bedeutete eine Komplikation, die uber Funktelefon an das provisorische Hauptquartier der Beschatter in etwa zwanzig Meilen Entfernung gemeldet werden mu?te.

Das gut funktionierende Kommunikationssystem und der umfangreiche Wagenpark kennzeichneten eine Operation, fur die keine Kosten gescheut worden waren. Die Verschworer, die diese Beschattung und das, was noch folgen sollte, initiiert und organisiert hatten, waren Experten, denen es weder an Einfallsreichtum noch an Geld fehlte.

Sie waren Verbundete des kriminellen Medellin-Kartells, einer Vereinigung kolumbianischer Drogenkonige, die Newsweek in einer Ausgabe des Jahres 1988 »reich wie General Motors und skrupellos wie Idi Amin« nannte. Die Mitglieder des Kartells, so das Magazin weiter, »kennen keine Grenzen, achten keine Moral und schrecken vor nichts zuruck«.

In Kolumbien, wo das Kartell mit bestialischer Grausamkeit wutete, gingen zahllose Morde auf sein Konto, unter den Opfern auch Polizisten, Richter und Journalisten. Die Kartellfuhrer standen in der Vergangenheit mehrfach mit der sozialistischen Guerillatruppe M-19 in Verbindung, die wahrend eines Blutbads im Jahr 1986 neunzig Menschen, darunter die Halfte der Mitglieder des Obersten Gerichtshofs Kolumbiens, umbrachte. Trotz seiner Greueltaten unterhielt das Medellin-Kartell enge Beziehungen zur romisch-katholischen Kirche. Ein Kardinal nahm die Mitglieder des Kartells ausdrucklich in Schutz, und ein Bischof gab offen zu, von den Drogenhandlern Geld zu erhalten.

Doch im vorliegenden Fall arbeitete das Kartell nicht fur sich selbst, sondern fur die peruanische, maoistische Terrororganisation Sendero Luminoso, der »Leuchtende Pfad«. In letzter Zeit hatte der Sendero Luminoso in Peru betrachtlich an Macht gewonnen, wahrend die offizielle Regierung immer schwacher und unfahiger wurde. War fruher der Herrschaftsbereich des Sendero auf die Andenregion und Zentren wie Ayacucho und Cuzco beschrankt, so uberschwemmten inzwischen seine Bomben- und Killerkommandos bereits die Hauptstadt Lima. Und in Lima besa? die Bewegung daruber hinaus heimliche Sympathisanten in Armee und Regierung.

Die Verbindung zwischen Sendero Luminoso und dem Medellin-Kartell war nichts Ungewohnliches. Der Sendero bediente sich haufig Krimineller, um Entfuhrungen, vor allem auslandischer Staatsburger, durchzufuhren. Solche Entfuhrungen kamen in Peru sehr oft vor, doch die amerikanischen Medien nahmen davon nur wenig Notiz.

Geld aus den Drogenhandel trug betrachtlich zur Finanzierung des Sendero bei. Weite Gebiete der von ihm kontrollierten Andenregion dienten dem Anbau der Kokapflanze. Aus den Kokapflanzen wurde Kokapaste gewonnen, die per Flugzeug von versteckten Pisten aus nach Kolumbien transportiert und dort zu Kokain weiterverarbeitet wurde.

Obwohl der Sendero Luminoso beharrlich behauptete, nicht mit Drogen zu handeln, verlangte er Tribut von jenen, die es taten - darunter eben auch das Medellin-Kartell.

Die beiden kolumbianischen Gangster im Chevrolet sahen sich eine Sammlung von Polaroidfotos an, die Carlos, eine geschickter Fotograf, von allen Personen, die in den vergangenen vier Wochen im Haus der Sloanes ein- und ausgegangen waren, gemacht hatte. Der eben eingetroffene alte Mann war nicht darunter.

Julio sprach am Telefon in verschlusselten Satzen.

»Eben ist ein blaues Paket eingetroffen. Lieferart Nummer zwei. Das Paket ist im Depot. Eine entsprechende Bestellung ist nicht vorhanden.« Ubersetzt hie? das: Ein Mann ist angekommen. Ein Taxi hat ihn gebracht. Er hat das Haus betreten. Wir wissen nicht, wer er ist, es gibt kein Polaroid von ihm.

Die barsche Stimme Miguels, des Projektleiters, drang aus dem Horer: »Welche Lieferscheinnummer?«

Julio, der Probleme mit Codes hatte, fluchte leise, wahrend er in einem Notizbuch nach dem Schlussel zur Entzifferung suchte. Wie alt ist die betreffende Person? stand dort.

Er sah Carlos fragend an. »Un viejo. Wie alt?«

Carlos nahm das Buch und las die Frage. »Sag ihm, Lieferscheinnummer funfundsiebzig.«

Auf Julios Antwort folgte die nachste knappe Frage: »Irgendwas Besonderes an dem blauen Paket?«

Julio hatte genug von dem Code und antwortete unverschlusselt: »Er hat einen Koffer dabei. Sieht aus, als wolle er langer bleiben.«

In einem verfallenen Haus sudlich von Hackensack in New Jersey fluchte der Mann mit dem Codenamen Miguel leise uber Julios Nachlassigkeit. Diese pendejos, mit denen er arbeiten mu?te! Im Codebuch stand ein Satz, der seine Frage beantwortet hatte, und er hatte sie doch alle immer wieder gewarnt, da? bei Funktelefonen jeder mithoren konnte. Abhorgerate waren in vielen Geschaften erhaltlich. Miguel hatte von einer Radiostation gehort, die sich ruhmte, mit einem solchen Gerat mehrere Verbrechen vereitelt zu haben.

Estupidos! Er konnte diesen Idioten, die man ihm da zugewiesen hatte, einfach nicht klarmachen, wie wichtig es war, vorsichtig, wachsam und auf der Hut zu sein, und zwar immer, nicht nur meistens. Schlie?lich hing der Erfolg der Mission und ihrer aller Leben und Freiheit davon ab.

Miguel selbst war schon immer fast zwanghaft vorsichtig gewesen. Und deshalb war er auch noch nie verhaftet worden, obwohl er von Interpol und den Behorden in Nord- und Sudamerika und einigen europaischen Landern auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher gefuhrt wurde. In der westlichen Hemisphare wurde ebenso intensiv nach ihm gefahndet wie in der ostlichen nach seinem Terroristenkollegen Abu Nidal. Miguel gestattete sich deswegen einen gewissen Stolz, verga? dabei jedoch nie, da? Stolz zu ubergro?em Selbstvertrauen fuhren konnte, und auch davor war er auf der Hut.

Trotz seines langen terroristischen Vorlebens war Miguel noch immer ein junger Mann, erst Ende drei?ig. Seine Erscheinung war eher unauffallig, er sah durchschnittlich gut aus, aber nicht mehr. Man konnte ihn fur einen Bankangestellten oder im besten Fall fur den Geschaftsfuhrer einer kleinen Firma halten. Zum Teil kam das daher, da? er sich bewu?t alle Muhe gab, unbedeutend zu wirken. Er war hoflich zu Fremden, aber so unverbindlich, da? er keinen bleibenden Eindruck hinterlie?; Leute, die ihn trafen und nicht wu?ten, wer er war, verga?en ihn meist sofort wieder.

In der Vergangenheit war diese Unscheinbarkeit und auch die Tatsache, da? er nach au?en hin keine Autoritat ausstrahlte, sein gro?es Gluck gewesen. Seine Befehlsgewalt blieb verborgen, au?er fur jene, uber die er sie ausubte, doch die bekamen sie unmi?verstandlich zu spuren.

Bei dem gegenwartigen Projekt war es fur Miguel auch von Vorteil, da? er, obwohl Kolumbianer, in Auftreten und Sprache wie ein Amerikaner wirken konnte. Er hatte Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre in Berkeley Englisch studiert und sich in dieser Zeit mit viel Geduld eine akzentfreie Aussprache antrainiert.

Damals benutzte er noch seinen richtigen Namen, Ulises Rodriguez.

Seine wohlhabenden Eltern hatten ihm das Studium in Berkeley ermoglicht. Miguels Vater, ein Neurochirurg aus Bogota, hatte gehofft, sein einziger Sohn wurde seinem Beispiel folgen, doch an Medizin hatte Miguel auch damals schon kein Interesse. Statt dessen sah er bereits Ende der siebziger Jahre bedeutende Veranderungen fur Kolumbien voraus, die Umwandlung des damals noch aufstrebenden, demokratischen Landes mit einer soliden gesetzlichen Grundlage in ein gesetzloses, unglaublich reiches Gangsterparadies, in dem Grausamkeit und Angst diktatorisch regierten. Das, Pharaonengold des neuen Kolumbien war damals noch Marihuana, spater sollte es Kokain werden.

Miguel schreckte diese bevorstehende Umwalzung nicht ab. Er hatte, ganz im Gegenteil, die feste Absicht, sich von diesem neuen Kuchen ein Stuck abzuschneiden.

Unterdessen vertrieb er sich in Berkeley die Zeit und entdeckte dabei, da? er keinen Funken Gewissen besa? und Menschen schnell und entschlossen toten konnte, ohne Reue oder auch nur einen unangenehmen Nachgeschmack zu empfinden.

Das erste Mal passierte es nach einem sexuellen Abenteuer mit einer jungen Frau, die er beim Verlassen eines Busses kennengelernt hatte. Auf dem Weg von der Bushaltestelle kamen sie ins Gesprach und stellten fest, da? sie beide Studienanfanger waren. Sie schien ihn zu mogen und lud ihn in ihre Wohnung am schabigeren Ende der Telegraph Avenue ein. Begegnungen dieser Art waren damals normal, die Angst vor AIDS gab es noch nicht.

Nach einem heftigen Bettabenteuer war Miguel eingeschlafen, und als er wieder aufwachte, sah er, wie das Madchen seine Brieftasche durchsuchte. In ihr steckten verschiedene Ausweise mit fiktiven Namen, denn er ubte schon damals fur seine spatere Kriminellenkarriere. Das Madchen interessierte sich mehr fur die Papiere, als ihr guttat. Vielleicht war sie eine Informantin, doch das sollte er nie herausfinden.

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