der Regen so plotzlich auf, wie er begonnen hatte, und im gleichen Augenblick verlie? alle drei der Mut, als sie sahen, was fur ein entsetzlicher Ort da vor ihnen lag.

Vom Ufer fuhrte ein morastiger Pfad zu einer Gruppe von heruntergekommenen Hausern, insgesamt etwa zwei Dutzend, von denen einige nur provisorische, aus Kistenbrettern und Wellblech zusammengenagelte Hutten waren. Die meisten Hauser waren fensterlos, nur bei zweien war an der Vorderseite eine Art Ladenfront erkennbar. Die Strohdacher waren verwahrlost, in einigen klafften riesige Locher. Leere Dosen und anderer Abfall lag in der Umgebung verstreut. Einige magere Huhner liefen frei herum. Etwas abseits lag ein toter Hund, auf dem Geier herumpickten.

Sah es weiter entfernt vielleicht besser aus? Als traurige Antwort kam eine unebene, vom Regen aufgeweichte Stra?e in Sicht, die aus dem Dorf hinaus auf einen Hugel fuhrte und hinter dessen Gipfel verschwand. Dichte Dschungelwande begrenzten die Stra?e zu beiden Seiten, Gebaude waren keine mehr zu entdecken.

Spater sollten Jessica und die anderen erfahren, da? Nueva Esperanza eigentlich ein Fischerdorf war, das der Sendero Luminoso hin und wieder fur Zwecke benutzte, die die Organisation geheimhalten wollte.

»Vdyanse a tierra! Muevanse! Apurense!« schrie Gustavo die Gefangenen an und gab ihnen mit Gesten zu verstehen, sie sollten sich bewegen. Niedergeschlagen folgten Jessica und die anderen dem Befehl, sie wagten gar nicht daran zu denken, was ihnen noch bevorstand.

Was Augenblicke spater geschah, ubertraf ihre schlimmsten Befurchtungen.

Gustavo und vier weitere Manner fuhrten sie uber den morastigen Weg zu der Hutte, die am weitesten vom Flu? entfernt stand. Im Inneren dauerte es dann einige Minuten, bis sich ihre Augen an das Halbdunkel gewohnt hatten. Doch als Jessica dann etwas erkennen konnte, schrie sie entsetzt auf.

»O mein Gott, nein! Sie konnen uns doch nicht da hineinsperren. Doch nicht in Kafige, wie wilde Tiere. Bitte! Bitte nicht!«

Was sie im Hintergrund der Hutte entdeckt hatte, waren drei abgeteilte Zellen von je knapp drei Metern im Quadrat. Dunne, aber kraftige, fest miteinander verknotete Bambusstabe ersetzten die Eisengitter. Zusatzlich war an die Trenngitter der einzelnen Zellen Maschendraht genagelt worden, um Korperkontakt zwischen den Gefangenen oder einen Austausch von Gegenstanden unmoglich zu machen. An der Vorderseite jeder Zelle befand sich eine Tur, die sich mit einer Stange und einem schweren Vorhangeschlo? verriegeln lie?.

Die Einrichtung der Zellen bestand aus einer Holzpritsche mit einer dunnen, fleckigen Matratze und einem verzinkten Blechkubel neben der Pritsche, der vermutlich als Toilette dienen mu?te. In der Hutte stank es entsetzlich.

Wahrend Jessica noch flehte und protestierte, wurde sie von Gustavo gepackt. Sie wehrte sich, doch seine Hande waren wie Stahl. Er stie? sie vorwarts und befahl: »Vete para adentro!« Dann wiederholte er in gebrochenem Englisch: »Du da rein!«

»Da rein« hie? in die Zelle, die am weitesten von der Huttentur entfernt war, und Gustavo warf Jessica mit einem brutalen Sto? gegen die hintere Wand. Wahrend sie dagegenfiel, wurde die Zellentur geschlossen, sie horte das metallische Klicken des Vorhangeschlosses. Am anderen Ende der Hutte horte sie nun Angus schreien und kampfen, doch auch er wurde uberwaltigt und in die Zelle gesto?en; das Schlo? schnappte ein.

In der Zelle neben sich horte sie Nicky weinen.

Tranen der Wut, der Enttauschung und der Verzweiflung liefen ihr uber die Wangen.

8

Eineinhalb Wochen waren vergangen, seitdem CBA News die sechzig Hilfskrafte losgeschickt hatte, um in den Lokalzeitungen der Gegend nach moglichen Hinweisen auf den Unterschlupf der Entfuhrer zu suchen. Doch bis jetzt hatte man noch nichts erreicht, und auch sonst gab es keine Fortschritte.

Das FBI gab zwar nicht offen zu, da? es in einer Sackgasse steckte, hatte aber auch nichts Neues zu berichten. Und die CIA, die angeblich ebenfalls an dem Fall arbeitete, gab sowieso keine offentlichen Erklarungen ab.

Jeder schien auf ein Zeichen von den Kidnappern zu warten, darauf, da? sie Forderungen stellten, doch das war bis jetzt noch nicht geschehen.

Die Entfuhrungsgeschichte war noch immer gut fur eine Nachrichtenmeldung, aber im Fernsehen stand sie nicht mehr an erster Stelle, und auch die Zeitungen brachten sie nur noch auf den Innenseiten.

Trotz des offensichtlich nachlassenden Interesses der Offentlichkeit, bluhten auch weiterhin die Spekulationen. Die offentliche Meinung tendierte immer mehr zu der Annahme, die Entfuhrungsopfer seien heimlich au?er Landes gebracht worden. Die Spekulationen uber die Frage wohin konzentrierten sich auf den Nahen Osten.

Nur bei CBA News gab es Hinweise in eine ganz andere Richtung. Da die Spezialeinheit den kolumbianischen Terroristen Ulises Rodriguez als Mitglied und wahrscheinlichen Anfuhrer der Bande identifiziert hatte, konzentrierte sich dort die ganze Aufmerksamkeit auf Lateinamerika. Doch leider hatte man noch nicht feststellen konnen, welches Land den Entfuhrern als Basis diente.

Zur Uberraschung aller Beteiligten blieb das Wissen um Rodriguez' Beteiligung exklusiv auf CBA beschrankt. Man hatte erwartet, da? andere Sender und die Zeitungen von der Entdeckung erfahren und sie in der Offentlichkeit verbreiten wurden, doch das war bis jetzt nicht geschehen. Eine Garantie fur die Zukunft war das allerdings nicht. Und einigen bei CBA war auch nicht eben wohl bei dem Gedanken, da? die Nachrichtenabteilung dem FBI die Information uber Rodriguez vorenthielt.

In der Zwischenzeit hielt CBA die Entfuhrungsgeschichte mehr als andere Sender am Leben, und zwar auf eine aggressive Art, die sie beim Rivalen CBS abgeschaut hatten. Wahrend der Geiselkrise im Iran zwischen 1979 und 1981 hatte Walter Cronkite, der Moderator der CBS Evening News, jede Sendung mit dem Satz beendet: »Soweit die Nachrichten vom (Datum), dem -ten Tag der Gefangenschaft der amerikanischen Geiseln im Iran.« (Am Ende waren es 444 Tage.)

Barbara Matusow, Historikerin und moralische Instanz des Fernsehens, schrieb daruber in ihrem Buch The Evening Stars, Cronkite sei »zu dem Entschlu? gekommen, ...die Geiseln seien so wichtig, da? man sie jeden Abend aufs Neue ins Bewu?tsein der Offentlichkeit bringen musse«.

Ahnlich begann auch Harry Partridge, der als zweiter Sprecher noch immer alles moderierte, was die Entfuhrung betraf, seine Meldungen: »Heute, am (soundsovielten) Tag seit der brutalen Entfuhrung der Familie des Chefsprechers von CBA News, Crawford Sloane...« Danach folgte der eigentliche Bericht.

Nach Absprache mit Les Chippingham und Chuck Insen brachte man in jeder Ausgabe der National Evening News eine Erwahnung der Entfuhrung, auch wenn man nur berichten konnte, da? es noch keine neuen Entwicklungen gab.

Doch am Mittwochmorgen, zehn Tage nach Beginn der Zeitungsaktion, ereignete sich etwas, das die gesamte Nachrichtenabteilung wieder auf Hochtouren brachte. Es bedeutete gleichzeitig das Ende der Tatenlosigkeit, die schwer auf den Mitgliedern der Spezialeinheit lastete.

Zu der Zeit sa? Harry Partridge in seinem Buro. Plotzlich standen Teddy Cooper und Jonathan Mony, der junge, vielversprechende Schwarze, in seiner Tur.

»Vielleicht haben wir etwas, Harry«, sagte Cooper.

Partridge winkte die beiden in sein Zimmer.

»Jonathan wird es dir erzahlen«, sagte Cooper. »Schie? los.«

»Ich war gestern bei einem Lokalblatt in Astoria, Mr. Partridge«, begann Mony selbstbewu?t. »Das ist in Queens, in der Nahe von Jackson Heights. Ich konnte dort zwar nichts finden, aber als ich wieder drau?en war, fiel mit das Buro einer spanischen Zeitung mit dem Namen Semana auf. Ich bin dann einfach reingegangen, obwohl die nicht auf der Liste war.«

»Sie sprechen Spanisch?«

Mony nickte. »Ziemlich gut. Ich hab' mich dann erkundigt, ob ich die Ausgaben der letzten drei Monate einsehen durfte, und sie hatten nichts dagegen. Es war zwar auch Fehlanzeige, aber beim Gehen druckten die mir noch ihre letzte Ausgabe in die Hand. Ich habe sie mit nach Hause genommen und gestern abend gelesen.«

»Und heute morgen hat er sie mir gezeigt«, erganzte Cooper. Er zog ein Boulevardblattchen aus der Tasche und breitete es vor Partridge aus. »Da ist ein Artikel, von dem wir glauben, da? er dich interessiert, und das ist Jonathans Ubersetzung.«

Partridge warf einen fluchtigen Blick auf die Zeitung und las dann die Ubersetzung.

Hallo Leute, es ist zwar kaum zu glauben, aber es gibt wirklich Spinner, die sich Sarge kaufen

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