Merseiern bedient. Es konnte nicht langer als drei?ig Meter sein und war offensichtlich hier auf Starkad zusammengebaut worden. Seine gro?kalibrigen Geschutze verschossen normale Sprenggranaten, aber in dieser dichten Atmosphare waren die Druckwellen stark genug, um eine Stadt niederzulegen.
„Wir werden verbrennen!“ schrie Ferok.
Auf diesem Planeten schamte sich niemand seiner Angst vor einer Feuersbrunst. Flandry verstand es. Die mit Sauerstoff ubersattigte Atmosphare gab jedem Feuer uberreichlich Nahrung. Zwar gab es nur noch wenige Holzhauser, aber auch die steinernen Bauten hatten ausnahmslos holzerne Decken und Dachstuhle. Am meisten gefahrdet aber waren die Schiffe, in denen sich Ujankas Reichtum und Macht verkorperten. Und auf sie schien der Gegner es abgesehen zu haben.
Dragoika hatte denselben Gedanken. Sie spahte uber den Flu? landeinwarts, wo das Regierungsgebaude der Schwesternschaft seine grune Kupferhaube weithin sichtbar uber die Dacher reckte. Ihre Mahne flatterte wild im Wind. „Warum lauten sie die Mannschaften nicht zu den Schiffen?“ Sie drehte sich nach Flandry um. „Das Gesetz sagt, da?, wenn die Schiffe in Gefahr sind, alle Mannschaften an Bord gehen und auslaufen mussen. Aber heute haben sie es vielleicht vergessen und sind in Panik geraten. Sonst mu?ten sie langst an den Glockenstrangen hangen.“
Sie wendete sich ab. „Ich mu? selbst hingehen. Ferok, du sagst den anderen an Bord, sie sollen mit der ›Archer‹ auslaufen und nicht auf mich warten.“
Flandry hielt sie fest. „Verzeihung“, sagte er, wie er ihr zorniges Gesicht sah. „Sollten wir nicht zuerst einen Anruf versuchen?“
„Anruf…? Ja, du hast ihnen ein Radio gegeben, nicht? Mein Gehirn ist verwirrt.“
Weitere Granaten schlugen im Hafengebiet ein. Drei auf der Reede ankernde Schiffe brannten lichterloh. Flandry hob das linke Handgelenk mit dem kleinen Funksprechgerat an die Mundoffnung des Helms und stellte es auf die Wellenlange der Schwesternschaft ein. Er hatte nur wenig Hoffnung, da? am anderen Ende jemand wartete. Als sich eine weibliche Stimme meldete, seufzte er erleichtert. Die Worte kamen wie Grillengezirp aus dem winzigen Lautsprecher: „Ai-ya, gehorst du zu den vaz-Terranern? Ich konnte keinen von euch erreichen.“
Kein Wunder, dachte Flandry. Er konnte die Baracken in den Hugeln nicht sehen, aber konnte sich um so lebhafter vorstellen, wie es dort aussah. Vermutlich jammerten sie auf allen Wellenlangen um Hilfe vom Stutzpunkt. Es waren nur funfzehn oder zwanzig Marineangehorige dort, Ingenieure und Techniker, die den Landbewohnern als Ausbilder und Berater den Umgang mit modernem Kriegsgerat beibrachten. Seines Wissens standen der Ujanka-Ausbildungsabteilung an transportablem Gerat nur Handfeuerwaffen und ein paar unbewaffnete Kuriermaschinen zur Verfugung.
„Warum ist kein Alarm gelautet worden?“ fragte Flandry, als hatte er die Gesetze sein Leben lang gekannt.
„Niemand hat gedacht, da?…“
Dragoika nahm Flandrys Handgelenk und hielt es vor ihren Mund. „Dann wird es Zeit, da? ihr zu denken beginnt! Ich sehe noch kein Schiff auslaufen!“
„Wenn dieses Ding drau?en auf sie wartet?“
„Verstreut sind die Schiffe sicherer als im Hafen“, sagte Dragoika. „Gebt sofort das Zeichen.“
„Wird gemacht. Aber wann kommen die vaz-Terraner?“
„Bald“, sagte Flandry und schaltete auf die Standard-Wellenlange um.
„Ich gehe jetzt“, sagte Dragoika.
„Nein, warte bitte. Ich werde vielleicht deine Hilfe brauchen.“ Flandry betatigte den Signalknopf mit zitternder Fingerspitze. Sein Mikrogerat konnte Highport nicht erreichen, aber vielleicht gelang es ihm, jemanden von der Ujanka-Station zu erreichen, wenn die Leute dort auf das Signallicht achteten… Es heulte und krachte in der Nahe. Die Druckwelle der Explosion warf ihn gegen die steinerne Brustung. Der Aussichtsturm schwankte bedrohlich.
„Ujanka-Station, Leutnant Kaiser.“
„Hier Fahnrich Flandry. Ich bin in der Altstadt. Haben Sie gesehen, was drau?en vor der Bucht liegt?“
„Klar. Ein U-Boot.“
„Ist Hilfe unterwegs?“
„Nein.“
„Was? Aber das Ding wird die Stadt in Brand schie?en, wenn wir nichts unternehmen!“
„Guter Mann, horen Sie zu“, seufzte die Stimme. „Ich habe eben mit dem Hauptquartier gesprochen. Eine Luftflotte unserer grunhautigen Freunde hangt in der Stratosphare, direkt uber unseren Kopfen. Unsere Maschinen werden gebraucht, um Highport abzuschirmen. Sie konnen nicht eingreifen. Soviel ich wei?, versucht Admiral Enriques gerade, einen geharnischten Protest an den Mann zu bringen.“ Die Stimme gluckste amusiert.
„Da kann man nichts machen. Sehen Sie eine Moglichkeit, selbst etwas zu unternehmen?“
„Bedaure, Fahnrich. Das Hauptquartier hat uns ein paar Transportmaschinen versprochen, die zur Brandbekampfung Chemikalien verspruhen konnen. Sie mussen in einer halben Stunde oder so hier sein. Wo stecken Sie genau? Ich lasse Sie von einer Kuriermaschine abholen.“
„Ich habe meine eigene“, antwortete Flandry. „Bleiben Sie auf Empfang.“ Er schaltete ab. Vom anderen Flu?ufer drangen hohe und gellende Glockentone heruber.
„Was ist?“ fragte Dragoika ungeduldig.
Er versuchte es ihr zu erklaren.
Sie lie? die Schultern hangen, dann straffte sich ihre Haltung erneut. „Wir werden nicht kampflos untergehen. Wenn ein paar Schiffe mit Deckskanonen nahe genug herankommen…“
„Das ware Selbstmord“, unterbrach Flandry. „Dieses U-Boot wurde euch niemals bis auf Schu?weite herankommen lassen.“
„Ich werde es trotzdem versuchen.“ Dragoika erfa?te seine Hand und lachelte. „Leb wohl. Vielleicht sehen wir uns in einem anderen Land wieder.“
„Nein!“ Es platzte aus ihm heraus, er wu?te selbst nicht, warum. Seine Pflicht war, sich selbst fur kunftige Aufgaben zu schonen, und seine naturliche Neigung war damit identisch. Aber er konnte diese Leute, die ihn gerettet hatten, nicht im Stich lassen.
„Kommt mit zu meiner Maschine“, sagte er.
Ferok starrte ihn an. „Ich? Fliehen?“
„Wer hat vom Fliehen gesprochen? Ihr habt Gewehre im Haus, nicht? Die brauchen wir, und ein paar Helfer.“
Minuten spater betraten sie die Gasse. In Flandrys Gurtel steckte neben der Strahlpistole ein Revolver. Die drei Getigerten trugen Gewehre, und Dragoika hatte sich zusatzlich eine erbeutete Maschinenpistole umgehangt.
Dragoika ubernahm die Fuhrung durch das Gassengewirr der Altstadt zum Hafenkastell. Aufgeregte Mengen drangten durch die Stra?en. Artilleriebeschu? war den Einwohnern unbekannt, und keiner kam auf den Gedanken, in Deckung zu gehen, wenn die Granaten heranheulten. Aber es war keine blinde Panik, die die Leute umtrieb. Matrosen mit geschulterten Seesacken rannten zum Hafen hinunter, andere Einwohner hatten sich mit Schwertern und Lanzen bewaffnet und drangten gleichfalls zum Ufer, um einen vermuteten Angriff abzuwehren.
Als sie das Hafenkastell schon vor sich sahen, schlug in der Nahe eine Granate ein. Der Luftdruck schleuderte Flandry in den offenen Laden eines Stoffhandlers, wo er sich halb betaubt aus den durcheinandergeworfenen Stoffballen aufrappelte und ins Freie wankte. Sechs oder sieben Korper lagen blutend in der Gasse. Eine eingesturzte Hauswand versperrte den Durchgang mit Schutt.
Dragoika taumelte auf Flandry zu. Ihr gestreiftes Fell war grau vom Steinstaub und mit schwarzlichem Blut beschmiert. „Bist du verletzt?“ schrie Flandry durch den Larm.
„Hat nichts zu sagen. Weiter.“ Ferok schlo? sich ihnen an. Iguraz lag mit zerschmettertem Schadel auf dem Pflaster. Flandry hob die herumliegenden Waffen des Toten auf und gab sie Ferok.
Als sie das Hafenkastell erreichten, torkelte Flandry. Er schleppte sich in den Vorhof, setzte sich neben seine Maschine und schnappte nach Luft. Dragoika rief die Manner aus der Wachstube zusammen und bewaffnete sie. Flandry beschaftigte sich mit seiner Pumpe. Die Hitze in seinem Helm war unertraglich. Nach einer Weile machte sich der verstarkte Luftdruck in seinem Helm bemerkbar; seine gequalten Trommelfelle schmerzten, aber der zusatzliche Sauerstoff gab ihm etwas von seiner alten Vitalitat zuruck.