in solchen Angelegenheiten immer au?erst korrekt verhielt, bat er sie nie um eine Verabredung, wie viele andere es taten.

Aber als Sloane von Jessica selbst erfuhr, da? »Schlu? sei« mit Partridge, lud er sie sofort zum Essen ein. Sie nahm an, und die beiden trafen sich von da an haufiger. Zwei Wochen spater gestand er ihr, da? er sie aus der Ferne seit langem liebe und nun, da er sie naher kenne, geradezu anbete, und fragte sie schlie?lich, ob sie seine Frau werden wolle.

Jessica war uberrascht und bat um Bedenkzeit.

Ihre Gefuhle waren im Aufruhr. Die Liebe zu Harry war leidenschaftlich gewesen. Nie hatte ein Mann sie so uberwaltigt wie er, sie glaubte auch nicht, da? es je wieder einem gelingen wurde. Und sie wu?te instinktiv, da? das, was sie mit Harry erlebt hatte, eine einzigartige Erfahrung gewesen war. Sie liebte ihn immer noch, auch das wu?te sie sehr genau. Sie sehnte sich noch immer verzweifelt nach ihm; wurde er jetzt zuruckkommen und sie bitten, seine Frau zu werden, wurde sie hochstwahrscheinlich ja sagen. Aber es war offensichtlich, da? Harry sie nicht darum bat. Er hatte sie versto?en, und Wut und Enttauschung nagten noch an ihr. Ein Teil ihrer selbst wollte... es ihm einfach zeigen! So!

Und da war nun Crawf. Jessica mochte Crawford Sloane... Nein! Mehr als das!... Sie empfand eine tiefe Zuneigung fur ihn. Er war sanft und freundlich, liebevoll und interessant. Und Crawf war solide. Sie mu?te sich eingestehen, da? er eine Stabilitat besa?, die Harry, so aufregend er auch war, manchmal abging. Doch welche Liebe war fur ein ganzes Leben, denn so sah Jessica die Ehe, wichtiger - die mit mehr Aufregung oder die mit mehr Stabilitat? Sie wunschte sich, eine eindeutige Antwort auf diese Frage zu wissen.

Jessica hatte sich noch eine andere Frage stellen konnen, doch sie tat es nicht: Warum uberhaupt eine Entscheidung treffen? Warum nicht warten? Sie war doch noch so jung...

Ohne sich dessen bewu?t zu sein, wurde ihr Denken, wie das aller anderen, vom Leben in Vietnam beeinflu?t. Der Krieg war allgegenwartig wie die Luft, die sie atmeten. Man hatte das Gefuhl, die Zeit sei komprimiert und tempogeladen, als wurden Uhren und Kalender schneller laufen. Jeder Tag des Lebens schien wie ein Sturzbach aus den geoffneten Schleusen eines Dammes hervorzubrechen. Wer von ihnen wu?te denn, wie viele Tage ihm noch blieben? Wer von ihnen wurde je zu einem normalen Lebensrhythmus zuruckfinden?

In keinem Krieg in der Geschichte der Menschheit war es je anders gewesen.

Sorgfaltig wagte Jessica beide Seiten ab. Am Tag darauf nahm sie Crawford Sloanes Antrag an.

Die Trauung wurde sofort vollzogen, von einem Militargeistlichen in der Amerikanischen Botschaft. Der Botschafter war bei der Zeremonie anwesend und gab danach einen Empfang in seinen Privatraumen.

Sloane war au?er sich vor Gluck. Jessica redete sich ein, da? sie es auch sei; sie hatte die feste Absicht, ihre Gefuhlsverfassung der seinen anzugleichen.

Partridge erfuhr von der Heirat erst nach seiner Ruckkehr nach Saigon. Tief traurig erkannte er nun, wieviel er verloren hatte. Als er Jessica und Sloane besuchte, um ihnen zu gratulieren, bemuhte er sich, seinen Schmerz zu verbergen. Doch Jessica kannte ihn zu gut, um es nicht zu bemerken.

Auch wenn sie ahnliche Gefuhle wie Partridge haben mochte, behielt Jessica sie fur sich und versuchte, sie zu uberwinden. Sie sagte sich, da? sie eine Entscheidung getroffen hatte, und sie war entschlossen, Sloane eine gute Frau zu sein, was sie in den ganzen Jahren auch wirklich war. Wie in jeder normalen Ehe gab es Streitigkeiten und Zerwurfnisse, doch die heilten wieder. Und nun waren es nur noch funf Jahre bis zur Silberhochzeit von Jessica und Crawford Sloane - so unglaublich das fur alle Beteiligten auch schien.

6

Crawford Sloane am Steuer seines Buick Somerset war bereits auf halbem Weg nach Hause. Die Triboro Bridge lag hinter ihm, er fuhr nun auf dem Bruckner Expressway und wurde bald auf den Interstate 95 abbiegen, den sogenannten New England Thruway, auf dem er Larchmont erreichte.

Der Ford Tempo, der ihn seit dem Verlassen der Zentrale von CBA News verfolgte, war noch immer hinter ihm.

Es war nicht uberraschend, da? Sloane das andere Auto nie bemerkt hatte, weder an diesem Abend noch an all den anderen in den letzten Wochen, in denen es ihn verfolgt hatte. Ein Grund dafur war, da? es sich bei dem Fahrer, einem jungen Kolumbianer mit dunnen Lippen und kalten Augen, der zur Zeit den Decknamen Carlos benutzte, um einen Beschattungsexperten handelte.

Carlos, der vor zwei Monaten mit einem gefalschten Pa? in die Vereinigten Staaten eingereist war, hielt diese heimliche Beobachtung nun schon seit fast vier Wochen aufrecht, zusammen mit sechs weiteren Kolumbianern, funf Mannern und einer Frau. Wie Carlos versteckten sich auch die anderen hinter fiktiven Vornamen, die bei den meisten ein kriminelles Vorleben verschleierten. Bis kurz vor Beginn ihrer gegenwartigen Aufgabe hatten sich die Mitglieder der Gruppe untereinander nicht gekannt. Und auch jetzt wu?te nur Miguel, ihr Anfuhrer, der an diesem Abend einige Meilen entfernt war, von ihren wahren Identitaten.

Der Ford Tempo war wahrend der kurzen Zeit seiner Benutzung zweimal umgespritzt worden. Er war auch nur eines von mehreren verfugbaren Fahrzeugen, denn die Gruppe wollte unauffallig bleiben.

Das Resultat dieser Uberwachung war eine prazise und detaillierte Studie der Gewohnheiten von Crawford Sloane und seiner Familie.

In dem schnellen Verkehr auf dem Expressway blieb Carlos immer drei Autos hinter Sloane zuruck, doch lie? er den Buick nie aus den Augen. Neben Carlos sa? ein zweiter Mann, der die einzelnen Etappen in ein Notizbuch eintrug. Er nannte sich Julio - ein dunkelhautiger, streitsuchtiger und immer schlechtgelaunter Typ mit einer ha?lichen Messernarbe in der linken Gesichtshalfte. Hinter ihm auf dem Rucksitz lag ein Funktelefon, einer von sechs Apparaten, die das versteckte provisorische Hauptquartier mit den einzelnen Fahrzeugen verbanden.

Beide, Carlos und Julio, waren skrupellose, trainierte Killer, und beide waren bewaffnet.

Nachdem Sloane wegen eines Auffahrunfalls auf der linken Fahrspur hatte abbremsen mussen, nahm er nun seine alte Geschwindigkeit und den Faden seiner Gedanken uber Vietnam, Jessica, Partridge und sich selbst wieder auf.

Trotz seines gro?en Erfolgs in und seit Vietnam, machte sich Sloane noch immer ein wenig Gedanken uber Partridge. Deshalb war er in Partridges Gegenwart auch stets leicht verlegen. Und insgeheim fragte er sich manchmal: Dachte Jessica je an Harry? Erinnerte sie sich noch an die intimen Augenblicke, die sie mit Harry erlebt haben mu?te?

Sloane hatte seiner Frau nie eine wirklich intime Frage nach der lange zuruckliegenden Beziehung zu Harry gestellt. Er hatte es oft tun konnen, auch gleich zu Beginn ihrer Ehe, und Jessica hatte, so wie sie nun einmal war, vermutlich in aller Offenheit darauf geantwortet. Doch solche Fragen pa?ten einfach nicht zu Sloanes Stil. Eigentlich, so uberlegte er, wollte er die Antworten gar nicht wissen. Aber eigenartigerweise gingen ihm diese Fragen, auch nach all den Jahren, hin und wieder durch den Kopf, und manchmal warfen sie auch neue Fragen auf: Lag Jessica noch etwas an Harry? Standen die beiden noch in Kontakt? War bei Jessica auch heute noch ein Rest von Bedauern vorhanden?

Und beruflich?... Schuld war kein Begriff, der fur Sloane in bezug auf sich selbst eine gro?e Rolle spielte, und doch wu?te er in einem versteckten Winkel seiner Seele, da? Partridge in Vietnam der bessere Journalist gewesen war, obwohl er, Sloane, den Ruhm eingeheimst und dazu noch Partridges Freundin geheiratet hatte. All diese Gedanken waren unlogisch, das wu?te er, eine unnotige Unsicherheit, und doch wurde er diese innere Beklommenheit nicht los.

Der Ford Tempo hatte seine Position verandert und fuhr nun einige Autos vor Sloane. Die Ausfahrt Larchmont war nur noch wenige Meilen entfernt, und Carlos und Juan, die inzwischen mit Sloanes Gewohnheiten vertraut waren, wu?ten, da? er dort den Thruway verlassen wurde. Es war ein alter Beschattungstrick, sich gelegentlich vor das Objekt zu setzen. Der Ford wurde nun als erster abbiegen, auf Sloane warten und dann wieder hinter ihm herfahren.

Als der Chefsprecher von CBA einige Minuten spater den Ortseingang von Larchmont erreichte, folgte ihm der Ford Tempo bereits wieder in unauffalligem Abstand und blieb in sicherer Entfernung vom Haus der Sloanes an der Park Avenue stehen.

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