technologischer Alptraum wirken. Verstarkt wurde dieser Eindruck noch durch das herrschende Halbdunkel, das notig war, um den Wirrwarr von Fernsehmonitoren beobachten zu konnen.

Aber in Wirklichkeit wurde die ganze Operation reibungslos, schnell und mit viel Geschick bewaltigt. Fehler konnten katastrophale Folgen haben. Sie kamen nur selten vor.

Ein halbes Dutzend riesiger Zweispulengerate, jedes in eine Konsole eingebaut und mit einem Kontrollmonitor daruber, dominierte die Szene. Die Gerate arbeiteten mit Magnetbandern von einem Zoll Breite, dem qualitativ hochwertigsten und verla?lichsten Material. An jeder Konsole sa? ein geschickter Cutter, der die hereinkommenden Bander schnell und den Anweisungen entsprechend bearbeitete und wieder hinausschickte. Die Cutter, alter als die meisten anderen in dem Gebaude, bildeten eine bunte Truppe, deren Markenzeichen es war, sich besonders schabig zu kleiden und ausgelassen zu benehmen. Ein Kommentator hatte sie deshalb einmal die »Kampfpiloten« des Fernsehens genannt.

An jedem Wochentag verlie? ein Chefproduzent etwa eine Stunde vor Sendebeginn seinen Sessel am Hufeisen und stieg funf Etagen tiefer, um im Einzollband-Raum mit seinen Cuttern das Kommando zu ubernehmen. Wahrend er dort wie ein Maestro mit fuchtelnden Armen und lauter Stimme das Geschehen dirigierte, sichtete er das hereinkommende Material, befahl, wenn notig, weitere Schneidearbeiten und hielt gleichzeitig seine Kollegen am Hufeisen daruber auf dem laufenden, welche der erwarteten Berichte bereits im Haus waren und wie sie auf den ersten Blick wirkten.

Alles, so schien es, traf im Einzollband-Raum immer erst in allerletzter Sekunde ein. Es war eine allgemein akzeptierte Tradition, da? die Produzenten, Korrespondenten und Cutter vor Ort bis zum letztmoglichen Augenblick an ihren Berichten herumfeilten, so da? das meiste erst in der letzten halben Stunde vor Sendebeginn und einiges auch erst danach einging. Nicht selten kam es sogar vor, da? der erste Teil eines Berichts bereits von der einen Bandmaschine in die Sendung eingespeist wurde, wahrend die zweite Halfte erst auf die andere uberspielt wurde. In solch kitzligen Situationen holten die schwitzenden, nervosen Manner das Letzte aus sich heraus.

Der Chefproduzent, der diese Operationen am haufigsten leitete, war Will Kazazis, ein in Brooklyn geborener Sohn griechischer Eltern, deren hitziges Temperament er geerbt hatte. Doch diese Erregbarkeit schien genau zu seiner Arbeit zu passen, denn er verlor trotz allem nie die Kontrolle. So war es Kazazis, der Ritas Satellitenuberspielung aus Dallas empfing, zuerst Minh Van Canhs »Schnellschu?« und dann Harry Partridges Tonspur und seine Absage.

Es war 18 Uhr 48... noch zehn Minuten Sendezeit. Die Werbung hatte eben begonnen.

Dem Cutter, der die Uberspielung aufgefangen hatte, rief Kazazis zu: »Klatsch das Zeug zusammen, schnell. Nimm Partridge komplett. Und leg die besten Bilder druber. Du wei?t schon, wie. Aber Tempo, Tempo!«

Uber einen Assistenten hatte Kazazis das Hufeisen bereits informiert, da? der Bericht aus Dallas hereinkam. Nun wollte Chuck Insen, der im Sendekontrollraum sa?, wissen: »Wie ist er?«

»Fantastisch! Wunderbar!« antwortete Kazazis. »Genau das, was man von Harry und Minh erwartet.«

Da Insen wu?te, da? er keine Zeit hatte, sich das Band selber anzusehen, und er Kazazis vertraute, sagte er einfach: »Wir bringen es nach diesem Werbespot. Haltet euch bereit.«

Dem Cutter, der trotz seines klimatisierten Arbeitsplatzes schwitzte, blieb weniger als eine Minute, um die Bilder zu schneiden und mit Kommentar und Umweltgerauschen zu unterlegen.

Insens Befehl ging auch an den Moderator und einen Texter, der neben ihm sa?. Die Einleitung war bereits fertig, und der Texter gab das einzelne Blatt nun an Crawford Sloane weiter, der es kurz uberflog, schnell ein paar Worte anderte und dem Texter dankbar zunickte. Einen Augenblick spater war die Einfuhrung zum ursprunglich geplanten Beitrag vom Teleprompter verschwunden und der Dallas-Text erschien auf dem Monitor. Der Sendeleiter im Studio zahlte die Sekunden bis zum Ende der Werbung: »Zehn... funf... vier... zwei...«

Auf ein Handzeichen begann Sloane mit ernster Miene: »Am Anfang dieser Sendung berichteten wir uber eine Kollision zwischen einem Airbus der Muskegon Airlines und einer Privatmaschine im Luftraum uber Dallas. Das Privatflugzeug sturzte ab. Es gibt keine Uberlebenden. Dem brennenden Airbus gelang vor wenigen Minuten eine Notlandung auf dem Flughafen Dallas-Fort Worth. Die Zahl der Opfer ist allerdings hoch. CBA News-Korrespondent Harry Partridge war Augenzeuge der Katastrophe. Eben erreichte uns sein Bericht.«

Erst wenige Sekunden zuvor war der Film im Einzollband-Raum fertiggestellt worden. Nun flimmerten uber die Monitore im ganzen Haus und uber Millionen von Bildschirmen im Osten und Mittelwesten der Vereinigten Staaten sowie in den Grenzbezirken Kanadas die dramatischen Bilder von der Landung des brennenden Airbus, wahrend Partridges Stimme begann: »Die Piloten eines langst vergangenen Krieges nannten es Landung mit einem Flugel und einem Gebet<...«

So hatte es der Exklusivbericht aus Dallas doch noch in die Erstausgabe der National Evening News geschafft.

Die Zweitausgabe der Abendnachrichten schlo? sich immer direkt an die erste an. Sie wurde im Osten sowie in gro?en Teilen des Mittelwestens von Tochterstationen, die die erste nicht ubernahmen, gesendet und im Westen von den meisten Stationen fur eine spatere Ausstrahlung aufgezeichnet.

Partridges Bericht aus Dallas wurde naturlich den Schwerpunkt der Zweitausgabe bilden. Wahrend die Sender der Konkurrenz fur ihre Zweitausgaben inzwischen aller Wahrscheinlichkeit nach Bilder von den Ereignissen nach der Notlandung hatten, blieben die Liveaufnahmen von CBA weltweit exklusiv und sollten in den folgenden Tagen noch oft wiederholt werden.

Zwischen der Erstausgabe und der zweiten lag eine zweiminutige Pause und Crawford Sloane nutzte sie, um mit Chuck Insen zu telefonieren.

»Hor zu«, sagte Sloane. »Ich glaube, wir sollten die SaudiStory wieder mit hineinnehmen.«

»Ich wei?, da? du ausgezeichnete Beziehungen hast«, erwiderte Insen sarkastisch. »Kannst du vielleicht funf Minuten mehr Sendezeit herausschlagen?«

»Ich meine das ernst. Der Bericht ist wichtig.«

»Und stinklangweilig. Ich sage nein.«

»Und was ist, wenn ich ja sage?«

»Daruber werden wir uns morgen unterhalten. Aber inzwischen sitze ich hier mit gewissen Verantwortlichkeiten.«

»Dazu sollte aber auch ein vernunftiges Urteilsvermogen uber Auslandsnachrichten gehoren.«

»Jeder von uns hat seinen Job«, sagte Insen, »und bei deinem wird langsam die Zeit knapp. Ach ubrigens, die Art, wie du die Dallas-Sache gebracht hast - mein Kompliment.«

Ohne zu antworten, legte Sloane auf. Dann fiel ihm noch etwas ein, und er sagte zu dem Texter neben sich: »Jemand soll mir Harry Partridge in Dallas ans Telefon holen. Ich mochte wahrend der ersten Pause mit ihm reden. Ich will ihm und den anderen gratulieren.«

»Funfzehn Sekunden«, rief der Sendeleiter.

Ja, dachte Sloane, es wurde morgen wirklich zu einer Diskussion zwischen ihm und Insen kommen oder, besser gesagt, zu einer Kraftprobe. Vielleicht sollte man Insen klarmachen, da? er seine Schuldigkeit getan hatte und da? es Zeit fur ihn war zu gehen.

Mit ernstem, verkniffenen Gesicht kehrte Chuck Insen nach dem Ende der Zweitausgabe in sein Buro zuruck, um sich noch ein paar Zeitschriften zu holen, die er spater zu Hause lesen wollte.

Lesen, lesen, lesen, um in allen Bereichen informiert zu sein, das war die Last eines Chefproduzenten der Nachrichtenredaktion. Zu jeder Zeit und an jedem Ort fuhlte er sich verpflichtet, nach einer Zeitung, einer Zeitschrift, einem Buch und selbst nach den obskursten Publikationen zu greifen, so wie andere nach einer Tasse Kaffee, einem Taschentuch, einer Zigarette griffen. Oft wachte er mitten in der Nacht auf und las oder horte die Auslandsnachrichten der Kurzwellensender. Zu Hause hatte er uber seinen Personal Computer Zugang zu allen wichtigen Presseagenturen, und jeden Morgen um funf rief er sie alle ab. Bei der Fahrt zur Arbeit horte er die Radionachrichten - gewohnlich die von CBS, weil er die, wie die meisten Nachrichtenprofis, fur die besten hielt.

Dieses Wissen um die Bandbreite der moglichen Ingredienzen und um die Themen, die das normale Publikum interessierten, war es seiner Meinung nach, was sein Urteilsvermogen in bezug auf Nachrichten dem Crawford Sloanes uberlegen machte, der zu oft in elitaren Begriffen dachte.

Insen hatte seine eigene Philosophie hinsichtlich der Millionen, die jeden Abend die National Evening News sahen. Was die meisten Leute wollten, so glaubte er, waren Antworten auf drei grundlegende Fragen: Ist die Welt sicher? Ist mein Zuhause und meine Familie sicher? Ist heute etwas Interessantes passiert? Und Insen war es vor

Вы читаете Reporter
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату