sprach ruhig, aber schnell.

»Malcolm, ich hab' eben deinen Funkspruch mitgehort. Ich habe einen Jungen am Telefon, der meldet, da? ein gro?er Mann seine Gro?eltern in ihrem Haus uberfallen hat und sie schlagt und mit einem Messer massakriert.«

»Das ist Doil, Harry! Gib mir schnell die Adresse.«

»Augenblick, die krieg' ich gerade. Der Junge mu? ins Telefon flustern.« Ainslie horte, wie der Wachleiter dem Anrufer, den er »Ivan« nannte, geduldig Fragen stellte. »Er sagt, da? seine Gro?eltern Tempone hei?en und in der Tigertail Avenue wohnen... Nummer sechzehndreiundvierzig! Ich habe einen Notarzt alarmiert, Malcolm, und andere die dreifunfzehn in dreieinunddrei?ig um.« Das bedeutete »Notfall - Mord wird verubt«.

Ainslie horte kaum noch hin. Er rannte bereits die Tigertail Avenue entlang. Dan Zagaki hielt mit ihm Schritt, aber Ainslie beachtete ihn nicht weiter.

Als sie herankamen, sahen sie die Hausnummer 1643 am Torpfosten einer gro?en zweigeschossigen Villa mit gepflasterter Auffahrt, Saulenvordach und schwerer geschnitzter Haustur. Ein Zaun aus Eisenstaben, hinter dem als Sichtschutz hohe Busche gepflanzt waren, umgab das gesamte Grundstuck. Ein zweiflugliges schmiedeeisernes Tor sicherte die Einfahrt, aber ein Flugel war nur angelehnt.

Als Ainslie und Zagaki das Gittertor erreichten, hielten dort zwei Streifenwagen mit Blinklichtern, verklingenden Sirenen und quietschenden Reifen. Vier uniformierte Polizisten sprangen mit gezogenen Waffen heraus. Zwei weitere Streifenwagen kamen aus beiden Richtungen die Tigertail Avenue entlanggerast.

Ainslie wies seine Polizeiplakette vor und beschrieb ihnen rasch den Gesuchten. »Wir glauben, da? er drinnen ist -vielleicht in diesem Augenblick mordet.« Er deutete auf zwei der Beamten. »Ihr beide kommt mit mir.« Zu den anderen sagte er: »Gendry, Sie ubernehmen den Befehl und sperren die Tigertail Avenue weitraumig ab. Keiner darf rein oder raus, bevor Sie von mir horen.«

Plotzlich rief einer der Beamten: »Sergeant, dort druben!« Er zeigte auf die Ostseite des Hauses, wo eine schemenhafte Gestalt einen Fu?weg entlangschlich. Ein anderer Streifenpolizist richtete seine starke Stabtaschenlampe auf sie. Sie erhellte den Rucken eines gro?en Mannes, der ein rotes Hemd und eine dunkle Hose trug.

»Das ist er!« rief Ainslie. Die anderen folgten dichtauf, als er mit schu?bereiter Pistole durchs Tor und uber den Rasen sturmte. Doil horte sie kommen und rannte davon. »Halt, stehenbleiben, Doil«, rief Ainslie, »sonst puste ich Ihnen Ihr verdammtes Gehirn weg!«

Der Mann blieb stehen, drehte sich um. »Fuck you!« knurrte Doil.

Als Ainslie naher herankam, sah er, da? Doil ein Messer in der rechten Hand hielt - und da? seine beiden Hande in Latexhandschuhen steckten.

»Lassen Sie das Messer fallen!« befahl Ainslie ihm scharf. Als Doil zogerte, fugte er hinzu: »Und runter mit den Handschuhen! Lassen Sie sie neben das Messer fallen.«

Doil gehorchte langsam. Dann blaffte Ainslie ihn an: »Hinlegen, Hundesohn, und Hande auf den Rucken! Los, Beeilung!«

Auch diesem Befehl gehorchte Doil, betont langsam, wahrend Ainslie ihn weiter mit seiner Pistole in Schach hielt. Zagaki trat vor, packte Doils Handgelenke und legte ihm Handschellen an. In diesem Augenblick erhellte ein hinter ihnen aufflammendes Blitzlicht die Szene.

Ainslie warf sich instinktiv mit noch schu?bereiter Waffe herum, aber dann horte er eine Frauenstimme: »Sorry, Chief. Aber dafur werde ich von den Zeitungen bezahlt.«

»Verdammt«, murmelte Ainslie und lie? die Pistole sinken. Obwohl er wu?te, da? Fotografen, Kamerateams und Reporter den Polizeifunk abhorten und rasch zur Stelle waren, wenn sie eine Story witterten, argerte er sich daruber, sie so rasch zu sehen. Er wandte sich an die Streifenpolizisten. »Sperrt die Umgebung des Hauses mit Band ab und sorgt dafur, da? niemand naher als zwanzig Meter herankommt.«

Prompt wurde das gelbe Kunststoffband mit dem Aufdruck POLICE LINE - DO NOT CROSS, das zur Ausrustung aller Streifenwagen gehorte, um alle irgendwie geeigneten Gegenstande geschlungen - Baume, Laternenpfahle, Zaunpfosten und die Au?enspiegel zweier Streifenwagen -, so da? es eine visuelle Barriere zwischen den Kriminalbeamten und der rasch anwachsenden Menge aus Neugierigen und Reportern bildete.

Zagaki, der neben Elroy Doil kniete, rief laut: »Der Kerl ist uber und uber mit Blut verschmiert! Das Messer und die Handschuhe sind auch blutig.«

»Nein!« achzte Ainslie, weil er instinktiv wu?te, da? seine schlimmsten Befurchtungen eingetroffen waren. Er ri? sich zusammen, um den neu hinzugekommenen Streifenpolizisten Anweisungen zu geben. »Zwei von euch ziehen diesen Kerl bis auf die Unterwasche aus - auch Schuhe und Socken. La?t seine Sachen nicht auf den Boden fallen, verwischt keine Blutspuren und steckt alles moglichst schnell in Plastikbeutel - vor allem sein Messer und die Handschuhe. Und bleibt wachsam; la?t ihn keine Sekunde aus den Augen. Der Kerl ist gewalttatig und gefahrlich.«

Elroy Doil sollte ausgezogen werden, um die Blutspuren an seiner Kleidung im jetzigen Zustand zu konservieren. Zeigte ein DNA-Test, da? das Blut von seinen Opfern stammte, war eine Verurteilung so gut wie sicher.

Inzwischen waren auch Leo Newbold und Dion Jacobo eingetroffen. Der Lieutenant fragte Ainslie: »Sind Sie schon drinnen gewesen?«

»Nein, Sir. Bin gerade unterwegs.«

»Wir kommen mit, okay?«

»Naturlich.«

Ainslie nickte dem Streifenpolizisten zu, der als erster am Tatort gewesen war. »Sie kommen mit uns. Bleiben Sie in unserer Nahe, und fassen Sie nichts an, verstanden?« Zu Zagaki sagte er nur: »Sie bleiben hier und ruhren sich nicht von der Stelle.«

Dann gingen die vier unter Ainslies Fuhrung auf das Haus zu.

Eine Seitentur stand offen - vermutlich weil Doil auf diesem Weg das Haus verlassen hatte. Der Flur dahinter war nur schwach beleuchtet. Ainslie knipste das Licht an. Der Korridor fuhrte in eine holzgetafelte Eingangshalle mit einer elegant geschwungenen breiten Treppe. Auf der untersten Stufe sa? ein kleiner Junge - Ainslie schatzte ihn auf zehn, hochstens zwolf Jahre -, der blicklos ins Leere starrte und heftig zitterte.

Ainslie kniete sich zu ihm nieder, legte einen Arm um seine Schultern und fragte freundlich: »Bist du Ivan?« Den anderen erklarte er: »Er hat neuneinseins angerufen.« Der Junge nickte kaum merklich.

»Kannst du uns sagen, wo... «

Der Junge schien noch kleiner zu werden, drehte sich aber um, sah die Treppe hinauf und zitterte dann noch mehr.

»Entschuldigung, Sergeant«, warf der Streifenpolizist ein, »er hat einen Schock. Die Anzeichen kenne ich. Wir sollten ihn ins Krankenhaus bringen.«

»Konnen Sie ihn raustragen?«

»Klar kann ich das.«

»Der Notarzt ist alarmiert«, erklarte Ainslie ihm. »Er ist bestimmt schon drau?en. Wird der Junge ins Jackson Memorial gebracht, fahren Sie mit und melden sich von dort aus. Lassen Sie den Jungen unter keinen Umstanden allein; wir brauchen seine Aussage noch. Ist das klar?«

»Alles klar, Sergeant.« Der Uniformierte hob den Kleinen muhelos hoch. »Komm, wir gehen, Ivan.« Beim Hinausgehen horte Ainslie ihn trostend sagen: »Das wird schon wieder, Sohn. Halt dich nur gut an mir fest.«

Ainslie, Newbold und Jacobo stiegen die Treppe hinauf. Im ersten Stock fanden sie eine offene Tur, aus der Licht drang. Die drei Manner traten uber die Schwelle und blieben stehen, um den Tatort in Augenschein zu nehmen.

Dion Jacobo, der als Veteran schon viele Mordopfer gesehen hatte, stie? einen erstickten Laut aus, bevor er stohnend die Worte herauswurgte: »O mein Gott! O mein Gott!«

Wie Ainslie befurchtet hatte, als er Doils blutbefleckte Kleidung sah, standen sie vor einer Wiederholung der fruheren Doppelmorde, diesmal an einem alteren schwarzen Ehepaar. Der einzige Unterschied bestand darin, da? Doil offenbar hastiger und weniger prazise vorgegangen war - vermutlich hatte er die rasch naher kommenden Polizeisirenen gehort.

Die beiden Toten sa?en sich gefesselt und geknebelt gegenuber; sie waren durch Schlage auf Kopf und Oberkorper brutal mi?handelt worden. Ein Arm der Frau war verdreht und gebrochen, das rechte Auge des Mannes ausgestochen. Im Vergleich zu den fruheren Morden waren die Stichwunden offenbar willkurlicher und

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