verbranntem Fleisch verhindern, uber den fruher viele Zeugen geklagt hatten. In den meisten Fallen erfullte der nasse Naturschwamm seinen Zweck; gelegentlich aber auch nicht.
Der braune Lederhelm wurde uber Doils Kopf gestulpt und befestigt. Ein vorn angebrachter schwarzer Lederstreifen diente als Maske, so da? Doils Gesicht nun verborgen war.
Ainslie nahm ein kollektives erleichtertes Aufseufzen der Zeugen um ihn herum wahr. War das Zusehen jetzt leichter, fragte er sich, seit der Verurteilte in gewisser Weise anonym geworden war?
Nicht anonym war er jedoch fur Cynthia Ernst auf dem Platz neben Ainslie. Sie hielt Patrick Jensens Hand so fest umklammert, da? ihre Fingerknochel wei? hervortraten. Sie mu? Doil erbittert hassen, sagte er sich; in gewisser Weise konnte er verstehen, da? sie hergekommen war, obwohl er bezweifelte, da? das Schauspiel von Doils Tod ihren Schmerz lindern wurde. Und sollte er ihr sagen, fragte er sich, da? Doil zwar vierzehn Morde gestanden, aber geleugnet hatte, Gustav und Eleanor Ernst umgebracht zu haben - eine Aussage, die Ainslie selbst fur moglicherweise wahr hielt? Vielleicht war er Cynthia als ehemaliger Kollegin und Polizeibeamtin diese Mitteilung schuldig. Er wu?te es nicht.
In der Hinrichtungskammer mu?ten jetzt nur noch zwei dicke Stromkabel angeschlossen werden: das eine an den Lederhelm mit der Kontaktplatte, das andere an die bleigefutterte Erdungsmanschette an Doils rechtem Bein. Beide wurden rasch angebracht und mit schweren Flugelmuttern gesichert.
Danach traten die Gefangniswarter und der Elektriker sofort von dem Stuhl zuruck, wobei sie darauf achteten, dem Gefangnisdirektor nicht die Sicht zu versperren.
Im Zeugenraum machten sich die Journalisten handschriftliche Notizen. Eine Zeugin war bla? geworden und bedeckte ihren Mund mit einer Hand, als musse sie sich gleich ubergeben. Ein Mann schuttelte sichtlich deprimiert und angewidert den Kopf. Ainslie, der genau wu?te, wie begehrt die wenigen Platze im Zeugenraum waren, fragte sich, aus welchen Motiven sich Menschen danach drangten, an einer Hinrichtung teilzunehmen. Vermutlich lag das an der universellen Faszination des Todes in allen seinen Formen.
Ainslie konzentrierte sich wieder auf den Gefangnisdirektor, der den Vollstreckungsbefehl zusammengerollt hatte und ihn jetzt wie einen Taktstock in der rechten Hand hielt. Er sah zur Exekutionskabine hinuber, hinter deren Sehschlitz ein Augenpaar sichtbar war. Nach einem Blick auf die Wanduhr senkte der Direktor die Papierrolle und nickte dabei.
Das Augenpaar verschwand. Sekunden spater hallte ein dumpfer Schlag durch die Hinrichtungskammer, als der rote Todesschalter umgelegt wurde und schwere Relais ansprechen lie?. Obwohl die Mikrofone und Lautsprecher ausgeschaltet blieben, war dieser dumpfe Schlag in der Zeugenkammer deutlich zu horen. Gleichzeitig wurden alle Lichter dunkler.
Trotz der straff anliegenden Ledergurte zuckte Doil, als zweitausend Volt Spannung durch seinen Korper jagten. Dieser Vorgang, bei dem die Spannung auf funfhundert Volt abfiel, um dann wieder auf zweitausend Volt anzusteigen, wiederholte sich insgesamt achtmal, solange der automatische Zweiminutenzyklus lief. Bei manchen Hinrichtungen gab der Direktor dem Exekutor ein Zeichen, den Totungszyklus vorzeitig abzubrechen, wenn er glaubte, der erste Stromsto? habe bereits den Tod herbeigefuhrt. Diesmal lie? er ihn jedoch ganz ablaufen, und Ainslie roch plotzlich den widerlichen Gestank von verbranntem Fleisch, der trotz der Klimaanlage in den Zeugenraum drang. Um ihn herum verzogen einige Leute angewidert das Gesicht.
Als der Hingerichtete zur Untersuchung freigegeben wurde, trat der Arzt an den elektrischen Stuhl, knopfte Doils Hemd auf, setzte ihm sein Stethoskop auf die Brust, um festzustellen, ob das Herz noch schlug. Nach etwa einer Minute nickte er dem Gefangnisdirektor zu. Elroy Doil war tot.
Der Rest war Routine. Elektrokabel, Gurte und andere Befestigungsmittel wurden rasch gelost. Der losgebundene Leichnam sackte nach vorn in die Arme der bereitstehenden Gefangniswarter, die ihn sofort in einen Leichensack aus schwarzem Gummi legten. Der Rei?verschlu? des Sacks wurde so schnell zugezogen, da? vom Zeugenraum aus nicht zu erkennen war, ob die Leiche Brandspuren aufwies. Dann verschwanden die sterblichen Uberreste Elroy Doils auf einer fahrbaren Krankentrage durch dieselbe Tur, durch die er vor wenigen Minuten noch lebend hereingekommen war.
Unterdessen hatten sich die meisten Zeugen erhoben, um zu gehen. Ainslie wandte sich rasch an Cynthia und sagte halblaut: »Commissioner, ich fuhle mich verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, da? ich kurz vor seiner Hinrichtung mit Doil uber Ihre Eltern gesprochen habe. Er hat behauptet...«
Sie drehte sich sofort mit ausdrucksloser Miene zu ihm um. »Bitte, davon mochte ich nichts horen. Ich bin hergekommen, um ihn leiden zu sehen. Ich hoffe, da? er einen schweren Tod gehabt hat.«
»Den hat er gehabt«, bestatigte Ainslie.
»Dann bin ich zufrieden, Sergeant.«
»Ich verstehe, Commissioner.«
Aber was hast du verstanden? Das fragte Ainslie sich, als er den anderen aus dem Zeugenraum folgte.
Im Korridor, auf dem die Zeugen beisammenstanden und darauf warteten, aus dem Gefangnis geleitet zu werden, verlie? Jensen die Gruppe und trat auf Ainslie zu.
»Ich wollte mich Ihnen nur mal vorstellen. Ich bin... «
»Ich wei?, wer Sie sind«, wehrte Ainslie kuhl ab. »Ich habe mich gefragt, was Sie hergefuhrt haben mag.«
Der Schriftsteller lachelte. »In meinem neuen Roman kommt eine Hinrichtung vor, deshalb wollte ich selbst eine erleben. Commissioner Ernst hat mir einen Platz besorgt.«
In diesem Augenblick tauchte Lieutenant Hambrick auf. »Sie brauchen nicht hier zu warten«, erklarte er Ainslie. »Kommen Sie, wir holen Ihre Dienstwaffe ab, und ich bringe Sie zu Ihrem Wagen zuruck.« Ainslie nickte Jensen fluchtig zu und ging.
»Ich hab' gesehen, wie alle Lichter dunkler geworden sind«, sagte Jorge, »und mir gedacht, da? Animal jetzt wohl seine Ladung abkriegt.«
»Stimmt«, bestatigte Ainslie einsilbig.
Das waren die ersten Worte, die sie wechselten, seit sie vor zehn Minuten das Gefangnis verlassen hatten. Jorge fuhr den blauwei?en Streifenwagen der Miami Police und lotste sie durch die Ausfahrtskontrollen beim Verlassen des Gefangnisses. Drau?en kamen sie an den unvermeidlichen Demonstranten vorbei; einige wenige hielten noch immer brennende Kerzen in den Handen, aber die meisten verliefen sich bereits. Ainslie hatte bisher geschwiegen.
Das erbarmungslose Verfahren, durch das Doil zu Tode gekommen war, hatte ihn ziemlich mitgenommen. Andererseits war nicht zu leugnen, da? Doil eine gerechte Strafe erhalten hatte, da er, obwohl das nur Ainslie wu?te, nicht nur die beiden Morde verubt hatte, fur die er zum Tode verurteilt worden war, sondern mindestens zwolf weitere.
Ainslies Hand beruhrte seine Jackentasche, in die er die Kassette mit Doils Gestandnis gesteckt hatte. Ob und wann die Tonbandinformationen freigegeben wurden, falls dies uberhaupt der Fall war, mu?ten andere entscheiden. Ainslie wurde seine Kassette Lieutenant Newbold ubergeben; Police Department und Staatsanwaltschaft wurden dann gemeinsam entscheiden, was mit ihr geschehen sollte.
»Ist Animal eigentlich...«, begann Jorge.
Ainslie unterbrach ihn. »Ich wei? nicht, ob wir ihn weiter Animal nennen sollten. Tiere toten nur aus Notwendigkeit. Doil hat aus...« Er machte eine Pause.
Schulterzuckend sagte er: »Aus Grunden, die wir nie erfahren werden.«
Jorge sah zu ihm heruber. »Haben Sie etwas rausgekriegt, Sergeant? Irgendwas, das Sie mir erzahlen konnen?«
Ainslie schuttelte den Kopf. »Ich mu? erst mit dem Lieutenant sprechen.«
Er sah auf die Uhr am Armaturenbrett: 7.50 Uhr. Leo Newbold war vermutlich noch zu Hause. Ainslie griff nach dem Mobiltelefon und tippte die Nummer ein. Newbold meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
»Ich hab' mir gedacht, da? Sie's sind«, sagte er im nachsten Augenblick. »Jetzt ist wohl alles vorbei, was?«
»Nun, Doil ist tot. Aber ich bezweifle sehr, da? damit alles vorbei ist.«
»Hat er eine Aussage gemacht?«
»Sie hat bestatigt, da? seine Hinrichtung gerechtfertigt war.«
»Das haben wir schon immer gewu?t, aber diese Bestatigung erleichtert einen doch. Er hat also ein