mit Gleichmut auf die Welt, sie verrieten nichts von dem, was hinter ihnen liegen mochte. Leute, die Minh nahestanden, behaupteten, es habe lange gedauert, bis sie ihn naher kennenlernten.
Aber in einigen Dingen herrschte Ubereinstimmung, namlich da? er flei?ig, verla?lich und ehrlich war und einer der besten Kameramanner im Gewerbe. Seine Filme waren mehr als gut; sie erregten immer gro?e Aufmerksamkeit und waren haufig von hohem kunstlerischen Wert. Seine Arbeit fur CBA hatte er in Vietnam begonnen - als Einheimischer, der sein Handwerk von einem amerikanischen Kameramann lernte, fur den er die Ausrustung durch den hei? umkampften Dschungel schleppte. Als sein Lehrer auf eine Mine trat und von ihr getotet wurde, trug Minh die Leiche ins Lager und kehrte dann mit der Kamera in den Dschungel zuruck, um weiterzufilmen. Keiner bei CBA konnte sich daran erinnern, ihn je offiziell eingestellt zu haben. Sein Engagement wurde einfach zu einem
Im Jahr 1975, kurz vor dem Fall Saigons, waren Minh, seine Frau und seine zwei Kinder unter den wenigen Glucklichen, die vom Hof der Amerikanischen Botschaft in CH-53 Militarhubschraubern an Bord der Siebten Amerikanischen Flotte auf hoher See in Sicherheit gebracht wurden. Selbst da filmte er noch die ganze Aktion, und ein Gro?teil seines Materials wurde in den National Evening News verwendet.
Nun war es wieder eine Fliegergeschichte, ein ganz andere zwar, aber eine ebenso dramatische und eine, deren Ausgang noch ungewi? war.
Im Sucher wurden die Umrisse des naher kommenden Airbus' langsam deutlich. Klarer erkennbar war nun aber auch der helle Flammenkranz auf der rechten Seite mit der dichten Rauchwolke dahinter. Die Flammen schlugen aus der Stelle, wo das Triebwerk abgerissen und jetzt nur noch Teile der Halterung zu erkennen waren. Minh und die anderen Augenzeugen waren erstaunt, da? das Feuer noch nicht das ganze Flugzeug erfa?t hatte.
Vernon im Inneren des Kombi hatte inzwischen auf die Funkfrequenz des Luftverkehrs umgeschaltet. Man horte, wie die Bodenkontrolle mit dem Airbuspiloten sprach. Der Fluglotse, der den Anflug auf dem Radarschirm uberwachte, warnte mit ruhiger Stimme: »Sie sind leicht unterhalb des Gleitwegs... weichen nach links von der Mittellinie ab... Jetzt wieder auf dem Gleitweg, auf der Mittellinie...«
Aber die Airbuspiloten hatten offensichtlich Schwierigkeiten, Hohe und Kurs zu halten. Das Flugzeug schien seitwarts hereinzuschweben, den beschadigten rechten Flugel hoher gestellt als den linken. Manchmal brach die Nase der Maschine aus, um sich dann, wie nach einer verzweifelten Anstrengung der Piloten im Cockpit, wieder auszurichten. Es war ein unruhiges Auf und Ab, weil das Flugzeug immer wieder absackte und dann nur muhsam wieder an Hohe gewann. Am Boden stellten sich alle dieselbe unausgesprochene bange Frage: Wurde der Airbus, nachdem er nun so lange durchgehalten hatte, auch noch den Rest der Strecke schaffen? Die Antwort wu?te niemand.
Aus dem Funkgerat kam die Stimme von einem der Piloten. »Tower, wir haben Probleme mit dem Fahrwerk... die Hydraulik ist ausgefallen.« Eine Pause. »Wir versuchen, das Gestell im freien Fall< auszufahren...
»Bei Passagiermaschinen gibt es ein Notsystem, um das Fahrgestell auszufahren, wenn die Hydraulik ausfallt. Die Piloten lassen den gesamten Druck aus der Hydraulik ab, damit das Fahrgestell, das sehr schwer ist, von seinem eigenen Gewicht heruntergezogen wird und dann einrastet. Aber wenn es erst mal unten ist, bringen sie es nicht mehr hoch, auch wenn sie wollten.«
Wahrend der Erlauterung des Feuerwehrmanns war zu sehen, wie das Fahrwerk des Airbus sich langsam senkte.
Augenblicke spater kam die ruhige Stimme eines Fluglotsen: »Muskegon, das Fahrgestell ist raus. Aber Achtung: Die Flammen kommen dem vorderen rechten Reifensatz sehr nahe.«
Wurden diese Reifen vom Feuer erfa?t, so bestand die Gefahr, da? das Gestell beim Aufsetzen einknickte und das Flugzeug mit hoher Geschwindigkeit nach rechts ausbrach.
Minh holte sich die Maschine mit dem Teleobjektiv heran. Er sah, da? das Feuer inzwischen die Reifen erfa?t hatte. Der Airbus hatte den Rand des Flughafengelandes erreicht... Er kam immer naher, war kaum noch eine Viertelmeile von der Landebahn entfernt... Er wurde es schaffen, aber das Feuer wurde immer starker, der Treibstoff lieferte ihm immer neue Nahrung, und nun brannten zwei der vier Reifen auf der rechten Seite, der Gummi schmok... Es gab eine Stichflamme, als einer der Reifen explodierte.
Mit zweihundertdrei?ig Stundenkilometern schwebte der Airbus uber der Landebahn herein. Sobald er die wartenden Rettungswagen passiert hatte, setzten sie sich in Bewegung. Mit quietschenden Reifen bogen sie auf das Rollfeld ein und rasten mit Hochstgeschwindigkeit hinter der Maschine her. Zwei gelbe Schaumloschzuge waren die ersten, die anderen Loschfahrzeuge folgten kurz dahinter.
Als das Fahrgestell auf dem Boden aufsetzte, explodierte der zweite Reifen, dann der dritte. Plotzlich loste sich die gesamte rechte Bereifung auf... die Rader liefen nur noch auf den Felgen... das gra?liche Kreischen von Metall, ein Funkenregen, eine Wolke aus Staub und Betonsplittern... Wie durch ein Wunder schafften es die Piloten, den Airbus auf der Landebahn zu halten... Die Sekunden dehnten sich, wahrend das Flugzeug uber die Piste raste... Doch endlich stand er. Und im gleichen Augenblick loderten die Flammen in die Hohe.
Mit rasender Geschwindigkeit naherten sich die Loschzuge, Augenblicke spater waren die Schaumspritzen in Aktion. In Sekunden quoll die wei?e Masse auf und turmte sich wie ein Berg aus Rasierschaum.
Am Flugzeug wurden Turen geoffnet, Notrutschen fielen heraus. Die rechte Vordertur war offen, doch die mittleren wurden vom Feuer blockiert. Auf der linken, vom Feuer abgewandten Seite, waren die vordere und eine der mittleren Turen offen. Einige Passagiere glitten bereits uber die Rutschen ins Freie.
Doch von den zwei Heckausgangen auf jeder Seite war bis jetzt noch keiner geoffnet.
Durch die drei offenen Turen quoll Rauch aus dem Flugzeug.
Einige Passagiere waren bereits auf dem Rollfeld. Hustend drangten immer neue nach, viele mu?ten sich ubergeben, alle schnappten nach Luft.
Das Feuer an der Au?enhaut des Flugzeugs erstickte nun langsam unter Bergen von Schaum.
Die Manner aus den RIVs mit ihren silberfarbenen Schutzanzugen und Atemgeraten hatten schnell reagiert und Leitern an die verschlossenen Heckturen angelegt. Als sie jetzt von au?en geoffnet wurden, quoll noch mehr Rauch aus der Maschine. Die Manner sturzten hinein, um auch die Brandherde im Inneren zu loschen. Andere drangen durch die vorderen Turen ein und halfen den zum Teil sehr schwachen und benommenen Passagieren beim Ausstieg.
Doch bald lie? der Strom der fluchtenden Passagiere spurbar nach. Harry Partridge schatzte, da? etwa zweihundert Leute das Flugzeug verlassen hatten, aber er wu?te auch, da?, einschlie?lich der Crew, 297 Personen an Bord gewesen waren. Die Feuerwehrmanner begannen nun, Verletzte mit offensichtlich sehr starken Verbrennungen herauszutragen, darunter auch zwei Stewardessen. Noch immer drang Rauch aus der Kabine, wenn auch schon deutlich weniger als zuvor.
Minh Van Canh nahm weiterhin das ganze Geschehen auf, er dachte rein professionell und schlo? jeden anderen Gedanken aus, obwohl er sich durchaus bewu?t war, da? er der einzige Kameramann am Schauplatz war und etwas ganz Besonderes, wenn nicht Einzigartiges auf seinen Bandern hatte. Seit dem Absturz der Hindenburg war dies vermutlich das erste Mal, da? eine Luftfahrtkatastrophe solchen Ausma?es live und in solcher Ausfuhrlichkeit aufgenommen wurde.
Krankenwagen waren zum Kommandostand gerufen worden. Etwa zwolf waren bereits da, doch immer noch mehr trafen ein. Sanitater kummerten sich um die Verletzten und legten sie auf die wenigen Bahren. In ein paar Minuten wurden die Opfer auf dem Weg in die Krankenhauser sein, die bereits auf sie vorbereitet waren. Als dann ein Helikopter mit Arzten und Schwestern an Bord landete, glich der Kommandostand neben dem Airbus mehr und mehr einem improvisierten, aber gut funktionierenden Feldlazarett.
Die Geschwindigkeit, mit der das alles passierte, warf ein gutes Licht auf die Notfallplanung des Flugplatzes, dachte Partridge. Uber Funk horte er den Einsatzleiter von etwa einhundertneunzig Geretteten sprechen. Blieben also noch fast einhundert Personen, deren Schicksal ungewi? war.
Ein Feuerwehrmann, der die Atemmaske abgenommen hatte, um sich den Schwei? vom Gesicht zu wischen, stohnte: »O Gott! Auf den hinteren Sitzen liegen Massen von Toten. Dort war vermutlich der Rauch am dichtesten.« Das erklarte auch, warum die vier Heckturen nicht von innen geoffnet worden waren.
Wie immer bei Flugzeugunfallen blieben die Opfer, wo sie waren, bis ein Beamter der Flugsicherheitsbehorde - der angeblich bereits unterwegs war - sie zum Abtransport freigeben wurde.
Nun verlie? auch die Cockpit-Crew, entschieden jede Hilfe ablehnend, das Flugzeug. Als der Kapitan, ein