machtigen Schlag seiner Schwanzflossen sprang er aus dem Becken und in hohem Bogen uber Bord. Wasser spritzte umher und durchna?te die Manner. Ridenour trat an die Reling und blickte ihm nach.

„Wird er sich wieder blicken lassen?“ fragte Flandry.

Der Wissenschaftler richtete sich auf. „Es wird einige Stunden dauern. Halten Sie sich ab funfzehn Uhr bereit. Ich mochte meine Aufzeichnungen studieren.“

Er ging uber das schwankende Deck zu seiner Kajute. Flandrys Blicke folgten ihm. Wieviel wei? er wirklich? fragte er sich. Jedenfalls mehr, als er sagt und als er vom Gefangenen erfahren haben kann…

Er gesellte sich wieder zu den Mannern, die ins Meer hinabtauchen sollten. Zwei von Ridenours Assistenten, ein Ingenieur und vier stammige Marinesoldaten, die auf Erfahrungen im Tauchsport zuruckblicken konnten. Er kannte sie kaum; sie waren ihm fremder als Dragoika und ihre Mannschaft.

Der Ruhm, mit dem er sich auf der Reede von Ujanka bedeckt hatte, war vom kalten Seewind fortgeblasen worden. Das gleiche lie? sich von dem berauschenden Gefuhl sagen, das ihn durch die folgenden Tage begleitet hatte: da? er, Dominic Flandry, nicht mehr ein grunschnabliger Jungling sei, sondern der Held von Kursoviki, der einzige Mann, der das Landvolk zu Friedensgesprachen uberreden konnte. Nach einem kargen Lob des Admirals war von alledem nichts als die vom Marinestab widerwillig akzeptierte Notwendigkeit ubriggeblieben, da? er die Abgesandten begleiten mu?te, damit ihre Mission die Unterstutzung der Einwohner Ujankas finden konnte. Und Ridenour hatte ihm barsch erklart, er solle sich nicht in ihre Arbeit einmischen.

Flandry gab sich so nonchalant wie moglich und schlenderte zu Dragoika. Sie betrachtete ihn ernst. „Ich mochte nicht, da? du da hinuntertauchst“, sagte sie.

„Unsinn“, antwortete er. „Das ist ein schones Abenteuer.“

„Ich verstehe dich nicht. Abenteuer? Dort unten, wo die Gebeine unserer Mutter liegen, die sie ertrankt haben? Wo es keine Sonne und keine Monde gibt, nur Dunkelheit und kalte Stromungen? Zwischen Feinden und Ungeheuern? Der Kampf war besser.“

„Ich werde bald zuruck sein. Dieser erste Besuch hat nur den Zweck, sie zu fragen, ob sie uns am Meeresboden ein Kuppelzelt errichten lassen. Ist das geschehen, konnt ihr umkehren.“

„Wie lange wirst du in diesem Kuppelzelt dort unten bleiben?“

„Ich wei? es nicht. Hoffentlich nicht langer als ein paar Tage, wenn sich alles gut anla?t. Man wird mich nicht so sehr brauchen.“

„Dann werde ich nicht mehr in Ujanka sein“, sagte Dragoika. „Die ›Archer‹ mu? eine neue Ladung Holz nach Suden bringen, und die Schwesternschaft will den Waffenstillstand ausnutzen. Niemand wei?, wie lange er anhalten wird.“

„Aber du wirst zuruckkommen, nicht? Du brauchst mich nur zu rufen, und ich besuche dich in Ujanka.“

„Eines Tages wirst du fur immer fortgehen.“

„Hm… Dies ist nicht meine Welt, wei?t du.“

„Ich wurde gerne deine sehen“, sagte sie sehnsuchtig. „Die Geschichten, die wir horen, die Bilder, die wir sehen — es mu? wie ein Traum sein. Wie die verlorene Insel. Vielleicht ist sie es wirklich?“

„Ich furchte nicht.“ Flandry war erstaunt, hier auf Starkad den Mythos vom verlorenen Paradies wiederzufinden. Es ware interessant, der Sache auf den Grund zu gehen…

Ein wassertriefender blauer Leib durchstie? die Oberflache. Das Geschopf stie? drei bellende Laute aus. Ridenour scho? aus seiner Kajute und winkte zuruck.

„Das ist unser Signal!“ rief er seinen Mannern zu. „Gehen wir!“

Flandry und die anderen stiegen in die bereitgelegten Taucheranzuge, schwere und ungefuge Umhullungen, die dem Wasserdruck bis in eine Tiefe von funfhundert Metern standhalten sollten. Flandry stampfte uber das Deck und wartete in der Reihe der Expeditionsteilnehmer, bis er au?enbords hinuntergelassen wurde. Er warf einen letzten Blick zuruck und sah Dragoika winken, dann brodelte grunes Wasser vor seinem Helm. Er hakte die Leine aus, stie? sich von der Schiffswand ab, startete den Motor auf seinem Rucken und stellte das eingebaute Funksprechgerat auf Empfang ein. Eine Blasenbahn hinter sich herziehend, glitt er durch grunes Dammerlicht abwarts, den anderen nach.

Ridenours Stimme fullte seinen Helm. „Aufschlie?en und mir nach. Keiner macht von der Waffe Gebrauch, es sei denn in Notwehr.“

Das Wesen, das wie ein Fisch aussah, aber keiner war, schwamm ihnen voraus. Es wurde dunkler, und das Wasser nahm eine tief blaugrune Farbung an, dann erreichten sie den Grund des seichten Meeres. Flandry bewegte sich uber einem Algenwald dahin, der sich im Umkreis von etwa funfzig Metern im truben Zwielicht verlor. Lange grune und braune Algenwedel entstiegen der Tiefe und schwangen in der leichten Stromung sanft hin und her. Hier und dort kamen die schemenhaften Umrisse massiver Stamme in Sicht, deren Verastelungen sich im undurchdringlichen Netzwerk wehender Tangfaden verloren. Ein Schwarm Seekrebse schnellte mit ruckartigen Schwanzschlagen davon und suchte im Algendickicht Schutz. Uber ihren Kopfen schlangelte sich ein armdicker, aalahnlicher Fisch durch die scheinbar grenzenlose Weite. Scharen kleiner Fische mit Regenbogenstreifen flitzten dicht uber den unterseeischen Wald, verschwanden zwischen den Pflanzen und tauchten an anderer Stelle wieder auf. Flandry beobachtete alles in stummer Faszination.

Er hatte gehort, da? die vaz-Siravo von Zletovar in und in der Umgebung von sechs Stadten lebten, die in mehr oder weniger regelma?igen Abstanden angelegt waren und einen Kreis bildeten. Die Bewohner Kursovikis kannten sie seit langem; manchmal griffen sie die Stadte an und bombardierten sie mit Felsblocken, und manchmal unternahmen die Meeresbewohner von hier aus Gegenangriffe auf die Schiffe der Getigerten.

Nach einer Stunde hallten dumpfe, trommelnde Gerausche durch das Wasser. Hundert oder mehr Schwimmer in weit auseinandergezogener Formation kamen in Sicht. Sie trugen Knochenhelme und schuppige Lederpanzer und waren mit Obsidianaxten, Speeren und Dolchen bewaffnet. Der Fuhrer wechselte ein paar Worte mit ihren Befehlshabern, dann kreisten sie die Unterhandler ein und geleiteten sie weiter.

Nun sah Flandry bestelltes Land unter sich, gepflegte Felder, Fische in Kafigen, dazwischen zylindrische Hauser aus Flechtwerk, die mittels Felsblocken verankert waren. Nicht weit vor ihnen kreuzte ein Lastwagen, ein mit Hauten bespanntes und mit Stabilisierungsflossen versehenes torpedoformiges Gebilde, das von einem elefantengro?en Fisch gezogen wurde.

Sie naherten sich der Stadt. Es war ein unwirklicher Anblick, und Flandry fuhlte sich an die zerbrechliche, atherische Buhnenausstattung eines phantastischen Balletts erinnert. In dieser witterungslosen Welt ohne Temperaturschwankungen und Sturme hatten Dacher und Wande keinen anderen Zweck als den Bewohnern Zuruckgezogenheit zu geben; so bestanden sie meistens aus farbigen und lose zwischen Pfosten und Querlatten drapierten Geweben, die sich in den Stromungen bewegten. Die oberen Etagen waren ausladender als die unteren, und manche der hoheren Gebaude hatten Ahnlichkeit mit kopfstehenden Pyramiden. An den Ecken schimmerten gro?e Laternen aus Fischblasen, die mit einer stark phosphoreszierenden Masse gefullt zu sein schienen. Da sich der Verkehr auf allen Ebenen abspielte, gab es keine Stra?en am Meeresboden, aber die Flachen zwischen den Hausern waren mit einer dicken Kiesschicht bedeckt, sei es, um einer Verschlammung vorzubeugen, sei es, um Algenbewuchs zu verhindern.

Eine Menge versammelte sich und bestaunte die Fremden. Flandry sah viele Frauen mit Sauglingen und andere, die ihre alteren Spro?linge an Leinen fuhrten. Sie murmelten durcheinander, ein Gerausch wie leise, ferne Brandung, aber sie waren ruhiger und benahmen sich vernunftiger als Menschen oder ihre getigerten Feinde.

Inmitten der Stadt stand auf einer Bodenerhebung ein Gebaude aus behauenen Steinen. Es war rechteckig und prunkte mit einer stattlichen Saulenfassade, hatte aber, soweit Flandry ausmachen konnte, kein Dach. An seiner Ruckseite ragte ein machtiger Turm in die grune See hinauf und endete dicht unter der Oberflache in einer dicken Glaskuppel. Wenn er, wie es den Anschein hatte, weiter unten mit einer ahnlichen Glasdecke versiegelt war und kein Wasser enthielt, konnte er den Zweck haben, das Innere des Gebaudes mit Tageslicht zu erhellen.

Ein Schatten verdunkelte die grune Helligkeit uber ihm. Aufblickend sah er ein fischbespanntes Unterseeboot, eskortiert von mehreren Schwimmern mit Feuerwaffen fremder Herkunft. Ernuchtert erinnerte er sich, da? er von Feinden umgeben war.

7

Sobald au?erhalb der Stadt ein Kuppelzelt errichtet und alle fur einen langeren Aufenthalt notigen Gerate

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