stiegen, warfen die Krypto-Ricans, eine Bande aus dem benachbarten Reading, begehrliche Blicke auf dieses Gebiet. Eines Tages beschlossen sie, es selbst zu ubernehmen
An diesem Nachmittag verlie?en Gregory und Russell fruhzeitig die Schule und machten sich auf den Weg in ein heruntergekommenes Stadtviertel. Gregory, der schon mehrmals dort gewesen war, wu?te genau, wohin sie zu gehen hatten.
Am Eingang eines leerstehenden Hauses vertrat ein stammiger Wei?er mit kahlrasiertem Schadel ihm den Weg. »Hey, wohin willst du, Mann?«
»Hast du vier Beutel Gras?«
»Wenn du's Grun dafur hast, Mann.«
Gregory hielt einen Zwanzigdollarschein hoch, den der andere ihm aus der Hand ri?, um ihn auf den dicken Packen Geldscheine zu legen, den er kurz aus der Hosentasche holte. Ein zweiter Mann reichte uber seine Schulter hinweg vier Nickel Bags nach vorn, die Gregory unter sein Hemd stopfte.
Im selben Augenblick fuhr drau?en ein Wagen vor, und drei Mitglieder der Krypto-Ricans sprangen mit schu?bereiten Revolvern heraus. Die Skin Heads sahen die anderen kommen und griffen ebenfalls nach ihren Waffen. Als Gregory und Russell auf die Stra?e fluchteten, begann eine wilde Schie?erei.
Beide liefe n weiter, bis Russell merkte, da? Gregory nicht mehr neben ihm war. Er sah sich um. Gregory lag auf der Fahrbahn. Aber die Schie?erei hatte aufgehort, und die Mitglieder beider Banden verdruckten sich. Wenig spater wurden Polizei und Notarzt alarmiert. Der Notarzt traf zuerst ein und stellte fest, da? Gregory tot war - nach einem Treffer in die linke Ruckenseite verblutet.
Durch Zufall traf Detective Kermit Sheldon, der in der Nahe unterwegs gewesen war und die Funkmeldung des Dispatchers gehort hatte, als erster Polizeibeamter am Tatort ein. Er nahm seinen Sohn beiseite und sagte streng: »Schnell, erzahl mir alles. Und ich meine
Russell, der einen Schock erlitten hatte, gehorchte weinend und fugte hinzu: »Dad, das gibt Gregs Mutter den Rest - nicht nur sein Tod, sondern das Marihuana. Sie hat nichts davon gewu?t.«
»Wo ist der Stoff, den ihr gekauft habt?« fragte sein Vater scharf.
»Den hat Greg unter sein Hemd gesteckt.«
»Hast du auch welchen?«
»Nein.«
Kermit Sheldon setzte Russell in seinen Dienstwagen, dann ging er zu Gregory. Die Sanitater hatten den Toten mit einem Laken zugedeckt. Die uniformierte Polizei war noch nicht da. Detective Sheldon sah sich um, hob das Laken hoch, griff unter Gregorys Hemd und ertastete die Plastikbeutel. Er holte sie heraus und steckte sie ein. Spater wurde er sie auf der Toilette hinunterspulen.
Im Auto erteilte er Russell genaue Anweisungen. »Hor mir gut zu! Du erzahlst folgende Geschichte: Ihr beide seid hier vorbeigegangen, als plotzlich Schusse gefallen sind und ihr wegzulaufen versucht habt. Hast du jemanden gesehen, der geschossen hat, beschreibst du ihn. Aber kein Wort mehr! Bleib bei dieser Darstellung, ohne sie abzuandern. Spater«, fugte Russells Vater hinzu, »setzen wir beide uns zu einem ernsten Gesprach zusammen, das dir keinen Spa? machen wird.«
Da Russell sich an diese Anweisungen hielt, wurde Gregory Ainslie von Polizei und Presse als unschuldiges Opfer einer Schie?erei zwischen zwei auswartigen Banden geschildert. Einige Monate nach Gregorys Tod konnte nachgewiesen werden, da? die todliche Kugel aus der Waffe Manny »Mad Dog« Menendez', einem Mitglied der Krypto-Ricans, stammte. Aber zu diesem Zeitpunkt war Menendez nach einer weiteren Schie?erei - diesmal mit der Polizei - ebenfalls tot.
Russell Sheldon ruhrte Marihuana nie wieder an, was verstandlich war. Er vertraute sich jedoch Malcolm an, der die Wahrheit schon geahnt hatte. Dieses gemeinsame Geheimnis, aber auch ihre Trauer und die Vorwurfe, die beide sich machten, festigte ihre Freundschaft, die dann uber Jahre hinweg dauerte.
Victoria Ainslie litt schrecklich unter Gregorys Tod. Aber die von Detective Sheldon erfundene Geschichte lie? ihr die trostliche Gewi?heit, Gregory sei unschuldig gewesen, und ihr starker Glaube trostete sie. »Er ist ein so wundervoller Junge gewesen, da? Gott ihn bei sich haben wollte«, erklarte sie Freunden. »Wer bin ich, da? ich Gottes Entscheidung in Frage stellen konnte?«
Malcolm imponierte, was Russells Vater riskiert hatte, um das Andenken Gregorys bei seiner Mutter reinzuhalten. Zuvor war ihm nie bewu?t gewesen, da? Polizeibeamte nicht nur Gesetzeshuter waren, sondern auch Menschenschicksale wohltuend beeinflussen konnten.
Kurz nach Gregorys Beerdigung fragte Victoria ihren Sohn: »Ob Gott wohl gewu?t hat, da? Gregory Priester werden wollte? Vielleicht hatte er ihn dann nicht zu sich genommen.«
Malcolm nahm ihre Hande. »Mom, vielleicht hat Gott gewu?t, da? ich Gregory nachfolgen wurde.«
Als Victoria uberrascht aufsah, nickte Malcolm. »Russell und ich haben beschlossen, ins St. Vladimir Seminary zu gehen. Wir haben lange daruber diskutiert. Ich werde Gregorys Platz einnehmen.«
Und so geschah es.
Das Priesterseminar in Philadelphia, in dem Malcolm Ainslie und Russell Sheldon die folgenden sieben Jahre verbrachten, war ein alter, aber renovierter Bau aus der Zeit um die Jahrhundertwende, der heitere Gelassenheit und Gelehrsamkeit ausstrahlte - eine Atmosphare, in der die beiden jungen Manner sich sofort heimisch fuhlten.
Malcolms Entschlu?, die Priesterweihe anzustreben, bedeutete nie ein Opfer fur ihn. Als er ihn fa?te, war er zufrieden und ausgeglichen. Malcolm glaubte an Gott, die Gottlichkeit Jesu und die katholische Kirche, die Ordnung und Disziplin in diese anderen Uberzeugungen brachte - in dieser Reihenfolge. Erst viele Jahre spater sollte er feststellen, da? von einem geweihten Priester erwartet wurde, da? er diese Reihenfolge subtil veranderte, bis man mit Matthaus 19,30 sprechen konnte: »Aber viele, die da sind die Ersten, werden die Letzten, und die Letzten werden die Ersten sein.«
Die Seminarausbildung, deren Schwerpunkte Philosophie und Theologie waren, entsprach einem Collegestudium, an das sich ein dreijahriges Theologiestudium anschlo?, das zur Promotion fuhrte. Nachdem die Patres Malcolm Ainslie und Russell Sheldon ihre Ausbildung mit funfundzwanzig beziehungsweise sechsundzwanzig Jahren abgeschlossen hatten, bekamen sie die ersten Vikarstellen zugewiesen - Malcolm in der St. Augustus Church in Pottstown, Pennsylvania, und Russell in der St. Peter's Catholic Church in Reading. Die beiden Pfarreien gehorten zur selben Erzdiozese und lagen nur drei?ig Kilometer auseinander. »Wir besuchen uns sicher standig«, sagte Malcolm unbekummert, und Russell stimmte ihm zu. Aber wegen der Arbeitsuberlastung aller katholischen Geistlichen, die weltweit zunahm, trafen sie sich nur selten und hatten es immer eilig, wieder wegzukommen. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem eine Art Naturkatastrophe sie nach einigen Jahren erneut eng zusammenbrachte.
»Und das«, erklarte Ainslie Jorge, »ist so ziemlich die ganze Geschichte, wie ich Priester geworden bin.«
Vor einigen Minuten war der blauwei?e Streifenwagen aus Miami durch Jacksonville gerollt. Jetzt lag der Flughafen direkt vor ihnen.
»Aber wie kommt's, da? Sie die Kirche verlassen haben und ein Cop geworden sind?« fragte Jorge.
»Das ist nicht kompliziert«, antwortete Ainslie. »Ich habe meinen Glauben verloren.«
»Aber wie haben Sie ihn verloren?« fa?te Jorge nach.
Ainslie lachte. »Das
»Ich glaube kein Wort davon«, sagte Leo Newbold. »Der Hundesohn hat sich vermutlich fur besonders schlau gehalten, wenn er einen falschen Hinweis hinterla?t, an dem wir uns die Zahne ausbei?en.«
Das war die Reaktio n des Lieutenant, als Malcolm Ainslie ihm an einem Kartentelefon auf dem Jacksonville Airport stehend berichtete, Elroy Doil habe zwar sieben Doppelmorde gestanden, aber den Mord an Commissioner Gustav Ernst und seiner Frau Eleanor strikt geleugnet.
»Die Beweislast gegen Doil ist erdruckend«, fuhr Newbold fort. »Im Mordfall Ernst hat praktisch alles mit den fruheren Morden ubereingestimmt, und weil wir viele Informationen zuruckgehalten haben, ware au?er Doil niemand imstande gewesen, eine in seine Serie passende Tat zu veruben. Okay, ich wei?, da? Sie gewisse Zweifel hegen, Malcolm, und respektiere sie, aber diesmal tauschen Sie sich, glaube ich.«
Ainslie gab sich nicht so rasch geschlagen. »Das verdammte Kaninchen, das der oder die Tater neben den Ernsts zuruckgelassen haben, hat mich von Anfang an gestort. Es hat nicht zu den ubrigen Hinweisen auf die