»Er war gut.«
Jessicas Antwort klang gleichgultig. Sloane beobachtete sie, er wartete auf mehr und fragte sich:
»Harry war mehr als gut. Das war einfach genial«, sagte Sloane und schnippte mit den Fingern. »Ohne Vorwarnung. Und unter irrsinnigem Zeitdruck.« Er erzahlte ihr von dem Glucksfall, da? die CBA-Crew sich zu der Zeit im Flughafen aufgehalten hatte. »Harry, Rita und Minh haben es geschafft. Die anderen Sender hatten keine Chance.«
»Harry und Rita scheinen oft zusammenzuarbeiten. Lauft da was zwischen den beiden?«
»Nein. Die sind einfach ein gutes Team.« »Woher wei?t du das?«
»Weil Rita eine Affare mit Les Chippingham hat. Die beiden glauben, da? es keiner wei?. Aber naturlich wei? es jeder.«
Jessica lachte. »O Gott. Ihr seid vielleicht ein inzestuoser Haufen.«
Leslie Chippingham war der Prasident von CBA News. Mit ihm wollte Sloane tags darauf uber die Entlassung von Chuck Insen als Studioleiter sprechen.
»Denk nur nicht, da? ich da auch mitmische«, sagte er zu ihr. »Ich bin glucklich mit dem, was ich zu Hause habe.«
Der Martini hatte ihn entspannt, wie jeden Abend, obwohl weder er noch Jessica starke Trinker waren. Ein Martini und ein Glas Wein zum Essen war ihre Grenze, und tagsuber trank Sloane uberhaupt nicht.
»Dir geht's gut heute abend«, bemerkte Jessica, »und gleich geht's dir noch besser.« Sie stand auf, ging zu dem kleinen Schreibtisch an der gegenuberliegenden Wand und brachte ihm einen bereits geoffneten Umschlag. Da Jessica meistens die Post erledigte, war das nichts Ungewohnliches. »Es ist ein Brief von deinem Verleger und eine Tantiemenabrechnung.«
Er nahm die Papiere, und wahrend er las, huschte ein Lacheln uber sein Gesicht.
Crawford Sloanes Buch
Was die Verkaufszahlen betraf, hatte das Buch einen langsamen Start gehabt. In New York hagelte es Verrisse, denn keiner der Kritiker in der Metropole wollte sich die Gelegenheit entgehen lassen, jemanden von Sloanes Format niedermachen zu konnen. Doch in Stadten wie Chicago, Cleveland, San Francisco und Miami wurde es von der Kritik freundlich aufgenommen. Und wichtiger noch, nach einigen Wochen wurden bestimmte Passagen in politischen Leitartikeln zitiert -die beste Werbung, die ein Buch haben konnte.
In einem Kapitel uber Terrorismus und Geiselnahme schrieb Sloane sehr offen uber »die Scham, die die meisten Amerikaner empfanden, als sie 1986/87 erfuhren, da? ihre Regierung die Freiheit einer Handvoll Geiseln im Mittleren Osten mit Tausenden von toten und verstummelten Irakern, nicht nur auf dem iranisch-irakischen Schlachtfeld, sondern auch unter der Zivilbevolkerung, erkauft hatte«.
Die Kriegsopfer, so argumentierte er, waren die Folge von Waffenlieferungen, die der Iran als Gegenleistung fur die Freilassung der amerikanischen Geiseln gefordert hatte. »Einen modernen Judaslohn«, nannte Sloane diese Zahlung und zitierte dazu Kipling's
Auch andere Bemerkungen Sloanes fanden allgemein Zustimmung:
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Bei Erscheinen des Buches herrschte in der CBA-Fuhrungsetage eine gewisse Nervositat wegen solcher Formulierungen wie »mu? man davon ausgehen, da? Geiseln im Notfall zu opfern sind« und »unauffallig beseitigen«, denn man furchtete, sie wurden politische und offentliche Ressentiments gegen den Sender zur Folge haben. Doch wie sich zeigte, gab es uberhaupt keinen Grund zur Sorge, und bald stimmte auch die CBA-Fuhrung in das allgemeine Lob mit ein.
Sloane strahlte, als er die eindrucksvolle Tantiemenabrechnung beiseite legte.
»Du hast das wirklich verdient, und ich bin sehr stolz auf dich«, sagte Jessica. »Vor allem, da du sonst Kontroversen doch eher vermeidest.« Sie hielt inne. »Ach ubrigens, dein Vater hat angerufen. Er kommt morgen fruh an und mochte gerne eine Woche bleiben.«
Sloane schnitt eine Grimasse. »Schon wieder!«
»Er ist einsam und wird langsam alt. Vielleicht hast du in seinem Alter auch eine Lieblingsschwiegertochter, die du gerne besuchst.«
Sie lachten beide, denn sie wu?ten, wie vernarrt Angus in Jessica war und sie in ihn. In gewisser Weise standen die beiden sich naher als Vater und Sohn.
Seit dem Tod von Crawfords Mutter vor einigen Jahren lebte Angus alleine in Florida.
»Ich habe es gern, wenn er im Haus ist«, sagte Jessica. »Und Nicky auch.«
»Na, dann ist es ja in Ordnung. Aber solange Dad hier ist, mach doch mal deinen Einflu? geltend und bring ihn dazu, da? er nicht die ganze Zeit uber Ehre, Vaterlandsliebe und das ganze Zeug quasselt.«
»Ich wei?, was du meinst. Ich werde tun, was ich kann.«
Der Grund fur diesen Wortwechsel war die Tatsache, da? der altere Sloane sich nie ganz von seinem Status als Held des Zweiten Weltkriegs hatte losen konnen; als Bombenschutze der Army Air Forces war ihm der
Zwar respektierte Crawford die Heldentaten seines Vaters im Krieg, aber er wu?te auch, wie ermudend es sein konnte, wenn er sich uber sein Lieblingsthema auslie?, »den Mangel an Rechtschaffenheit und moralischen Werten in der heutigen Zeit«, wie er es gern nannte. Wenigstens hatte Jessica die Geduld, den Sermon ihres Schwiegervaters zu ertragen.
Sloane und Jessica setzten ihre Unterhaltung beim Essen fort, wie sie es immer gern taten. Jessica hatte zwar ein Dienstmadchen fur den Tag, aber das Abendessen bereitete sie selber zu, wobei sie es so einrichtete, da? sie nach der Ankunft ihres Mannes nur noch wenige Minuten in der Kuche zubringen mu?te.
»Ich wei?, was du eben gemeint hast«, sagte Sloane nachdenklich, »da? ich mich nicht gerne vorwage. Wahrscheinlich bin ich in meinem Leben weniger Risiken eingegangen, als ich es hatte tun konnen. Aber einige Passagen in diesem Buch waren mir sehr wichtig. Und sind es immer noch.«
»Das Terrorismuskapitel?«
Er nickte. »Seitdem habe ich mir einige Gedanken daruber gemacht, welche Auswirkung der Terrorismus auf uns, auf dich und mich haben konnte. Und deshalb habe ich auch einige Vorkehrungen getroffen. Ich habe dir bis jetzt noch nichts davon erzahlt, aber du solltest es eigentlich wissen.«