Das Haus war, wie es sich fur ein Mann mit Sloanes Einkommen gehorte, gro? und imposant und bot einen herrlichen Blick auf den Long Island Sound. Unter dem grauen Schieferdach strahlte es in makellosem Wei?, umgeben von einem wohlgepflegten Garten mit einer kreisrunden Auffahrt. Zwei Kiefern bewachten den Eingang. Uber dem zweiflugeligen Portal hing eine gu?eiserne Laterne.

Mit einer Fernbedienung offnete Sloane die Tur der Dreiergarage, die sich hinter dem einfahrenden Wagen automatisch wieder schlo?.

Der Ford fuhr an und blieb in einer Seitenstra?e stehen. Die Beschattung ging weiter.

7

Sloane horte Stimmen und Gelachter, wahrend er durch den kurzen Gang von der Garage zum Haus ging. Sie verstummten, als er die Tur offnete und den mit Teppichboden ausgelegten Flur betrat, von dem fast alle Zimmer im Erdgescho? abgingen. Dann horte er Jessicas Stimme aus dem Wohnzimmer: »Bist du das, Crawf?«

Er antwortete auf die ubliche Weise. »Wenn nicht, bekommst du Arger.«

Sie reagierte mit einem melodiosen Lachen. »Willkommen, wer du auch bist. Ich bin gleich bei dir.«

Er horte das Klirren von Glasern, das Klicken von Eis, und er wu?te, da? Jessica Martinis mixte. Es war ihr allabendliches Begru?ungsritual, mit dem sie ihm half, sich von den Anstrengungen des Tages zu erholen.

»Hi, Dad!« rief Nicholas, der elfjahrige Sohn der Sloanes, vom Treppenabsatz herunter. Er war gro? fur sein Alter und sehr schmal. Seine intelligenten Augen strahlten, als er auf seinen Vater zulief und ihn umarmte.

Sloane erwiderte die Umarmung und strich dem Jungen uber die braunen Locken. Es war die Art von Begru?ung, die er gern hatte, und er mu?te Jessica dafur dankbar sein. Schon kurz nach Nickys Geburt hatte sie ihm beigebracht, da? man Zuneigung mit Beruhrungen ausdrucken sollte.

Am Beginn ihrer Ehe war es fur Sloane nicht einfach gewesen, seine Gefuhle offen zu zeigen. Er hielt sich in dieser Hinsicht immer sehr zuruck, lie? gewisse Dinge ungesagt, die der Partner dann nur vermuten konnte. Es war ein Teil seiner ihm eigenen Reserviertheit, doch Jessica wollte nichts davon wissen. Sie tat alles, um das zu uberwinden, und hatte, zuerst fur sich, dann fur Nicky, auch Erfolg.

Sloane wu?te noch, wie sie ihm gleich zu Beginn gesagt hatte: »Wenn man verheiratet ist, Darling, dann fallen die Schranken. Deshalb haben wir ja >den Bund geschlossen< erinnerst du dich noch an die Worte? Also werden wir uns fur den Rest unseres Lebens immer genau sagen, was wir fuhlen - und es manchmal auch zeigen.«

Der letzte Teil des Satzes war auf ihr Sexualleben bezogen, das fur Sloane auch noch lange nach ihrer Hochzeit Uberraschungen und Abenteuer bereithielt. Jessica besa? einige der unverblumten, illustrierten Sexhandbucher, die es im Osten im Uberflu? gab, und sie liebte es, zu experimentieren und neue Stellungen auszuprobieren. Hatte er beim ersten Mal noch leicht schockiert und zuruckhaltend reagiert, so uberwand er doch bald seine Scheu und geno? es schlie?lich auch, obwohl immer Jessica die Fuhrung ubernahm.

(Doch manchmal konnte er nicht umhin, sich zu fragen: Hatte sie diese Sexbucher schon, als sie noch mit Partridge zusammen war? Hatten sie sie benutzt? Doch Sloane hatte nie den Mut, sie zu fragen, vielleicht weil er sich vor einer positiven Antwort furchtete.)

Gegenuber anderen Leuten behielt er seine Reserviertheit bei. Sloane wu?te nicht mehr, wann er seinen Vater das letzte Mal in den Arm genommen hatte, obwohl er in letzter Zeit einige Male daran gedacht, sich dann aber immer zuruckgehalten hatte, weil er nicht wu?te, wie der alte Angus, so steif und streng wie er war, darauf reagieren wurde.

»Hallo, Darling!« Jessica stand in einem weichen, grunen Kleid, seiner Lieblingsfarbe, vor ihm. Sie umarmten sich herzlich und gingen dann ins Wohnzimmer. Nicky setzte sich, wie gewohnlich, eine Weile zu ihnen, doch er hatte bereits gegessen und wurde bald ins Bett gehen.

»Na, wie geht's der Musik?« fragte Sloane seinen Sohn.

»Prima, Dad. Ich ube gerade das Prelude Nr. 2 von Gershwin.«

»An das kann ich mich noch erinnern«, erwiderte sein Vater. »Das hat Gershwin doch geschrieben, als er noch sehr jung war?«

»Ja, mit achtundzwanzig.«

»Am Anfang geht es, glaube ich, dum-di-daa-dum-dii-da-da-de-dum-de-dum-de-dum-de-dum.« Nicky und Jessica lachten uber seine Gesangsversuche.

»Ich wei?, welchen Teil du meinst, und ich glaube, ich wei? auch, warum du dich daran erinnerst.« Nicky ging zum Flugel und sang dann in einem klaren, jungen Tenor zu seiner eigenen Begleitung:

»In the sky the bright stars glittered

On the bank the pale moon shone

And ffrom Aunt Dinah's quiltingparty

I was seeing Nellie home.«

Sloane legte die Stirn in Falten, wahrend er versuchte, sich zu erinnern. »Das hab' ich doch schon mal gehort. Ist das nicht ein altes Lied aus der Zeit des Burgerkriegs?«

Nicky strahlte. »Genau, Dad!«

»Ich glaube, jetzt verstehe ich«, sagte sein Vater. »Du meinst, da? einige Passagen an Gershwins Prelude Nr. 2 erinnern.«

Nicky schuttelte den Kopf. »Genau andersrum - das Lied war naturlich zuerst da. Aber niemand wei?, ob Gershwin es gekannt und verwendet hat, oder ob es nur Zufall war.«

»Und wir werden es auch nie erfahren.« Amusiert und beeindruckt von Nickys Wissen, rief Sloane: »Schon dumm!«

Weder er noch Jessica konnten sich noch genau erinnern, wann Nicky zum ersten Mal Interesse an Musik gezeigt hatte, aber er war auf jeden Fall noch sehr jung gewesen, und nun war die Musik Nickys Hauptbeschaftigung.

Nicky hatte eine Vorliebe fur das Klavier und erhielt Unterricht von einem ehemaligen Konzertpianisten, einem alten Osterreicher, der im nahen New Rochelle lebte. Erst vor einigen Wochen hatte der Lehrer mit seinem starken Akzent zu Jessica gesagt: »Ihr Sohn hat es in der Musik bereits zu einer Meisterschaft gebracht, die fur sein Alter ungewohnlich ist. Spater einmal wird er verschiedene Wege einschlagen konnen -als Konzertpianist oder Komponist, oder vielleicht als Wissenschaftler und Gelehrter. Aber noch viel wichtiger ist, da? die Musik mit Engelszungen der Freude zu Nicholas spricht. Sie ist ein Teil seiner Seele. Ich prophezeihe Ihnen, die Musik wird zum Mittelpunkt von Nicholas' Leben werden.«

Jessica sah auf die Uhr. »Nicky, es ist schon spat.«

»Ach Mom, nur noch ein bi?chen. Morgen haben wir doch schulfrei.«

»Du hast trotzdem einen anstrengenden Tag vor dir. Ich sage nein.«

Jessica war der Zuchtmeister der Familie, und so ging Nicky, nach herzlichen Gutenachtkussen, auf sein Zimmer. Bald darauf horten sie ihn auf seinem tragbaren elektronischen Piano spielen, das er immer benutzte, wenn der Flugel im Wohnzimmer nicht zur Verfugung stand.

Jessica brachte die Martinis in das sanft erhellte Wohnzimmer. Wahrend sie die Drinks eingo?, dachte er: Kann man denn glucklicher sein? Dieses Gefuhl hatte er oft bei Jessica, wenn sie ihn, auch nach uber zwanzig Jahren Ehe noch, verwohnte. Sie trug die Haare nicht mehr lang und machte sich auch nicht mehr die Muhe, ihre grauen Strahnen zu verbergen. An ihren Augen zeigten sich Faltchen. Aber sie war schlank und wohlgeformt, und nach ihren Beinen drehten sich die Manner noch immer um. Eigentlich hatte sie sich kaum verandert, und Sloane war noch immer stolz, mit Jessica an seiner Seite einen Raum zu betreten.

Sie gab ihm sein Glas und bemerkte: »Es mu? ein anstrengender Tag gewesen sein.«

»War es auch. Hast du die Nachrichten gesehen?«

»Ja. Die armen Leute in diesem Flugzeug. Was fur eine entsetzliche Art zu sterben. Die mussen doch von Anfang an gewu?t haben, da? sie keine Chance haben, und dann konnen sie nur dasitzen und warten.«

Sloane bekam plotzlich Gewissenbisse, als er merkte, da? er daran noch gar nicht gedacht hatte. Manchmal war man als Nachrichtenprofi so sehr damit beschaftigt, Sensationen zusammenzutragen, da? man die menschlichen Wesen, die den Stoff dafur lieferten, vollig verga?. Ist es die Abgestumpftheit nach der langen Zeit im Nachrichtengewerbe oder nur eine notwendige Distanzierung, wie auch Arzte sie sich zulegen, fragte er sich. Er hoffte, das letztere.

»Wenn du den Bericht aus Dallas gesehen hast«, sagte er, »dann hast du auch Harry gesehen. Wie hat er dir gefallen?«

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