurston, ein erfahrener Kriminalbeamter, war sonst zuruckhaltend und geduldig, aber nach dieser Abfuhr kochte er noch immer vor Wut.

»Der Schweinehund wei?, da? wir wissen, da? er's gewesen ist«, fuhr er fort, »und sagt praktisch: >Na wenn schon, beweisen konnt ihr's mir nie!<«

»Soll er nur lachen«, sagte Greene. »Vielleicht lachen wir zuletzt.«

Aber Thurston schuttelte den Kopf. »Ich glaub's nicht. Er schreibt bestimmt ein Buch daruber und kassiert dafur wieder 'ne Million.«

In gewisser Beziehung behielt Thurston recht. Jensen konnte nicht nachgewiesen werden, da? er Naomi und ihren Liebhaber ermordet hatte, und er schrieb einen Kriminalroman, in dem die Beamten einer Mordkommission als unfahige Tolpel hingestellt wurden. Aber das Buch wurde kein Erfolg, und als auch das nachste beim Publikum durchfiel, schienen Patrick Jensens Tage als Bestsellerautor gezahlt zu sein. Gleichzeitig tauchten Geruchte auf, Jensen habe durch riskante Geldanlagen den gro?ten Teil seiner Millionen verloren und sei auf der Suche nach anderen Einnahmequellen. Ein weiteres Gerucht besagte, Patrick Jensen habe seit langem ein Verhaltnis mit Detective Cynthia Ernst.

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