Ainslie beugte sich nach vorn. »Welche Leute? Wie viele?«

»Vierzehn sind's gewesen.«

Ainslie fuhlte instinktiv eine Woge der Erleichterung in sich aufsteigen. Die eben gemachte Aussage wurde die kleine, aber lautstarke Gruppe, die weiter behauptete, Doil sei unschuldig verurteilt worden, zum Schweigen bringen. Ainslie sah zu Hambrick hinuber, der als Zeuge aussagen konnte, und dachte auch an sein verstecktes Tonbandgerat, das langst mitlief.

Die Mordkommission in Miami, die wegen vier Doppelmorden ermittelt und mit ihren Kollegen in Clearwater und Fort Lauderdale zusammengearbeitet hatte, um zwei weitere aufzuklaren, konnte sich in ihrer Einschatzung bestatigt fuhlen. Dann fiel Ainslie etwas ein. »Wen haben Sie zuerst umgebracht?«

»Die Ikeis - zwei Japse in Tampa.«

»Wen?« fragte Ainslie erstaunt. Diesen Namen hatte er noch nie gehort.

»Zwei alte Furzer, Ikei.« Unverstandlicherweise kicherte Doil, als er diesen Namen buchstabierte.

»Sie haben sie umgebracht? Wann?«

»Wei? ich nicht mehr... Oh, ungefahr ein bis zwei Monate, bevor ich die Spics im Wohnwagen abgemurkst hab'.«

»Die Esperanzas?«

»Yeah, die.«

Als Doil vierzehn Morde gestanden hatte, war Ainslie davon ausgegangen, zu diesen Opfern gehorten auch Clarence und Florentina Esperanza, die vor siebzehn Jahren im Happy Haven Trailer Park in West Dade ermordet worden waren. Obwohl spatere Ermittlungen seine mittlerweile eingestandene Schuld bewiesen hatten, war Doil als Jugendlicher nicht wegen dieser Tat angeklagt worden.

Rechnete man die Ikeis jedoch dazu - ein Verbrechen, von dem die Mordkommission in Miami nach Ainslies Informationen nie gehort hatte -, stimmte etwas mit den Zahlen nicht.

Ainslies Verstand arbeitete auf Hochtouren. Wurde Doil besonders jetzt, wo er den Tod vor Augen hatte, einen Mord gestehen, den er nicht verubt hatte? Unvorstellbar. Hatte er jedoch die Ikeis ermordet und behauptete, vierzehn Opfer auf dem Gewissen zu haben, blieben zwei Morde ungeklart.

Aber alle - Polizei, Staatsanwaltschaft, Medien, Offentlichkeit - waren der Uberzeugung, Doil habe vierzehn Morde begangen: an den Ehepaaren Esperanza, Frost, Larsen, Hennenfeld, Urbina, Ernst und Tempone.

War ein Doppelmord von einem anderen Tater verubt worden, wenn Doil die Wahrheit sagte? Aber welcher?

Ainslie dachte unweigerlich an seinen Sergeant Brewmaster gegenuber geau?erten instinktiven Verdacht, der Mord an den Ernsts sei vielleicht nicht das Werk des Serienmorders, nach dem sie fahndeten. Vorlaufig schob er diesen Gedanken jedoch beiseite; dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um personliche Theorien aufzustellen. Zuvor waren alle seine Kollegen anderer Meinung gewesen, und er hatte sich der Mehrheit gebeugt. Aber jetzt mu?te er's irgendwie schaffen - als Vertreter aller Standpunkte, auch seines eigenen -, Doil die Wahrheit zu entlocken.

Ainslie sah auf seine Uhr. So wenig Zeit! Weniger als eine halbe Stunde bis zu Doils Hinrichtung, und er wurde schon vorher abgeholt werden... Er gab sich einen Ruck und stahlte seine Stimme, um Doil unter Druck zu setzen, wobei er an Pater Kevin O'Briens Worte dachte: Elroy ist ein pathologischer Lugner gewesen. Er hat sogar ohne Zwang gelogen.

Ainslie hatte die Priesterrolle nie spielen wollen; jetzt wurde es Zeit, sie wieder aufzugeben: »Das mit den Ikeis und den Esperanzas ist doch lauter Schei?!« sagte er verachtlich. »Warum sollte ich Ihnen das glauben? Wo sind die Beweise?«

Doil uberlegte kurz. »Im Wohnwagen der Esperanzas mu? ich 'ne goldene Geldscheinklammer verloren haben. Mit den eingravierten Buchstaben >HB<. Die hab' ich bei 'nem Raububerfall erbeutet - ein paar Monate, bevor ich die Schlitzaugen umgelegt hab'. Da? ich sie verloren hatte, hab' ich erst spater gemerkt.«

»Und die Leute in Tampa? Welchen Beweis gibt's da?«

Doil verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, die ein Grinsen sein sollte. »Gleich neben dem Haus der Ikeis liegt ein Friedhof.

Ich hab' das Messer loswerden wollen, hab's in einem Grab verbuddelt. Wissen Sie, was auf dem Grabstein gestanden hat? Derselbe Familienname wie meiner! Ich hab' ihn gesehen und gewu?t, da? ich mich daran erinnern wurde, wenn ich das Schei?messer mal zuruckhaben wollte. Aber ich hab's mir nie mehr geholt.«

»Sie haben das Messer in einem Grab versteckt? Tief vergraben?«

»Nein, nicht tief.«

»Warum haben Sie immer alte Leute umgebracht?«

»Die haben's lange gut gehabt, sind voller Sunde gewesen, Pater. Ich hab's fur Gott getan. Aber ich hab' sie immer erst beobachtet. Lauter reiche Bonzen.«

Ainslie au?erte sich nicht dazu. Diese Antworten waren so verstandlich - oder unverstandlich - wie alle sonstigen wirren Gedankengange Doils. Aber sagte er wenigstens teilweise die Wahrheit? Vermutlich, aber Ainslie nahm ihm die Geschichte mit dem vergrabenen Messer nicht ab, und die Sache mit der Geldscheinklammer erschien ihm ebenfalls zweifelhaft. Und das Zahlenproblem war auch noch nicht gelost. Er sprach die einzelnen Falle an.

»Haben Sie Mr. und Mrs. Frost im Hotel Royal Colonial ermordet?«

Doil nickte mehrmals.

»Sie haben genickt. Wenn das ja hei?en soll, sagen Sie's bitte.«

Doil starrte Ainslie prufend an. »Sie haben ein Tonbandgerat unter der Jacke, stimmt's?«

»Ja«, bestatigte Ainslie, der sich daruber argerte, da? er sich verraten hatte.

»Spielt keine Rolle. Yeah, die beiden hab' ich auch umgelegt.«

Als das Tonbandgerat erwahnt wurde, sah Ainslie zu Lieutenant Hambrick hinuber, der mit den Schultern zuckte. Jetzt fuhr Ainslie fort.

»Ich mochte Sie nach weiteren Namen fragen.«

»Okay.«

Ainslie ging weiter die Liste durch - Larsen, Hennenfeld, Urbina. In allen Fallen gestand Doil die Morde. »Commissioner und Mrs. Ernst.«

»Nein, die beiden hab' ich nicht umgebracht. Darum wollte ich... «

»Augenblick!« unterbrach Ainslie ihn scharf. Er dachte an den moglichen gegenteiligen Standpunkt, den er ebenfalls vertreten mu?te, und fuhr fort: »Elroy, angesichts dessen, was bald passieren wird, mussen Sie mir die Wahrheit sagen. Die Ernsts sind wie die anderen umgebracht worden - genau wie alle anderen Ehepaare. Und Sie haben sich in Bay Point, wo sie gewohnt haben, ausgekannt. Sie haben dort Waren ausgeliefert; Sie haben das Sicherheitssystem gekannt und gewu?t, wie man dort reinkommt. Und am Tag nach dem Doppelmord haben Sie Ihren Job bei Suarez Motors aufgegeben und sind nicht einmal mehr zuruckgekommen, um sich Ihren Lohnscheck zu holen.«

Doil war sichtbar erregt. »Ich hab' von diesen Morden gehort, hab' sie im Schei?fernsehen gesehen und mir ausgerechnet, da? man sie mir wegen der anderen in die Schuhe schieben wurde.

Aber ich bin's nicht gewesen. Ich schwor's Ihnen, Pater! Dafur will ich Vergebung. Ich bin's nicht gewesen!«

Ainslie lie? nicht locker. »Oder sagen Sie das, weil die Ernsts wichtige Leute gewesen sind, die... «

»Nein, nein, nein!« kreischte Doil mit hochrotem Kopf und sich uberschlagender Stimme. »Schei?e, das stimmt nicht! Ich hab' die anderen umgelegt, aber ich will mir nichts anhangen lassen, was ich nicht getan hab'!«

Luge oder Wahrheit? Dem au?eren Eindruck nach wirkte Doil uberzeugend, fand Ainslie. Aber er hatte ebensogut mit einem Geldstuck Kopf oder Zahl spielen konnen.

Er drangte weiter. »Gut, klaren wir etwas anderes. Gestehen Sie, das Ehepaar Tempone ermordet zu haben?«

»Yeah, yeah, das hab' ich getan.«

Trotz erdruckender Beweislast hatte Doil diese Tat vor Gericht hartnackig geleugnet.

»Alle diese Morde - diese vierzehn, die Sie zugeben -, bereuen Sie die?«

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