Brummen zu horen. Er war sich nicht ganz sicher und fragte deshalb: »Was ist das?«

»Ein anderes Boot«, antwortete Fernandez. »Es ist noch ziemlich weit entfernt, kommt aber schnell naher.«

Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, drangen sie in den Dschungel ein.

Der Pfad war bei weitem nicht so schwierig wie der, den Partridge und die anderen drei Tage zuvor bewaltigt hatten. Offensichtlich wurde er haufiger benutzt, denn er war nur leicht uberwuchert und an keiner Stelle unpassierbar.

Trotzdem hatte er seine Tucken. Unebener Boden, vorstehende Wurzeln und weiche Stellen, wo man bis zu den Knocheln in Schlamm oder Wasser versank, waren standige Gefahrenquellen.

»Pa?t auf, wo ihr hintretet«, sagte Fernandez, der an der Spitze des Zuges marschierte und ein sehr forsches Tempo vorgab.

Partridge nahm die Warnung auf und versuchte einen Witz daraus zu machen, um die anderen bei Laune zu halten. »Wir wollen keinen tragen mussen. Ich schwitze auch so schon genug.«

Auch die anderen litten unter der druckenden, feuchten Hitze, die im Lauf des Tages noch schlimmer werden sollte. Die

Insekten waren nicht weniger lastig.

Eine Frage beschaftigte Partridge vor allem: Wie lange konnten Jessica und Nicky es unter diesen morderischen Bedingungen aushalten? Nach einer Weile merkte er, da? Jessica es schaffen wurde; sie hatte die notige Entschlossenheit und offensichtlich auch die Kraft. Doch Nicky zeigte bereits die ersten Anzeichen von Schwache.

Anfangs hatte Nicky sich am Ende des Zuges gehalten, er wollte, wie schon zuvor, bei Partridge sein. Aber Partridge bestand darauf, da? er und Jessica an der Spitze, direkt hinter Fernandez, gingen. »Wir konnen spater noch Zusammensein, Nicky«, sagte er. »Aber jetzt will ich, da? du bei deiner Mutter bleibst.« Nicky hatte nur widerstrebend gehorcht.

Da Partridge annahm, da? das Boot, das sie gehort hatten, ihre Verfolger brachte, machte er sich auf einen Angriff von hinten gefa?t. Falls es dazu kommen wurde, wollte er versuchen, ihn abzuwehren, wahrend die anderen weitermarschierten. Die Kalaschnikow uber seiner Schulter war schu?bereit, und die Reservenmagazine steckten in einer Au?entasche, so da? er mit einem Handgriff nachladen konnte.

Wieder sah Partridge auf die Uhr: 7 Uhr 35. Sie waren schon fast vierzig Minuten unterwegs. Partridge dachte an den Termin um 8 Uhr und hoffte, da? sie bereits drei Viertel der Strecke zuruckgelegt hatten.

Minuten spater waren sie zum Anhalten gezwungen.

Nachtraglich gesehen erschien es wie eine Ironie des Schicksals, da? ausgerechnet Fernandez, der die anderen zur Vorsicht ermahnt hatte, sich in einem im Schlamm verborgenen Wurzelgeflecht verfing und schwer sturzte. Als Partridge zu ihm kam, wurde er bereits von Minh gestutzt, wahrend O'Hara versuchte, seinen Fu? zu befreien. Fernandez verzog vor Schmerzen das Gesicht.

»Sieht so aus, als hatte ich einen Fehler gemacht«, sagte er zu Partridge. »Tut mir leid. Ich habe euch im Stich gelassen.«

Als der Fu? wieder frei war, konnte Fernandez nur unter starken Schmerzen auftreten. Sein Knochel war entweder gebrochen oder schwer verstaucht.

»Das ist nicht wahr; du hast uns nie im Stich gelassen«, sagte Partridge. »Du warst unser Fuhrer und ein guter Kamerad. Wir werden eine Trage fur dich bauen. Dann schaffen wir das schon.«

Fernandez schuttelte den Kopf. »Auch wenn's moglich ware, dazu ist keine Zeit. Ich hab' zwar bisher nichts gesagt, Harry, aber ich habe hinter uns Gerausche gehort. Sie verfolgen uns und sind schon ziemlich nahe. Ihr mu?t weitergehen, ich bleibe hier.«

Jessica kam dazu. »Wir konnen ihn doch nicht hierlassen«, sagte sie zu Partridge.

»Einer von uns kann ihn auf den Rucken nehmen«, sagte O'Hara. »Ich werde es versuchen.«

»In dieser Hitze?« Fernandez klang ungeduldig. »Keine hundert Meter weit wurdest du kommen, und ihr mu?tet alle viel langsamer gehen.«

Partridge wollte selber protestieren, merkte aber, da? es sinnlos war. Fernandez hatte recht, es gab keine andere Moglichkeit, als ihn zuruckzulassen. So sagte er nur: »Wenn es irgendwie geht, kommen wir zuruck und holen dich.«

»Vergeudet keine Zeit mehr. Ich will nur noch schnell ein paar Dinge sagen.« Fernandez sa? an einen Baum gelehnt neben dem Pfad. Das Unterholz war zu dicht, um ihn weiter hineinzusetzen. Partridge und Jessica knieten sich neben ihn.

»Ich habe eine Frau und vier Kinder«, sagte Fernandez. »Ich mochte gern in dem Bewu?tsein sterben, da? sich jemand um sie kummert.«

»Du arbeitest fur CBA«, erwiderte Partridge, »und CBA wird fur sie sorgen. Ich gebe dir mein Wort, das ist ein offizielles Versprechen. Die Ausbildung der Kinder - alles.«

Fernandez nickte und wies dann auf das M-16, das er getragen hatte. »Das Gewehr nehmt besser ihr. Ihr werdet es brauchen. Aber ich habe nicht die Absicht, am Leben zu bleiben. Ich hatte gern eine Pistole.«

Partridge zog seine Browning aus der Tasche, schraubte den Schalldampfer ab und gab sie ihm.

»Oh, Fernandez!« Jessicas Stimme klang erstickt, ihre Augen fullten sich mit Tranen. »Nicky und ich verdanken dir so viel.« Sie beugte sich vor und ku?te ihn auf die Stirn.

»Jetzt geht endlich!« drangte Fernandez. »Verliert keine Zeit mehr, sonst war alles umsonst, was wir bis jetzt erreicht haben!«

Wahrend Jessica aufstand, nahm Partridge Fernandez in den Arm und ku?te ihn auf beide Wangen. Hinter ihm warteten Minh und O'Hara, die Fernandez ebenfalls zum Abschied umarmen wollten.

Partridge stand auf und ging weg. Er drehte sich nicht mehr um.

Als Miguel das Boot am Ufer vor dem Dschungelpfad liegen sah und erkannte, da? es eins aus ihrer Flotte war, war er froh, da? er im Boot nach Sion mitgefahren war.

Es freute ihn noch mehr, als Ramon, der sofort nach dem Anlegen zu dem anderen Boot gelaufen war, heruberrief: »Un motor esta caliente, el otro frio - fundido.«

Der noch hei?e Motor bedeutete, da? die Fluchtenden noch nicht sehr lange im Dschungel sein konnten. Der kalte ausgebrannte Motor wies darauf hin, da? das Boot nur mit halber Kraft gefahren und deshalb verspatet hier angekommen war.

Neben Miguel gehorten sieben Mann zu der Sendero-Truppe.

In Spanisch rief Miguel nun den Mannern zu: »Der bourgeoise Abschaum kann noch nicht weit sein. Wir werden sie fangen und bestrafen. Wir mussen nur ebenso schnell sein wie Guzmans Zorn!«

Unter heiserem Lachen machten sie sich auf den Weg.

»Wir sind ein paar Minuten zu fruh dran«, sagte Rita Abrams zu Oswaldo Zileri, dem Piloten der Cheyenne II, als sie die Landepiste bei Sion anflogen - ihr erstes Ziel. Kurz zuvor hatte sie auf die Uhr gesehen: 7 Uhr 55.

»Wir werden kreisen und beobachten«, erwiderte der Pilot. »Aber es ist unwahrscheinlich, da? Ihre Freunde hierher kommen.«

Wie schon am Tag zuvor spahten alle vier - Rita, Crawford Sloane, Zileri und Felipe, der Kopilot - hinunter auf das dichte grune Blatterdach. Sie suchten nach Anzeichen von Bewegung, vor allem in der Umgebung der kurzen, von Baumen gesaumten Landepiste, die nur zu erkennen war, wenn die Maschine sich direkt daruber befand. Doch auch an diesem Tag war nichts zu erkennen.

Fur Nicky wurde es allmahlich immer schwieriger, bei dem morderischen Tempo mitzuhalten. Jessica und Minh halfen ihm, nahmen ihn bei den Armen und zogen oder hoben ihn uber besonders schwierige Stellen. Irgendwann mu?te Nicky getragen werden, doch fur den Augenblick sparten sich die anderen noch ihre Krafte auf.

Fernandez hatten sie vor etwa zehn Minuten zuruckgelassen. Nun fuhrte Ken O'Hara die Gruppe an. Partridge lief am Ende wie schon zuvor und sah sich immer wieder um. Bis jetzt hatte er noch nichts entdecken konnen.

Das Blatterdach uber ihren Kopfen schien etwas durchlassiger zu werden, Sonnenlicht brach durch die Aste und auch der Weg war breiter geworden. Partridge schlo? daraus, da? sie sich der Landepiste naherten. Er glaubte auch, in der Entfernung das Gerausch eines Flugzeugs gehort zu haben, aber er war sich nicht sicher. Wieder sah er auf die Uhr: fast 7 Uhr 55.

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