„Nach allem, was wir gesehen haben, was sie fur uns getan haben…“

„Unsinn. Wir gehoren zum Imperium, und was das Imperium von uns verlangt, das machen wir.“

Flandry zeigte ihm einen Vogel, und es ware zu einer Auseinandersetzung gekommen, hatte Ridenour nicht eingegriffen. „Sie werden wohl ohnehin ausscheiden, Flandry“, sagte er. „Vor ein paar Stunden ist Ihr Marschbefehl durchgekommen.“

„Marschbefehl?“

„Sie haben sich bei Oberst Abrams in Highport zu melden. Eine Amphibienmaschine wird Sie morgen um sieben Uhr drei?ig abholen.“

* * *

Abrams lehnte sich mit seinem Stuhl zuruck, hielt sein Gewicht mit einem unter die Schreibtischplatte gehobenen Fu? und paffte an seiner Zigarre. „Und Sie waren wirklich lieber unter Wasser geblieben?“

„Fur eine Weile, ja.“ Flandry sa? bolzengerade auf der Stuhlkante. „Nicht nur, da? es interessant war, ich hatte auch das Gefuhl, etwas Nutzliches zu tun. Informationen — Freundschaft…“ Seine Stimme verlor sich.

Abrams blies einen Rauchring. „Gewi?, ich verstehe, was Sie sagen wollen. Ich bin da ganz Ihrer Meinung. Ware die Situation eine andere, hatte ich Sie nicht kommen lassen. Aber so habe ich etwas anderes mit Ihnen im Sinn.“

„Wie bitte?“

„In ein paar Tagen setzt Graf Hauksberg seine Reise nach Merseia fort. Ich werde ihn als Berater begleiten, das steht jedenfalls in meinem Befehl. Ich habe Anspruch auf einen Adjutanten. Wollen Sie mit?“

Flandry machte gro?e Augen. Sein Herz tat einen Sprung, und erst nach einer langen Pause merkte er, da? sein Mund offenstand.

„Naturlich wissen Sie“, fuhr Abrams fort, „da? ich ein wenig Material zu sammeln hoffe. Nichts Melodramatisches, versteht sich. Ich werde Augen und Ohren offenhalten, auch die Nase, wenn es sein mu?. Keiner von unseren Diplomaten, Attaches, Handelsbevollmachtigten, keine von unseren Informationsquellen hat jemals etwas wirklich Brauchbares geliefert. Entweder haben diese Leute nicht den Riecher, oder Merseias Abwehr ist besser, als wir glauben. Vielleicht liegt es auch ganz einfach daran, da? Merseia zu weit von der Erde entfernt ist. Bis die Nachrichten zu Hause ankommen, sind sie von den Ereignissen uberholt. Dies konnte eine Chance sein, sich relativ unbehelligt umzusehen.“

Abrams warf einen Blick auf seinen zerkratzten, mit Papierwust bedeckten Schreibtisch und seufzte. „Ich mu?te einen erfahrenen und erprobten Mann mitnehmen. Aber wir konnen keinen entbehren. Fur ein Greenhorn haben Sie sich als recht umsichtig und tatkraftig erwiesen. Ein bi?chen praktische Erfahrung im Nachrichtendienst wird Ihnen weiterhelfen, vorausgesetzt, es gelingt mir, ihre Versetzung durchzudrucken. Ich an Ihrer Stelle wurde auch folgendes bedenken: Sie kamen von diesem elenden Planeten weg, konnten in einem Luxusschiff reisen, das exotische Merseia und vielleicht noch andere Orte sehen, wurden vermutlich zur Erde zuruckgerufen und dann nicht mehr auf Starkad eingesetzt werden. Und Sie hatten Gelegenheit, sehr nutzliche Verbindungen zu knupfen, wie denken Sie daruber?“

„J-j-ja, Herr Oberst!“ stammelte Flandry.

Abrams' Augen lagen plotzlich inmitten zahlloser Faltchen. „Vergessen Sie alle abenteuerlichen Vorstellungen, junger Mann. Dies wird keine Vergnugungsreise. Ich werde von Ihnen verlangen, da? Sie nicht an Schlaf denken und von jetzt an bis zur Abreise von Stimulantia leben, damit Sie lernen, was ein Adjutant von mir wissen mu?. Sie werden alles tun mussen, von der Pflege meiner Uniformen bis zu Schreibarbeiten. Unterwegs werden Sie einen Schnellkurs in Eriau nehmen und so viel uber Merseia und seine Bewohner lernen, wie Ihr Gehirn fassen kann, ohne zu platzen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, da? alles das nichts mit Karneval zu tun hat. Wenn wir einmal dort sind und Sie Gluck haben, werden Sie sich durch eine Menge eintonige Pflichten qualen. Wenn Sie Pech haben, werden Sie nicht mehr ein stolzer Ritter der Lufte sein, sondern ein gehetztes Tier; und wenn Sie dann noch das Pech haben, erwischt zu werden, wird Ihnen nach den Verhoren keine Personlichkeit mehr bleiben, die zu besitzen sich lohnt. Denken Sie daruber nach.“

Flandry tat es nicht. Sein einziger Kummer war, da? er Dragoika wahrscheinlich niemals wiedersehen wurde, und auch das war nur ein vorubergehender Schmerz. „Herr Oberst“, erklarte er, „Sie haben einen Adjutanten gefunden.“

8

Die „Dronning Margrete“ war nicht von einer Gro?e, die eine Landung auf einem technisch ruckstandigen Planeten angezeigt erscheinen lie?. Ihre Beiboote waren selbst kleine Raumschiffe. Auf Ny Kalmar beheimatet, war sie eine Staatsjacht in kaiserlichem Dienst. An Komfort stellte sie jedes Marineschiff weit in den Schatten. Nun verlie? sie ihre Kreisbahn um Starkad und beschleunigte ihren Flug. Schon nach kurzer Zeit war sie weit genug im freien Raum, um auf Hyperantrieb umzuschalten und uber die Lichtgeschwindigkeit hinauszugehen. Trotz ihrer Masse kam sie bei voller Maschinenleistung und Phasenfrequenz an die Hochstgeschwindigkeit schneller Kriegsschiffe heran. Die zuruckbleibende Sonne schrumpfte bald zu einem Stern unter vielen zusammen und verschwand schlie?lich ganz.

Doch die Sternbilder veranderten sich nur langsam. Tage und Nachte vergingen, wahrend sie durch die unerme?liche Weite jagte. Nur einmal begegnete ihr ein anderes Schiff in einem Lichtjahr Entfernung, und so konnte seine „Bugwelle“ festgestellt werden. Dieses Lebenszeichen bot noch nach Stunden Stoff fur aufgeregte Gesprache. So gro? ist der Kosmos.

Schlie?lich kam die Zeit, da Hauksberg und Abrams sich zu einem Gesprach zusammenfanden, das noch lange nach der Wachablosung andauerte. Bis dahin waren ihre Beziehungen korrekt, aber distanziert geblieben. Nun, da die Reise sich ihrem Ende naherte, sahen sie beide die Notwendigkeit, einander besser kennenzulernen und zu verstehen. Hauksberg lud Abrams zu einem Abendessen in seine private Suite ein. Zwei Stunden spater machte sich sein ubermudeter Diener davon, nachdem er vorsorglich zwei entkorkte Weinflaschen, Cognac, Zigarren und Geback bereitgestellt hatte.

Das Schiff flusterte und summte; indirektes Licht legte seinen weichen Schein auf Vorhange, Bilder und Teppiche. Abrams geno? die Gelegenheit, von seiner Heimat zu erzahlen, einem entlegenen Planeten im Grenzbereich des Imperiums.

„Pioniertypen, wie?“ Hauksberg entzundete eine seiner schwarzen Zigarren. „Klingt interessant, was Sie da sagen. Ich mu? Dayan doch einmal besuchen.“

„Sie wurden dort nicht viel finden, was Ihrem Lebensstil angemessen ist“, entgegnete Abrams. „Einfache Leute.“

„Und was sie der Wildnis abgerungen haben. Ich wei?.“ Der schmale blonde Kopf nickte. „Ganz naturlich, da? Sie ein bi?chen chauvinistisch sind, mit einem solchen Hintergrund. Aber das ist eine gefahrliche Haltung. Hat noch nie Gutes gebracht.“

„Gefahrlicher ist es, dazusitzen und auf den Feind zu warten“, nuschelte Abrams an seiner Zigarre vorbei. „Ich habe eine Frau und Kinder und eine Million Vettern. Es ist meine Pflicht ihnen gegenuber, die Merseier auf Distanz zu halten.“

„Nein. Ihre Pflicht ist, dazu beizutragen, da? dies unnotig wird.“

„Gro?artig, wenn die Merseier dabei mitwirken.“

„Warum sollten sie nicht? Nein, warten Sie.“ Hauksberg hob eine Hand. „Lassen Sie mich ausreden. Mich interessiert nicht, wer mit dem Arger angefangen hat. Das ist kindisch. Tatsache ist, wir waren die gro?e Macht unter den Sauerstoffatmern im bekannten Teil des Spiralnebels. Angenommen, sie waren es gewesen? Hatten Sie sich dann nicht mit allen Kraften dafur eingesetzt, da? die Menschheit ein vergleichbares Imperium zusammenbringt? Andernfalls hatten Sie sich damit abfinden mussen, in ihrer Gewalt zu sein. Wie die Dinge nun lagen, wollten die Merseier nicht in unserer Gewalt sein. So kam es, da? Merseia sich ein eigenes Reich aufgebaut hatte, als wir anfingen, uns um die Angelegenheit zu kummern. Wir waren alarmiert. Wir reagierten. Propaganda, Allianzen, Diplomatie, wirtschaftliche Manover, Subversion, ja, hier und da provozierten wir regelrechte bewaffnete Zusammensto?e. Alles das mu?te ihre Einschatzung unserer Absichten bestatigen. Sie reagierten ihrerseits und verstarkten damit unsere Furcht. Ein teuflischer Mechanismus, der immer mehr Eigengesetzlichkeit gewinnt. Das mu? gestoppt werden.“

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