tiefer. Alles schien in hochster Eile geschehen zu sein, als habe der Killer geahnt, da? ihm diesmal nicht viel Zeit bleiben wurde.

Ainslie stand wie versteinert da, bemuhte sich, seine abgrundtiefe Verzweiflung unter Kontrolle zu halten, und war sich bewu?t, da? er diese Szene und sein eigenes Schuldbewu?tsein niemals wurde vergessen konnen. Nachdem er fast eine Minute bewegungslos dagestanden hatte, holte Leo Newbolds Stimme ihn in die Realitat zuruck. »Malcolm, alles in Ordnung mit Ihnen?«

Er nickte muhsam. »Ja, Sir.«

»Ich wei?, was Sie denken«, sagte Newbold halblaut, »und habe nicht vor, Sie diese Last allein tragen zu lassen. Wir reden daruber, aber wie war's, wenn Sie jetzt heimfahren und sich ausruhen wurden? Sie sind ubermudet, das sieht man Ihnen an. Dion kann die weiteren Ermittlungen leiten.«

Ainslie schuttelte den Kopf. »Ich bring' die Sache zu Ende, Lieutenant, aber es ware gut, wenn Dion mir dabei helfen wurde. Trotzdem vielen Dank.«

Er griff nach seinem Handfunkgerat, um das Standardverfahren einzuleiten.

Es war kurz nach ein Uhr morgens, als Malcolm Ainslie endlich nach Hause kam, wo Karen, die er vor mehreren Stunden hatte anrufen konnen, in einem bla?grunen Morgenrock auf ihn wartete. Als sie ihn sah, breitete sie die Arme aus und druckte ihn fest an sich. Nach einiger Zeit lie? sie ihn los, sah zu ihm auf und beruhrte sein Gesicht.

»War's schlimm?«

Er nickte langsam. »Ziemlich.« »Oh, Liebling, wieviel mehr kannst du noch ertragen?«

Ainslie seufzte. »Von der Art wie heute abend nicht mehr viel.«

Sie schmiegte sich an ihn. »Ich bin froh, da? du wieder da bist. Mochtest du daruber reden?«

»Vielleicht morgen. Nicht jetzt.«

»Malcolm, Liebster, geh jetzt ins Bett. Ich bringe dir noch etwas.«

Dieses »Etwas« war hei?e Ovomaltine, ein Getrank aus seiner Kindheit, das er vor dem Einschlafen gern zu sich nahm. Als er den Becher geleert hatte und sich auf sein Kopfkissen zurucksinken lie?, meinte Karen: »Das mu?te dir helfen einzuschlafen.«

»Und die Alptraume verscheuchen?«

Sie schlupfte zu ihm unter die Bettdecke und druckte ihn nochmals an sich. »Die halte ich von dir fern.«

Aber wahrend Malcolm erschopft in den Schlaf fiel, lag Karen noch lange sorgenvoll wach. Wie lange, fragte sie sich, konnten sie dieses Leben durchhalten? Fruher oder spater wurde Malcolm sich zwischen seiner Familie und den Damonen seiner Arbeit entscheiden mussen. Wie so viele Ehefrauen von Kriminalbeamten in Vergangenheit und Gegenwart konnte Karen sich nicht vorstellen, da? ihre Ehe auf Dauer mit der jetzigen beruflichen Laufbahn ihres Mannes unter einen Hut zu bringen war.

Der nachste Tag brachte ein Postskriptum, das geradezu eine Ironie des Schicksals war. Eine Berufsfotografin mit Verbindungen zu Bildagenturen wohnte in Bay Heights ganz in der Nahe der Villa des ermordeten Ehepaars Tempone. Deshalb war sie so rasch am Tatort gewesen und hatte ein Blitzlichtfoto gemacht, als Doil uberwaltigt wurde.

Der dramatische Schnappschu? zeigte Doil auf dem Bauch im Gras liegend, wahrend Detective Dan Zagaki dem sich Wehrenden Handschellen anlegte. Diese von Associated Press verbreitete Aufnahme erschien in allen gro?en amerikanischen Zeitungen mit der Bildunterschrift:

Ein heldenhafter Polizist

Nach dramatischer Verfolgungsjagd uberwaltigt Detective Dan Zagaki von der Miami Police den Verdachtigen Elroy Doil, der ein schwarzes Ehepaar ermordet haben soll und wegen einer Mordserie verhort wird. Auf die Frage nach seiner Arbeit und ihren Gefahren antwortet Zagaki: »Sie ist manchmal riskant. Man tut einfach nur sein Bestes.« Er ist Sohn von General Thaddeus Zagaki, Kommandeur der First Army Division in Fort Stewart, Georgia.

13

Nach der Verhaftung kam Elroy Doil unter der Beschuldigung, Kingsley und Nellie Tempone ermordet zu haben, im Dade-County-Gefangnis in Untersuchungshaft. Wie gesetzlich vorgeschrieben war, fand im benachbarten Metro Justice Building innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach der Verhaftung ein Haftprufungstermin statt. Dabei brauchte Doil sich nicht zur Schuldfrage zu au?ern; dafur wurde in zwei bis drei Wochen ein Anhorungstermin festgesetzt werden. Statt dessen beantragte ein Pflichtverteidiger routinema?ig seine Freilassung gegen Kaution, die ebenso routinema?ig abgelehnt wurde.

Doil interessierte sich kaum fur diesen Vorgang, weigerte sich, mit seinem Pflichtverteidiger zu sprechen, und gahnte dem Richter ins Gesicht. Aber als ein Gerichtsdiener ihn am Arm packte, um ihn hinauszufuhren, versetzte Doil ihm einen Schlag in den Magen, so da? der Mann zusammenklappte. Sofort sturzten sich zwei weitere Gerichtsdiener und ein Gefangniswarter auf Doil, uberwaltigten ihn, legten ihn in Ketten und schleiften ihn aus dem Saal. Drau?en in der Zelle fur Untersuchungshaftlinge schlugen sie weiter mit ihren Fausten auf ihn ein, bis der Widerstandswille des hilflos Keuchenden gebrochen war.

Wahrend die amtlichen Entscheidungen uber den Fortgang des Verfahrens jetzt bei der Staatsanwaltschaft lagen, trug ein Team aus Leuten von der Spurensicherung und Kriminalbeamten der Mordkommission weiter Belastungsmaterial zusammen.

An Griff und Klinge des Bowiemessers, das Elroy Doil bei seiner Verhaftung in der Hand gehalten hatte, wurde Blut gefunden, das mit dem der beiden Ermordeten identisch war. Au?erdem war Dr. Sanchez bereit, vor Gericht auszusagen, da? dieses durch charakteristische Rillen und Scharten identifizierbare Messer die Waffe sei, mit der Kingsley und Nellie Tempone ermordet worden waren.

Nach Auskunft von Dr. Sanchez war es jedoch nicht das Bowiemesser, mit dem die Ehepaare Frost, Urbina und Ernst getotet worden waren. Genauere Untersuchungen der Einstichwunden aus Clearwater und Fort Lauderdale lagen noch nicht vor, so da? bisher kein Vergleich moglich war.

Bei einer Besprechung mit Kriminalbeamten der Sonderkommission fugte die Gerichtsmedizinerin hinzu: »Das soll keineswegs hei?en, Doil habe diese anderen Morde nicht verubt. Die Tatausfuhrung la?t im Gegenteil auf ihn schlie?en. Aber er kann sich mehrere Bowiemesser gekauft haben, die Sie vielleicht finden, wenn Sie seinen Besitz durchsuchen.«

Zur Enttauschung von Kriminalbeamten und Staatsanwalten, die gehofft hatten, jetzt auch alle fruheren Falle losen zu konnen, fanden sich unter Doils sparlichen Besitztumern weder weitere Messer noch sonstiges Belastungsmaterial.

Im Fall Tempone wurde die Beweislage jedoch mit jedem Tag besser. Das Blut an Doils Kleidung und seinen Schuhen stammte von den beiden Ermordeten; auch das Blut an seinen Latexhandschuhen, die er offenbar getragen hatte, um keine Fingerabdrucke zu hinterlassen, stimmte mit dem der Opfer uberein. Die am Tatort sichergestellten Schuhabdrucke - einige mit Spuren des Blutes der Ermordeten - entsprachen den Sportschuhen, die Doil getragen hatte.

Und zu diesen Beweisen kam die Aussage des zwolfjahrigen Ivan Tempone. Sobald er sich von seinem Schock erholt hatte, erwies der Junge sich als ruhiger, glaubwurdiger Augenzeuge. Er schilderte erst Detective Jacobo und dann einem Staatsanwalt, wie er durch eine halboffene Tur beobachten konnte, wie Doil seine Gro?eltern gefoltert und ermordet hatte.

»Wir haben einfach noch keinen Fall mit besserer Beweislage gehabt«, stellte Staatsanwaltin Adele Montesino fest, als sie ihre umstrittene Entscheidung bekanntgab, Doil nur wegen des Doppelmords an dem Ehepaar Tempone anzuklagen.

Wahrend die Staatsanwaltschaft uber ein halbes Jahr brauchte, um das Beweismaterial auszuwerten und die Anklage vorzubereiten, lag das Ergebnis der internen Untersuchung im Miami Police Department wesentlich schneller vor. Dabei ging es um die verpatzte Uberwachung Elroy Doils, die das Ehepaar Tempone uberflussigerweise das Leben gekostet hatte. Samtliche Einzelheiten kannten allerdings nur einige Fuhrungskrafte; die Beamten der Mordkommission hatten Anweisung, mit niemandem uber diese Sache zu reden - nicht mit Angehorigen, erst recht nicht mit den Medienvertretern.

Tatsachlich hielt das Police Department nach dem Doppelmord an dem Ehepaar Tempone tagelang den Atem an und fragte sich, ob irgendein cleverer Reporter unter der Oberflache der ohnehin schon sensationellen Story weiterschurfen wurde. Erschwerend kam hinzu, da? Kingsley und Nellie Tempone Schwarze gewesen waren. Obwohl diese Fahndungspanne keinen rassistischen Hintergrund gehabt hatte -die Opfer hatten ebensogut Wei?e sein konnen -, gab es immer Aktivisten, die jede Gelegenheit nutzten, um einen Rassenkonflikt zu

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