Angus Sloane seufzte zufrieden, stellte seine Kaffeetasse ab und wischte sich mit einer Serviette uber den Mund und den silbergrauen Schnurrbart. »Eines steht fest«, verkundete er, »im ganzen Staat New York ist an diesem Morgen kein besseres Fruhstuck serviert worden.«
»Und auch keins mit einem hoheren Cholesteringehalt«, erwiderte sein Sohn hinter einer aufgeschlagenen
»Wer wird denn zahlen!« sagte Jessica. »Ubrigens, wenn sich einer die Eier leisten kann, Crawf, dann du. Angus, magst du noch eins?«
»Nein, vielen Dank, meine Liebe«, erwiderte der alte Mann mit einem freundlichen Lacheln. Trotz seiner dreiundsiebzig Jahre wirkte er frisch und munter.
»Drei Eier sind doch nicht viel«, sagte Nicky. »Ich hab' mal einen Film uber ein Gefangnis im Suden gesehen. Da hat jemand funfzig Eier gegessen.«
Crawford Sloane lie? die Zeitung sinken. »Der Film, den du meinst, hei?t
»Vor kurzem war ein Vertreter hier«, bemerkte Jessica, »der uns die
»Was kann ich denn dafur«, erwiderte Sloane, »da? ein paar von den Nachrichten, mit denen ich taglich umgehe, bei mir hangenbleiben. Nur wei? man nie, was hangenbleibt und was man wieder vergi?t.«
Sie sa?en im hellen Fruhstuckszimmer, das sich an die Kuche anschlo?. Erst vor einer halben Stunde war Angus eingetroffen; zur Begru?ung hatte er seine Schwiegertochter und seinen Enkel herzlich umarmt und Crawford etwas formlicher die Hand geschuttelt.
Das leicht gespannte Verhaltnis zwischen Vater und Sohn, das bei Crawford manchmal sogar zur Verargerung fuhrte, reichte weit zuruck. Es hatte vorwiegend mit verschiedenen Ansichten und Wertvorstellungen zu tun. Angus hatte die Aufweichung nationaler und personlicher Moralbegriffe, die ab Ende der Sechziger von den meisten Amerikanern akzeptiert wurde, nie verwunden. Er glaubte noch immer eifrig an »Ehre, Pflicht und Vaterland« und da? seine Landsleute weiterhin den gleichen kompromi?losen Patriotismus an den Tag legen sollten, der wahrend des Zweiten Weltkriegs existiert hatte - dem Hohepunkt von Angus' Leben, uber den er sich unendlich ausbreiten konnte. Gleichzeitig stand er vielen Grundsatzen kritisch gegenuber, die sein Sohn, als Nachrichtensammler, inzwischen fur normal und progressiv hielt. Crawford seinerseits besa? wenig Toleranz fur die Denkweise seines Vaters, die, wie er meinte, zu sehr in der Vergangenheit verwurzelt war und den immensen Zuwachs an naturwissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnissen in den vier Jahrzehnten seit dem Krieg nicht berucksichtigte. Au?erdem war Crawford so vermessen zu glauben, da? er, weil er den Gipfel seiner beruflichen Karriere erreicht hatte, zu einem qualifizierteren Urteil uber die Welt und die Menschen fahig sei als die meisten anderen.
Nun zeigte sich bereits in diesen fruhen Morgenstunden, da? sich die Kluft zwischen Crawford und seinem Vater nicht verringert hatte.
Wie schon unzahlige Male zuvor hatte Angus ihnen auch heute wieder erzahlt, da? er es sein ganzes Leben lang vorgezogen hatte, bei Reisen moglichst fruh am Morgen an seinem Zielort einzutreffen. Deshalb war er schon am Abend zuvor von Florida nach La Guardia geflogen, hatte bei einem alten Kumpel aus der American Legion, der in der Nahe des Flughafens wohnte, ubernachtet und war schlie?lich, kurz nach Sonnenaufgang, mit Bus und Taxi nach Larchmont gekommen.
Crawford hatte wahrend dieses altvertrauten Berichts die Augen zur Decke gehoben. Und Jessica, die lachelte und nickte, als wurde sie die Geschichte zum ersten Mal horen, hatte Angus unterdessen seine geliebten Eier mit Schinken gebraten und fur sich und die beiden anderen ein etwas gesunderes Musli zubereitet.
»Wegen meinem Herz und den Eiern«, sagte Angus nun, denn er brauchte manchmal ein paar Minuten, um eine Bemerkung zu verdauen und darauf zu reagieren. »Ich glaube, wenn's die Pumpe schon so lange ausgehalten hat, dann brauch' ich mir wegen dem Cholesterin jetzt auch keine Sorgen mehr zu machen. Na, und wir beide, mein Herz und ich, waren schon in einigen brenzligen Situationen und sind immer wieder heil rausgekommen. Da konnt' ich euch einiges erzahlen.«
Crawford lie? die Zeitung eben so weit sinken, da? er Jessica einen warnenden Blick zuwerfen konnte.
Sloane faltete die
»Ich hab' gestern abend euren Filmbeitrag gesehen«, bemerkte Angus. »Von diesem Partridge. Der Kerl gefallt mir. Wenn der aus dem Ausland berichtet, vor allem uber unsere Streitkrafte, dann macht der mich wieder richtig stolz, Amerikaner zu sein. Viele von deinen Leuten tun das nicht, Crawford.«
»Die Sache hat aber leider einen Haken«, erwiderte Sloane. »Harry Partridge ist kein Amerikaner. Er ist Kanadier. Und au?erdem wirst du eine Weile ohne ihn auskommen mussen. Er hat namlich Urlaub.« Dann setzte er neugierig hinzu: »Wer von unseren Leuten macht dich denn nicht stolz?«
»So ziemlich alle anderen. Es ist die Art, wie die meisten Fernsehleute alles in den Schmutz ziehen, besonders unsere Regierung. Sie lassen kein gutes Haar an unserem Staat und versuchen bestandig, den Prasidenten lacherlich zu machen. Kein Mensch ist mehr auf irgend etwas stolz. Macht dir denn das uberhaupt nichts aus?«
Als Sloane nicht antwortete, sagte Jessica leise zu ihm: »Dein Vater hat deine Frage beantwortet. Jetzt solltest du auch auf seine antworten.«
»Dad«, erwiderte Sloane, »wie beide haben uber dieses Thema doch schon ofters gesprochen, und ich glaube nicht, da? wir da je zu einer Ubereinstimmung kommen werden. Was du >in den Schmutz ziehen< nennst, halten wir im Nachrichtengewerbe fur legitimes Hinterfragen, fur das Recht der Offentlichkeit auf Information. Es gehort zu den Aufgaben der Nachrichtenmedien, Politiker und Burokraten zu kritisieren, alles in Frage zu stellen, was man uns erzahlt - und das ist auch gut so. Denn wenn man es genau nimmt, lugen alle Regierungen, ob nun Demokraten oder Republikaner, Liberale, Sozialisten oder Konservative. Sobald sie im Amt sind, tun sie es alle.
Naturlich gehen wir, die die Nachrichten aufspuren, manchmal sehr hart ran und gelegentlich, das mu? ich zugeben, auch zu weit. Aber dank unserer Arbeit kommt ein Menge an Gaunereien und Heuchelei ans Tageslicht, die sich die Machtigen fruherer Tage ungestraft erlauben konnten. Gerade wegen der kritischeren Berichterstattung, fur die ubrigens das Fernsehen ein Wegbereiter war, wird unsere Gesellschaft ein wenig besser, ein wenig sauberer, kommt dieses Land seinem Ideal ein wenig naher.
Und was die Prasidenten betrifft, Dad, wenn einige von ihnen lacherlich wirken, und bei den meisten ist es der Fall, dann haben sie sich das selber zuzuschreiben. Naturlich helfen wir von den Medien ab und zu ein wenig nach, weil wir eben Skeptiker und manchmal auch Zyniker sind, und weil wir uns von diesen Prasidenten keinen Honig ums Maul schmieren lassen. Und die ganzen Mauscheleien in hohen und hochsten Amtern geben uns allen Grund, so zu sein, wie wir sind.«
»Ich finde, der Prasident sollte irgendwie allen gehoren und nicht nur einer Partei«, sagte Nicky. Dann fugte er nachdenklich hinzu: »Ware es nicht besser gewesen, wenn die Grundervater Washington zum Konig gemacht hatten und Franklin oder Jefferson zum Prasidenten? Dann waren Washingtons Kinder und Enkel und Urenkel Konige und Koniginnen geworden, und wir hatten ein Staatsoberhaupt, auf das wir stolz sein, und einen Prasidenten, dem wir fur alles die Schuld geben konnten, so wie es die Briten mit ihrem Premierminister tun.«
»Es ist ein gro?er Verlust fur Amerika«, entgegnete sein Vater, »da? du nicht bei der verfassunggebenden Versammlung dabei warst, um diese Idee vorzuschlagen. Mal abgesehen davon, da? Washington nur Adoptivkinder hatte, ist der Vorschlag vernunftiger als vieles, was seitdem passiert ist.«
Alle lachten, doch plotzlich wurde Angus wieder ernst und sagte: »Die Berichterstattung in meinem Krieg - dem Zweiten Weltkrieg, Nicky - war anders als heutzutage. Wir hatten das Gefuhl, da? die Leute, die uber den Krieg schrieben oder im Radio uber ihn sprachen, auf unserer Seite standen. Heute ist das ganz anders.«