schuren.

Aber das Befurchtete trat bemerkenswerterweise - fast unglaublicherweise - doch nicht ein, weil keine der Informationen nach drau?en drang. In ihrer Berichterstattung uber das grausame Verbrechen konzentrierten sich die Medien, auch uberregionale Zeitungen und die gro?en Fernsehgesellschaften, auf die Tatsache, da? ein mutma?licher Serienmorder endlich gefa?t worden war. Dazu trug noch ein weiterer Faktor bei: Der kleine Ivan Tempone, der »trotz der Gefahr, von dem Killer entdeckt und ebenfalls ermordet zu werden, mutig die Polizei alarmiert hat«, wie ein Journalist bewundernd schrieb, stieg uber Nacht zum Volkshelden auf.

Fur wesentlich mehr war weder im Fernsehen noch in den Zeitungen Platz.

Hinter den Kulissen liefen unterdessen ohne gro?es Aufsehen Disziplinarverfahren gegen die beiden Polizeibeamten, die diese Fahndungspanne zu verantworten hatten. Wegen der moglichen schadlichen PR- Auswirkungen fur den Fall, da? die Wahrheit in die Offentlichkeit gelangte, wurde sogar der Polizeiprasident mit dieser Sache befa?t. Die letzte Entscheidung blieb jedoch Major Figueras uberlassen, dem als Leiter der Abteilung Verbrechensbekampfung die gesamte Kriminalpolizei unterstand.

Figueras machte unmi?verstandlich klar, was er erwartete: »Ich will alles wissen, alle Einzelheiten bis hin zum kleinsten Fliegendreck.« Diese Anweisung erreichte Lieutenant Newbold, der Malcolm Ainslie und Dan Zagaki einzeln befragte, wobei ein Tonbandgerat mitlief.

Ainslie, der Zagakis Verhalten scharf verurteilte, machte sich weiter Vorwurfe, weil er seine ursprungliche Meinung uber den jungen Kriminalbeamten geandert hatte. »Ich habe einen Fehler gemacht«, erklarte er Newbold. »Die Verantwortung liegt bei mir, und ich ubernehme sie. Ausreden gibt's dafur keine.«

Zagaki dagegen bemuhte sich, sein Verhalten wortreich zu rechtfertigen; er beschuldigte Ainslie sogar, ihm keine klaren Anweisungen erteilt zu haben - eine Behauptung, die Lieutenant Newbold ihm nicht glaubte, wie er in seinem Abschlu?bericht festhielt.

Seinen Bericht und die Tonbandaufzeichnungen ubergab Newbold Major Manolo Yanes, dem Leiter des Referats Verbrechen gegen Personen, der sie nach oben an Major Figueras weiterleitete. Einige Tage spater wurden die Entscheidungen intern bekanntgegeben.

Detective Dan Zagaki sollte wegen »Pflichtversaumnis« einen Verweis erhalten, mit dem Abzug von sechzig Stundenlohnen bestraft und zur uniformierten Polizei zuruckversetzt werden. »Am liebsten hatte ich den Hundesohn ganz rausgeschmissen«, vertraute Figueras Yanes an. »Aber Pflichtversaumnis gehort leider nicht zu den Dienstvergehen, die automatisch zur Entlassung fuhren.«

Sergeant Malcolm Ainslie sollte wegen »fehlerhaften Ermessens« einen Verweis erhalten. Ainslie akzeptierte das als gebuhrende Strafe, obwohl der Verweis seine Personalakte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst verunzieren wurde.

Lieutenant Newbold war jedoch anderer Meinung.

Er ging zu Major Yanes und bat um ein sofortiges Gesprach mit Yanes und Figueras.

Yanes sah von seinem Schreibtisch auf. »Das klingt ziemlich formlich, Leo.«

»Das ist formlich, Sir.«

»Thema?«

»Sergeant Ainslie.«

Yanes musterte ihn neugierig. Dann griff er nach dem Telefonhorer, sprach mit Figueras und nickte Newbold zu. »Okay, wir sollen gleich ruberkommen.«

Die beiden gingen schweigend den Korridor entlang und wurden in Major Figueras' Dienstzimmer gefuhrt.

»Ich bin beschaftigt, Lieutenant«, sagte Figueras scharf. »Fassen Sie sich also bitte kurz.«

»Ich mochte Sie bitten, Sir, sich die Sache mit dem Sergeant Ainslie erteilten Verweis noch mal zu uberlegen.«

»Hat Ainslie Sie gebeten, sich fur ihn einzusetzen?«

»Nein, Sir. Er wei? nicht, da? ich hier bin.«

»Ich sehe keinen Grund, meine Entscheidung zu revidieren.

Ainslie hat einen Fehler gemacht.«

»Das wei? er selbst am besten.«

»Warum zum Teufel sind Sie dann hier?«

»Weil Sergeant Ainslie zu unseren besten Beamten gehort, Major. Seine Fuhrung ist vorbildlich, seine Aufklarungsquote hervorragend. Aber das wissen Sie bestimmt selbst. Major Yanes wei? es auch. Und...« Newbold zogerte.

»Los, reden Sie schon weiter!« knurrte Figueras.

Der Lieutenant erwiderte seinen Blick. »Wie praktisch jeder im PD wei?, ist Ainslie in letzter Zeit verdammt unfair behandelt worden. Wir sind ihm was schuldig, glaube ich.«

Danach folgte eine Pause, wahrend Figueras und Yanes einen Blick wechselten. Beide wu?ten genau, was Newbold meinte. Dann sagte Yanes ruhig: »Ich stimme dem Lieutenant zu, Sir.«

Figueras starrte Newbold an. »Was wollen Sie?«

»Einen Neunzigtageverweis«, antwortete der Lieutenant.

Figueras zogerte, dann sagte er: »Einverstanden. Und jetzt raus mit Ihnen!«

Newbold machte, da? er hinauskam.

Ainslie wurde jetzt einen Verweis erhalten, der fur neunzig Tage in seiner Personalakte blieb, um danach fur immer zu verschwinden.

In den folgenden Wochen und Monaten gehorten Elroy Doil und seine mutma?lichen Verbrechen nicht mehr zu den dringendsten Angelegenheiten der Mordkommission oder den Themen, die das Interesse der Offentlichkeit erregten. Wahrend des Verfahrens gegen ihn richtete sich die Aufmerksamkeit noch einmal auf diesen Fall, als Sergeant Ainslie, Dr. Sanchez, Ivan Tempone und andere als Zeugen aussagten, bevor die Geschworenen ihn schuldig sprachen und Richter Olivadotti das Todesurteil verkundete. Einige Monate spater wurde gerade noch zur Kenntnis genommen, da? Doils automatisch eingelegte Berufung verworfen worden war. Danach kam die Meldung, da? Doil selbst auf weitere Einspruchsmoglichkeiten verzichtet habe, und das Hinrichtungsdatum wurde festgesetzt.

Dann geriet Doil erneut fast in Vergessenheit - bis zu dem Abend, an dem Sergeant Malcolm Ainslie von Pater Ray Uxbridge aus dem Florida-State-Gefangnis angerufen wurde.

Seine Nachricht war verwirrend. Elroy Doil, der in nunmehr acht Stunden auf den elektrischen Stuhl kommen wurde, wollte vor seinem Tod noch einmal mit Malcolm Ainslie sprechen.

DRITTER TEIL

1

In dem karg moblierten, fensterlosen Raum, in den Elroy Doil gebracht worden war, kehrten Malcolm Ainslies Gedanken jetzt aus der Vergangenheit zu der bleichen, ausgezehrten Gestalt zuruck, die auf einem festgeschraubten Metallstuhl vor ihm sa?, eine Fu?kette und an einem Ledergurt befestigte Handschellen trug und von Gefangniswartern bewacht wurde. Dieser Mann unterschied sich so auffallig von dem kraftigen und aggressiven Doil von fruher, da? Ainslie kaum glauben konnte, da? dies wirklich der Todeskandidat war. Aber Doils Benehmen zerstreute rasch alle Zweifel.

In dem Buro herrschte Stille, seit Pater Ray Uxbridge den Raum nach Doils erregter Forderung »Schafft dieses Arschloch hier raus!« unter Protest verlassen hatte.

Und Lieutenant Hambricks vernunftiger Ratschlag - Wollen Sie alles horen, sollten Sie ihn reden lassen, wie er will - schien noch in der Luft zu hangen.

»Wann Sie zum letztenmal gebeichtet haben«, sagte Ainslie zu Doil, »spielt jetzt keine Rolle.«

Doil nickte, dann wartete er schweigend. Ainslie, der nur allzugut wu?te, worauf er wartete, rezitierte widerstrebend und mit dem peinlichen Gefuhl, ein Hochstapler zu sein: »Moge der Herr in deinem Herzen und auf deinen Lippen sein, damit du deine Sunden aufrichtig bekennen kannst.«

Doil begann sofort: »Ich hab' ein paar Leute umgebracht, Pater.«

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