Drogenkuriere landeten oft hier, und bei technischem Gerat sparten die Kartelle nicht am Geld.
»Ich lande«, sagte Underhill, und der Kopilot ubergab ihm das Steuer.
In tausend Fu? Hohe uberflog der Pilot das Gelande, pragte sich das wenige ein, was von der Landebahn zu sehen war, und berechnete seinen Anflug. Er wu?te, da? sie jeden verfugbaren Meter Piste brauchen wurden, und auch, da? Baume und dichtes Buschwerk die Bahn zu beiden Seiten begrenzte; seine Landung mu?te also perfekt sein. Er begann mit dem Anflug. Den Fallwind ausnutzend, flog er parallel zu der Piste und verlor dabei an Hohe.
Faulkner neben ihm traf letzte Landevorbereitungen. Bei »Fahrgestell ausgefahren« horte man, wie die Rader sich rumpelnd senkten. Wahrend sie in einer engen Linkskurve wieder auf die Piste zuflogen, blinkten die drei grunen Kontrollampen des Fahrwerks auf.
Beim endgultigen Anflug zerschnitten die beiden hellen Landescheinwerfer der Maschinen die Dunkelheit vor ihnen, und Underhill drosselte die Geschwindigkeit auf 120 Knoten. Ihm ware es lieber gewesen, wenn er bei Tageslicht hatte landen konnen, aber sie hatten nicht mehr genug Treibstoff, um bis zum Sonnenaufgang um 6 Uhr uber der Piste zu kreisen. Wahrend der Streifen nun immer naher kam, merkte Underhill plotzlich, da? sie zu hoch waren. Er drosselte die Triebwerke. Der Anfang der Piste war nur noch funfzehn Meter entfernt. Schub weg und die Nase hochgezogen. Das war's! Etwas unsanft setzten sie auf der rauhen, unebenen Bahn auf. Das Steuer fest in der Hand, um auf einer geraden Linie zu bleiben, die Baume am Rand nur Schatten im Licht der Landescheinwerfer. Gegenschub... Bremsen! Das mittlere Signallicht lag bereits hinter ihnen, sie wurden langsamer. War es langsam genug? Das Ende der Piste war beunruhigend nahe, aber sie standen schon fast. Und dann hatten sie es geschafft - auf dem allerletzten Meter.
»Gut«, sagte Faulkner. Er mochte Underhill nicht besonders; sein Vorgesetzter war egoistisch, rucksichtslos und arrogant. Aber er war dennoch ein hervorragender Pilot.
Als Underhill den Lear wendete und zum Anfang der Piste zuruckrollte, waren fluchtig ein Lastwagen und einige huschende Gestalten zu sehen. Seitlich hinter dem Lastwagen stand eine kleine, grob zusammengezimmerte Hutte und daneben einige Metalltonnen.
»Das ist unser Treibstoff«, sagte Underhill und wies auf die Tonnen. »Die Kerle werden dir beim Auftanken helfen; aber beeil dich, weil ich mit dem ersten Sonnenstrahl von hier verschwinden will.« Bogota in Kolumbien war ihr nachstes Ziel, dort endete der Auftrag. Waren sie erst einmal in der Luft, lag nur noch ein kurzer und einfacher Flug vor ihnen.
Underhill wu?te, da? dieses Dschungelgebiet Niemandsland war, hart umkampft vom Sendero Luminoso, der Peruanischen Armee und manchmal auch der Antiterror-Polizei der Regierung. Da alle drei wegen ihrer Brutalitat beruchtigt waren, hielt sich niemand gern lange in dieser Gegend auf. Aber die Passagiere des Learjet wurden hier aussteigen, und auf ein Zeichen von Underhill griff Faulkner hinter sich und offnete die Tur zwischen Cockpit und Kabine.
Miguel, Socorro, Rafael und Baudelio waren froh, nach dem Landeanflug in der Dunkelheit nun wieder festen Boden unter den Fu?en zu haben. Aber mit der Erleichterung kam auch das Bewu?tsein, da? nun ein neuer Abschnitt ihres Unternehmens begann. Das traf vor allem auf Baudelio zu. Hatte er wahrend des Fluges die Sarge mit seinen externen Instrumenten uberwacht, so begann er nun, die Betaubungsdosis zu verringern, denn er wu?te, da? man in Kurze die Sarge offnen und seine Patienten - so sah er sie noch immer - herausnehmen wurde.
Augenblicke spater blieb der Learjet stehen, die Turbinen wurden ausgeschaltet, und Faulkner verlie? seinen Platz, um die Rumpftur zu offnen. Im Gegensatz zur kontrollierten Temperatur im Innern der Kabine war die Luft drau?en erstickend hei? und schwul.
Wahrend die Passagiere ausstiegen, wurde deutlich, da? sich Aufmerksamkeit und Respekt der Leute, die sie am Boden erwarteten, vorwiegend auf Miguel und Socorro richteten. Bei Miguel war das offensichtlich seiner Rolle als Anfuhrer zuzuschreiben, bei Socorro ihrer Verbindung zum Sendero Luminoso.
Acht Manner bildeten das Empfangskomitee. Trotz der Dunkelheit konnte man im Widerschein der Lampen erkennen, da? alle acht kleine, aber kraftige, typisch bauerliche Gestalten mit wettergegerbten Gesichtern waren. Der offensichtlich Jungste der Truppe trat vor und stellte sich als Gustavo vor. Zu Miguel sagte er:
Nach dieser Bekundung seiner Bereitschaft, Befehle entgegenzunehmen, wandte er sich mit einer Verbeugung an Socorro:
Underhill stieg gerade rechtzeitig aus dem Flugzeug, um den letzten Satz noch mitzubekommen. »Welche Gefangenen sollen neunzig Kilometer weit mit dem Boot transportiert werden?«
Miguel war es nicht recht, da? Underhill nun den Namen ihres Zielorts, Nueva Esperanza, kannte. Davon abgesehen, hatte er ohnehin mehr als genug von diesem unverschamten Piloten; das »Ihr seid aber verdammt spat dran« zur Begru?ung in Teterboro fiel ihm wieder ein und auch die anderen Anlasse wahrend der Reise, bei denen der Pilot seine Feindseligkeit unverhullt zum Ausdruck gebracht hatte. Und da Miguel nun wieder auf festem Boden stand, wo der andere keine Befehlsgewalt hatte, sagte er nur verachtlich: »Das geht Sie nichts an.«
»Alles, was in diesem Flugzeug passiert, geht mich etwas an«, fauchte Underhill ihn an. Dann warf er einen fluchtigen Blick auf die Sarge. Ursprunglich hatte er so wenig wie moglich uber deren Inhalt wissen wollen. Doch nun schien es ihm instinktiv besser, wenn er, als Absicherung fur spater, mehr daruber in Erfahrung brachte. »Was ist da drin?«
Doch Miguel ignorierte den Piloten und befahl Gustavo:
»Nein!« Underhill stellte sich vor die Tur. »Sie werden diese Sarge erst ausladen, wenn Sie meine Frage beantwortet haben!« Die Hitze zeigte bei ihm bereits Wirkung, der Schwei? lief ihm uber das Gesicht und die kahle Stirn.
Miguel warf Gustavo einen fluchtigen Blick zu und nickte. Fast im gleichen Augenblick regte sich im Hintergrund etwas, metallisches Klicken war zu horen, und plotzlich sah Underhill in die Mundungen von sechs Kalaschnikows, die die Manner der Bodenmannschaft entsichert und mit um den Abzug gekrummten Fingern auf ihn richteten.
Beim Anblick der MPs verlie? Underhill der Mut. »Um Himmels willen, ist ja gut!« rief er. Dann sah er von den Waffen zu Miguel. »Sie haben sich deutlich genug ausgedruckt. Lassen Sie uns nur auftanken, und dann verschwinden wir von hier.«
Ohne die Bitte zu beachten, fauchte Miguel ihn an: »Weg vo n der Tur!« Underhill gehorchte, und Miguel nickte noch einmal. Die Waffen wurden wieder gesenkt, und vier der Manner kletterten in das Flugzeug. Der Kopilot begleitete sie und loste die Gurte von den Sargen, die nun, einer nach dem anderen, aus dem Flugzeug gehoben und zur Hutte getragen wurden. Baudelio und Socorro folgten.
Eineinhalb Stunden waren seit der Landung des Learjet vergangen. Inzwischen, wenige Minuten vor Sonnenaufgang, waren die Piste und ihre Umgebung deutlicher zu erkennen. Die Maschine war bereits fur den Weiterflug nach Bogota aufgetankt. Mit Hilfe einer tragbaren Pumpe hatten die Manner den Treibstoff aus den Tonnen in den Flugzeugtank eingefullt. Underhill suchte nun Miguel, um ihn uber den bevorstehenden Abflug zu informieren.
Miguel und die anderen seien in der provisorischen Hutte, gab Gustavo ihm mit einem Zeichen zu verstehen. Underhill ging darauf zu.
Die Tur war nur angelehnt, und da er von drinnen Stimmen horte, stie? der Pilot sie auf. Im nachsten Augenblick blieb er wie erstarrt stehen, entsetzt uber den Anblick, der sich ihm bot.
Auf dem Lehmboden der Hutte sa?en, mit den Rucken zur Wand, drei Gestalten. Sie lie?en die Kopfe hangen, die Munder standen offen, man sah, da? sie betaubt worden waren, aber noch lebten. Zwei der inzwischen leeren und geoffneten Sarge standen zu beiden Seiten, um sie abzustutzen. Eine einzige Ollampe beleuchtete die Szene.
Underhill wu?te sofort, wer die drei waren. Es war unmoglich, es nicht zu wissen. Er horte taglich die amerikanischen Nachrichten und las amerikanische Zeitungen, die er im Ausland in Flughafen und Hotels kaufte. Aber auch die kolumbianische Presse berichtete uber die Entfuhrung der Familie des beruhmten amerikanischen Nachrichtensprechers.
Angst, eiskalte Angst beschlich Denis Underhill. Er hatte schon oft in der Grauzone der Legalitat gearbeitet, bei Charterflugen von und nach Lateinamerika war das unausweichlich. Aber noch nie war er in ein solches
