Jessica sah ihn neugierig an, wahrend er fortfuhr: »Hast du schon jemals daran gedacht, da? jemand wie ich entfuhrt und als Geisel genommen werden konnte?«

»Immer wenn du im Ausland warst.«

Er schuttelte den Kopf. »Es konnte auch hier passieren. Es gibt fur alles ein erstes Mal, und ich und einige andere beim Fernsehen arbeiten ja praktisch in einem Goldfischglas. Wenn Terroristen ihre Aktionen auf die Vereinigten Staaten ausdehnen

- und du wei?t, da? das meiner Ansicht nach sehr bald passieren wird -, dann sind Leute wie ich eine attraktive Beute, weil alles, was wir tun oder mit uns getan wird, hochste Aufmerksamkeit erhalt.«

»Was ist mit den Familien? Konnten die auch zu Zielen werden?«

»Das ist sehr unwahrscheinlich. Terroristen haben es auf gro?e Namen abgesehen. Auf Leute, die jeder kennt.«

»Du hast von Vorkehrungen gesprochen«, sagte Jessica leicht verunsichert. »Welche meinst du?«

»Solche, die wirksam werden, nachdem ich entfuhrt worden bin - falls das je passieren sollte. Ich habe sie zusammen mit einem Anwalt, den ich kenne, Sy Dreeland, ausgearbeitet. Er hat die ganzen Unterlagen und die Vollmacht, sie zu veroffentlichen, wenn und falls das notwendig werden sollte.«

»Mir gefallt diese Unterhaltung gar nicht«, sagte Jessica. »Du machst mich nervos. Was nutzen denn Vorkehrungen, wenn das Schlimmste bereits passiert ist?«

»Bevor es passiert«, erwiderte er, »mu? ich mich darauf verlassen, da? der Sender fur gewisse Sicherheitsma?nahmen sorgt, und das geschieht inzwischen auch mehr oder weniger. Aber danach, und das habe ich in meinem Buch ja gefordert, will ich nicht, da? irgend jemand fur mich ein Losegeld bezahlt

- auch nicht von unserem eigenen Geld. Und deshalb habe ich unter anderem eine notariell beglaubigte Erklarung hinterlegt, die das bestatigt.«

»Soll das hei?en, da? dann unser ganzes Geld eingefroren ware?«

Er schuttelte den Kopf. »Nein, das konnte ich nicht tun, auch wenn ich es wollte. Fast alles, was wir besitzen, das Haus, die Konten, Gold und Devisen, gehort uns gemeinsam, und du konntest damit tun was du willst, wie du es auch jetzt schon kannst. Aber falls diese Erklarung veroffentlicht wird und jeder dann wei?, wie ich daruber denke, ware es mir lieb, wenn du dich auch daran halten wurdest.«

»Damit nimmst du mir doch meine Entscheidungsfreiheit«, protestierte Jessica.

»Nein, meine Liebe«, erwiderte er zartlich. »Ich nehme dir nur eine entsetzliche Verantwortung ab und erspare dir ein Dilemma.«

»Aber mal angenommen, der Sender ware bereit, Losegeld zu zahlen.«

»Ich glaube nicht, da? er es ware, vor allem nicht gegen meinen Wunsch, der ja bereits im Buch festgehalten ist und in der Erklarung noch einmal wiederholt wird.«

»Du hast von Sicherheitsvorkehrungen gesprochen, die der Sender trifft. Davon hore ich zum ersten Mal. Wie sehen die aus?«

»Bei telefonischen Drohungen oder gewissen Spinnerbriefen oder bei Geruchten uber einen moglichen Uberfall - was bei allen Sendern passiert und vor allem die Moderatoren betrifft -wird ein privater Sicherheitsdienst alarmiert. Die Manner bewachen dann das Gebaude, begleiten mich uberallhin und tun alles, was so ein Sicherheitsdienst eben tun mu?. Ich hab' das schon ein paarmal miterlebt.«

»Du hast mir nie davon erzahlt.«

»Nein, wahrscheinlich nicht«, gab er zu.

»Was hast du mir sonst noch nicht erzahlt?« Eine gewisse Scharfe lag in Jessicas Stimme, obwohl sie sich ganz offensichtlich noch nicht klar daruber war, ob sie nun argerlich uber das Verschweigen oder einfach angstlich sein sollte.

»Nichts, was den Sender betrifft, aber da sind noch einige Dinge, die ich mit Dreeland abgesprochen habe.«

»Durfte ich die vielleicht auch erfahren?«

»Es ist sehr wichtig, da? du sie erfahrst.« Sloane ignorierte den Sarkasmus, in den seine Frau sich manchmal fluchtete, wenn sie erregt war. »Wenn jemand entfuhrt wird, gleichgultig wo, ist es inzwischen ziemlich sicher, da? die Entfuhrer eine Videoaufnahme machen oder sogar gezwungen sind, eine zu machen. Diese Aufnahmen werden dann irgend jemandem zugespielt und manchmal sogar im Fernsehen gezeigt, aber niemand wei? sicher, ob das Opfer sich freiwillig aufnehmen lie? oder dazu gezwungen wurde, und falls es gezwungen wurde, in welchem Ausma?. Wenn man aber vorher gewisse Signale vereinbart, hat das Opfer eine Chance, eine Nachricht zu ubermitteln, die auch verstanden wird. Ubrigens haben bereits eine ganze Reihe von potentiellen Entfuhrungsopfern bei ihren Anwalten Instruktionen hinterlegt und einen Signalcode vereinbart.«

»Wenn das nicht so ernst ware, konnte man das Ganze fur einen Spionageroman halten«, sagte Jessica. »Und welche Signale hast du vereinbart?«

»Wenn ich mir mit der Zunge die Lippen lecke, was man ja leicht unbeobachtet tun kann, hei?t das: >Ich mache das gegen meinen Willen. Glaubt kein Wort von dem, was ich sage.< Wenn ich mich am rechten Ohr kratze, hei?t das: >Meine Entfuhrer sind gut organisiert und schwer bewaffnet.< Wenn es das linke Ohr ist, hei?t es: >Die Bewachung hier ist eher nachlassig. Ein Angriff von au?en konnte Erfolg haben.< Es gibt noch einige andere, aber das reicht furs erste. Ich will dich mit all dem ja nicht beunruhigen.«

»Na, es beunruhigt mich aber«, erwiderte Jessica und fragte sich im stillen: Konnte das wirklich passieren? Konnte Crawf wirklich entfuhrt und verschleppt werden? Es schien unwahrscheinlich, aber schlie?lich passierten jeden Tag unwahrscheinliche Dinge.

»Abgesehen von der Angst«, sagte sie nachdenklich, »mu? ich zugeben, da? mich einiges davon fasziniert, weil es ein Aspekt von dir ist, den ich, soweit ich wei?, noch gar nicht kenne. Aber ich frage mich schon, warum du nicht dieses Sicherheitstraining machst, uber das wir bereits gesprochen haben.«

Dieses Training war ein von einer britischen Firma, Paladin Security, angebotener Antiterror-Kurs, der bereits des ofteren in amerikanischen Nachrichtenprogrammen erwahnt worden war. Der Kurs dauerte eine Woche und war unter anderem dafur gedacht, Leute auf eine Situation vorzubereiten, wie Sloane sie eben angesprochen hatte, also darauf, wie man sich als Opfer einer Entfuhrung zu verhalten hatte. Unterricht in waffenloser Selbstverteidigung gehorte ebenfalls dazu; und seit dem brutalen Angriff auf den CBS-Moderator Dan Rather auf einer New Yorker Stra?e lag Jessica Crawford in den Ohren, er solle diese Technik doch lernen. Nach dem von zwei Unbekannten verubten, vollig grundlosen Uberfall mu?te Rather ins Krankenhaus, die Angreifer wurden nie gefa?t.

»Das Problem ist, da? ich nie Zeit fur den Kurs habe«, sagte Sloane. »Weil wir gerade davon sprechen, nimmst du noch deine CQB- Stunden?«

CQB war die Abkurzung fur Close Quarters Battle, eine spezielle Nahkampfversion ohne Waffen, die von der britischen Eliteeinheit SAS praktiziert wurde. Ein pensionierter britischer Brigadier, der jetzt in New York lebte, gab diesen Kurs, und Jessica hatte es gern gesehen, wenn Crawford ihn ebenfalls besucht hatte. Doch da ihm die Zeit dazu fehlte, ging sie allein zu den Stunden.

»Nicht mehr regelma?ig«, antwortete sie. »Nur noch ungefahr zwei Stunden pro Monat, um in Ubung zu bleiben, und manchmal halt Brigadier Wade Vortrage, die ich besuche.«

Sloane nickte. »Gut.«

In dieser Nacht fand Jessica nur wenig Schlaf, denn das Gesprach ging ihr nicht mehr aus dem Kopf.

Die Insassen des Ford Tempo vor dem Haus sahen zu, wie die Lichter eins nach dem anderen verloschten. Nachdem sie uber das Funktelefon ihren Bericht abgeliefert hatten, beendeten sie die Uberwachung und fuhren davon.

8

Kurz nach 6 Uhr 30 wurde die Beobachtung des Hauses in Larchmont wiederaufgenommen. An diesem Morgen war es ein Chevrolet Celebrity, und die beiden Kolumbianer Carlos und Julio sa?en zusammengesunken auf den Vordersitzen - eine durchaus gebrauchliche Beschattungstechnik, die verhinderte, da? die Manner von den Insassen vorbeifahrender Autos entdeckt wurden. Der Chevy stand in einiger Entfernung vom Haus in einer Seitenstra?e, von der aus das ganze Gelande uber die Ruck- und Seitenspiegel gut einzusehen war.

Die beiden Manner im Auto waren nervos und angespannt, denn sie wu?ten, da? dieser Tag der entscheidende werden wurde, der Hohepunkt einer langen und sorgfaltigen Planung.

Um 7 Uhr 30 trat ein unvorhergesehenes Ereignis ein: Ein Taxi hielt vor dem Haus der Sloanes. Ein alterer Mann mit einem Koffer stieg aus. Er ging ins Haus und blieb dort. Die unerwartete Ankunft dieses Mannes

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