Glastur, die aber nicht nachgab. In der Eingangshalle war niemand mehr zu sehen. Thurston druckte sofort auf samtliche erreichbaren Klingelknopfe. »Polizei!« rief er in den Turlautsprecher. »Wir verfolgen einen Verdachtigen! Machen Sie uns bitte auf!«

Die meisten Mieter wurden mi?trauisch sein, das wu?te er, aber vielleicht fand sich doch jemand, der...

Der Turoffner summte laut. »Sie ist offen!« rief Andrews von der Tur aus. Sie sturmten in die Eingangshalle.

»In welchem Stock wohnt sie?« fragte Andrews. »Ich tippe auf den zweiten.«

Thurston nickte. »Los, weiter!«

In der Eingangshalle gab es zwei Aufzuge, die beide unterwegs waren. Andrews druckte auf den Rufknopf. Im nachsten Augenblick offnete sich der linke Aufzug, und eine alte Dame, die ihren Pekinesen an der Leine fuhrte, trat langsam heraus. Als der Hund keine Lust verspurte, die Kabine zu verlassen, half Thurston nach, indem er ihn an der Leine herauszerrte. Bevor die alte Dame protestieren konnte, standen die beiden Kriminalbeamten schon im Aufzug. Andrews druckte auf den dritten Knopf und zugleich auf einen anderen, damit die Kabinentur sich schlo?. Aber die Automatik lie? sich viel Zeit, bis die Schiebetur endlich zuging und die Manner vor Wut kochten.

Im zweiten Stock liefen sie sofort nach rechts, weil sie vermuteten, die Blondine dort an einem Fenster ihrer Wohnung gesehen zu haben. Aber auf dem Flur war es still, und sie sahen nirgends eine aufgebrochene Tur. Thurston klopfte an zwei Wohnungsturen, ohne da? jemand offnete.

»Hier nicht!« sagte er keuchend. »Also im dritten Stock! Los, wir nehmen die Treppe!« Andrews blieb dicht hinter ihm, als er zum Notausgang am Ende des Korridors rannte. Sie hetzten die Betontreppe hinauf, offneten die Tur und standen dann in einem identischen Flur, vor einer teilweise zersplitterten Wohnungstur. Im nachsten Augenblick hallte der Knall zweier Schusse aus dem Apartment. Wahrend die Kriminalbeamten stehenblieben und ihre Dienstwaffe zogen, horten sie rasch nacheinander vier weitere Schusse fallen.

Thurston schob sich, mit grimmiger Miene an die Korridorwand gepre?t, naher an die offene Wohnungstur heran. Er machte Andrews ein Zeichen, hinter ihm zu bleiben, und flusterte: »Ich geh' zuerst rein. Du gibst mir Feuerschutz.«

Wahrend sie sich vorsichtig weiter der Tur naherten, kamen aus der offenen Tur halblaute Gerausche: einige leichte Schritte, danach ein mehrmaliges undefinierbares dumpfes Poltern. Thurston, der seine Pistole schu?bereit hielt, streckte langsam den Kopf durch die Tur. Sekunden spater lie? er die Waffe sinken und betrat die kleine Diele.

Im Wohnzimmer lag Quinones, der bewu?tlos zu sein schien, in einer Blutlache auf dem Bauch. Neben seiner ausgestreckten rechten Hand lag ein Messer mit blitzender Klinge - ein Klappmesser mit Perlmuttgriff, wie Thurston feststellte. Die Blondine, die aus der Nahe alter aussah, war benommen in einem Sessel zusammengesunken. Sie hielt eine zu Boden gerichtete Pistole in der Hand.

Thurston trat auf sie zu. »Ich bin Polizeibeamter«, sagte er. »Geben Sie mir die Waffe.« Er sah, da? die Pistole eine sechsschussige Rohn Kaliber 22 war. Die Blondine hielt sie ihm bereitwillig hin. Um keine Fingerabdrucke zu verwischen, steckte Thurston einen Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche durch den Abzugbugel und legte die Waffe vorlaufig auf einem Beistelltisch ab.

Andrews, der neben Quinones kniete, hob den Kopf. »Er ist hinuber«, stellte er fest. Dann drehte er den Toten etwas zur Seite und fragte Thurston: »Hast du das gesehen, Charlie?« Er deutete auf Quinones offene Hose, aus der sein Glied heraushing.

»Nein, aber das wundert mich nicht.« Sittlichkeitsverbrecher entblo?en sich oft, weil sie glauben, dieser Anblick errege Frauen. »La? lieber einen Notarzt kommen, der uns bestatigt, da? er tot ist.«

Andrews sprach in sein Handfunkgerat. »Dispatcher, hier Neunzehneinundvierzig.«

»QSK.«

»Schicken Sie einen Notarzt zur siebenzwonulleins Tamiami Canal Road, Apartment dreizwodrei, wo ein moglicher Funfundvierziger vorliegt. Au?erdem brauchen wir zwei Mann, um Neugierige fernzuhalten, und ein Spurensicherungsteam.«

»QSL.«

Als nachstes sprach Thurston uber Funk mit Sergeant Malcolm Ainslie und berichtete dem Leiter der Sonderkommission von diesem Vorfall.

»Ich bin in der Nahe«, sagte Ainslie. »Bin in zehn Minuten da.«

Andrews hatte inzwischen angefangen, sich Notizen zu machen und die vor ihnen sitzende Frau zu befragen.

»Sagen Sie mir bitte Ihren Namen, Miss?«

Sie schien sich von ihrem Schock erholt zu haben, obwohl ihre Hande noch immer zitterten. »Dulce Gomez.«

Sie sei ledig, sagte sie aus, sechsunddrei?ig und Mieterin dieser Wohnung. Sie lebe seit zehn Jahren in Miami. Sie war attraktiv, fand Andrews, aber wirkte irgendwie hart.

Gomez berichtete, sie arbeite als Servicetechnikerin bei Southern Bell. Am Miami-Dade Community College studiere sie in Abendkursen Telekommunikation. »Um spater einen besseren Job zu kriegen.«

Thurston, der dazugekommen war, zeigte auf Quinones' Leiche. »Kennen Sie diesen Mann, Dulce? Haben Sie ihn schon mal gesehen, bevor er Sie heute verfolgt hat?«

Sie schuttelte sich. »Niemals!«

»Wir haben ihn beobachtet. Vielleicht hat er Sie verfolgt, ohne da? Sie's gemerkt haben.«

»Hmmm, ich hab' ein paarmal das Gefuhl gehabt, als ob jemand...« Dann fiel ihr etwas ein. »Der Schei?er hat gewu?t, wo ich wohne; er ist direkt raufgekommen.«

Andrews fragte weiter: »Und hat die Tur aufgebrochen?«

Sie nickte. »Er ist wie ein tollwutiger Hund hereingesturmt -mit raushangendem Pimmel und gezucktem Messer.«

»Und dann haben Sie ihn erschossen?« fragte Thurston.

»Nein. Ich hatte meine Pistole nicht zur Hand, also hab' ich mich mit Karate gewehrt. Er hat das Messer verloren.«

»Sie beherrschen Karate?«

»Schwarzer Gurtel. Nach Kopf- und Korpertreffern ist er zu Boden gegangen. Dann hab' ich die Pistole geholt und ihn erschossen.«

»Wo hat die Waffe gelegen?«

»Im Schlafzimmer, in meinem Nachttisch.«

Thurston starrte sie an. »Der Mann ist au?er Gefecht gewesen - aber Sie haben trotzdem Ihre Pistole geholt und ihm alle sechs Kugeln verpa?t?«

Die Frau zogerte. »Na ja, ich wollte, da? der Schei?kerl liegenbleibt. Er hat sich mit dem Messer in der Hand auf dem Boden rumgewunden. Darum hat er von mir noch ein paar Tritte gegen den Kopf gekriegt.«

Das war die Erklarung fur die Gerausche, die zuletzt aus der Wohnung gedrungen waren. »Aber nach sechs Schussen hat er sich nicht mehr rumgewunden«, stellte Andrews fest.

Gomez zuckte mit den Schultern. »Das wohl nicht. Aber ich hab' trotzdem ziemlich Angst gehabt.«

Inzwischen war der Notarzt gekommen, der keine halbe Minute brauchte, um Quinones fur tot zu erklaren. Auf dem Flur hielten jetzt zwei uniformierte Polizisten Wache. Sie hatten das Apartment 323 mit gelbem POLICE- LINE-Band abgesperrt und taten ihr Bestes, um die aufgeregten Nachbarn zu beruhigen.

Auch Malcolm Ainslie war eingetroffen und hatte die letzten Antworten gehort. »Ich mochte etwas klarstellen, Ms. Gomez. Sie haben den Mann mit Karate au?er Gefecht gesetzt, und er hat noch auf dem Boden gelegen, als Sie zuruckgekommen sind und ihm sechs Kugeln verpa?t haben?«

»Das hab' ich schon gesagt.«

»Zeigen Sie mir bitte Ihren Waffenschein?«

Die Blondine wirkte erstmals unsicher. »Ich hab' keinen. Mein Freund hat mir die Pistole letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt. Ich hab' nicht gewu?t, da? man fur so kleine...«

»Wie hei?t Ihr Freund, Dulce?« fragte Brad Andrews.

»Justo Ortega. Aber er ist nicht mehr mein Freund.«

Ainslie beruhrte Andrews' Arm. »Die Sache wird allmahlich kompliziert. Ich glaube, Sie sollten die Lady uber ihre Rechte belehren.«

Вы читаете Der Ermittler
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату