Herzklopfen und feuchte Hande, hatte an seine Frau und die geliebten Kinder und an das Haus auf Tanis gedacht. Aber diese Dinge hatten mit seinem Korper Abschied von ihm genommen. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie diese Gefuhle waren. Die einzige Emotion, die ihn nie verlassen hatte und die wie eine schwarende Wunde in ihm brannte, war der Wunsch, wieder alle Gefuhle zu erleben.
Ein paar hatte er. Gute Arbeit war ein asthetisches Vergnugen. Ha? und Zorn waren ihm nicht unbekannt, aber kalt, auf eine rationale Ebene reduziert. Er fragte sich, ob sie nicht blo?e Gewohnheiten seien, die sein Gehirn aus dem fruheren Leben beibehalten hatte.
Er bewegte sich in dem winzigen Raum, wo er lag. Sein lebender Arm trennte seine maschinellen Glieder vom Flugzeug, Stromkreis auf Stromkreis. Er offnete eine Schiebetur und glitt hinaus. Die Systeme, die ihn funktionsfahig erhielten, waren auf einen kleinen Kraftschlitten montiert. Seine erste Aufgabe mu?te sein, ihn gegen einen vielseitigeren Korper auszutauschen.
Er verlie? die Maschine und glitt dicht uber dem Boden in die Schatten der Busche. Hier drau?en, au?erhalb der Stadt, waren die Sterne deutlicher zu sehen. Er machte die Sonne von Tanis aus, wo Merseier zwischen Bergen und Waldern wohnten, wo seine Frau Sivilla noch immer mit ihren Kindern lebte. Sie hielt ihn fur tot, aber man hatte ihm berichtet, da? sie nicht wieder geheiratet habe und da? die Kinder gut heranwuchsen.
War auch das eine Luge?
Das Problem, ungesehen in die Stadt zu gelangen, kostete ihn nur einen Bruchteil seiner Aufmerksamkeit. Seine kunstlichen Sinne waren fur solche Aufgaben gemacht, und mit ihnen hatte er zehn Jahre lang gearbeitet. Der gro?te Teil seines Bewu?tseins hing Erinnerungen nach. Er dachte an den Tag auf Starkad, wo fur ihn eine Welt zusammengebrochen war. „Was?“ hatte Abrams gebrullt. „Man konnte Sie nicht regenerieren? Ausgeschlossen!“
„Aber die Strahlungsschaden der Zellen…“
„Waren sie so schwer gewesen, wurden Sie nicht mehr leben. Die Gene steuern den Korper das ganze Leben lang nach einem festliegenden Schema. Und der Regenerationsproze? verwendet die Chromosomen als biochemische Steuerung fur den Gewebeaufbau. Nein, sie sahen eine Chance, ein einzigartiges Werkzeug aus Ihnen zu machen und logen.“
„Sie konnen mich wiederherstellen?“ hatte Dwyr geschrien.
„Unsere Chemochirurgen konnen es. Aber langsam. Ich konnte veranlassen, da? Sie behandelt werden, und ich wurde es auch tun, schon aus ethischen Grunden. Aber Sie waren von Ihrer Familie abgeschnitten. Wir mu?ten sie auch herausschmuggeln und Sie mit Ihren Angehorigen auf einem Planeten des Imperiums ansiedeln. Dazu fehlt mir die Autoritat, und ich konnte es nur erreichen, wenn Sie es verdient haben. Sie konnten sich verdient machen, indem Sie als Doppelagent arbeiten.“
„Dann bin ich also auch fur Sie nichts als ein Werkzeug.“
„Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte nur, da? die Zusammenfuhrung Ihrer Familie nicht billig kommen wird. Fur die Mannschaft, die Ihre Angehorigen holen wird, sind die Risiken nicht gering. Sie mussen sich erst einen Anspruch darauf erwerben. Wollen Sie das?“
Und ob er es wollte!
Wie er uber die Stadt hinscho?, war Dwyr nicht verdachtiger als ein Nachtvogel. Muhelos erreichte er sein Ziel, die oberste Etage einer Kontrollstation, wo nur Computer und lochbandgesteuerte Fernschreiber standen. Er glitt in einen nur ihm zuganglichen Raum, in dem seine Korper und Prothesen verwahrt wurden. Sonst gab es nichts; eine amputierte Personlichkeit schleppte nicht die kleinen Schatze eines Sterblichen mit sich durch das Leben.
Er hatte seine Wahl bereits getroffen. Nachdem er sich vom Kraftschlitten gelost hatte, schob er sich an den zweibeinigen Korper heran, der ausgestreckt wie ein metallener Leichnam am Boden lag. Minutenlang war er ohne andere Sinne als Gehor und Gesicht. Der schwache Tastsinn seiner rechten Hand half ihm beim Schlie?en der Kontakte. Ein stechender Schmerz fuhr durch die Reste seines Korpergewebes. Er war froh, als er die neuen Verbindungen hergestellt hatte. Er stand auf, ging herum und wahlte die Werkzeuge aus, die er brauchen wurde: Spezialschlussel und — sensoren, ein Traggestell mit der Flugapparatur, eine Strahlpistole. Wie schwach und unbeholfen er war! Metall und Plastik waren kein guter Ersatz fur Zellen, Nerven, Muskeln und das einzigartige Gerust aus Knochen. Aber heute abend brauchte er eine unspezialisierte Form. Zuletzt kam die Verkleidung, dann war er fertig. Unbemerkt verlie? er seinen Raum und flog davon, dem Gebaude der Admiralitat entgegen. Als er sich der Sperrzone naherte, schaltete er sein Funksprechgerat ein und meldete sich bei der Kontrollzentrale. „Absolute Geheimhaltung, bitte“, fugte er hinzu. „Ich handle im Auftrag des Sicherheitsdienstes.“
Er landete. Ein Offizier hatte sich zu den beiden Wachtposten gesellt. „Was haben Sie in dieser Etage zu tun?“ fragte er mi?trauisch. „Brechdan Ironrede ist nicht in Ardaig.“
„Ich wei?“, sagte Dwyr. „Ich unterstehe seinem personlichen Befehl und habe drinnen etwas fur ihn zu erledigen. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Sie und Ihre Wachen werden mich hinein- und in einer Weile wieder herauslassen und vergessen, da? ich hier gewesen bin. Unter keinen Umstanden durfen Au?enstehende davon erfahren. Die Angelegenheit ist versiegelt.“
„Unter welchem Kennwort?“
Dwyr sagte das Wort, das Brechdan ihm gegeben hatte. „Dreistern.“
Der Offizier salutierte. „Sie konnen passieren.“
Dwyr ging den Korridor entlang. Als er an der Vorzimmertur war, sah er sich um. Er war allein. Die Tur machte ihm keine Schwierigkeiten. Er betrat den dunklen Vorraum, von dem drei Turen ausgingen, gesicherte Turen. Er war noch nie hier gewesen, aber der Grundri? der Etage war kein Geheimnis, und er kannte die Lage der Raume.
Mit au?erster Vorsicht naherte er sich der richtigen Tur, jeden Sensor voll verstarkt. Die elektronischen Prufgerate mu?ten feststellen, da? er nicht zum Eintritt berechtigt war, und einen Alarm auslosen. Nein. Nichts. Er befuhlte die Tur mit seinem mechanischen Arm. Sie reagierte. Er fuhlte die Induktionsstrome der Signale und lie? behutsam eigene Impulse einflie?en, die als die richtigen Augen- und Handmuster interpretiert wurden. Langsam, mit mikrometrischer Genauigkeit, wuchs er in die Anlage hinein, fuhlte mit ihr und rief die Reaktionen hervor, die er wollte… da!
Die Tur schwang gerauschlos auf. Er ging hinein, und sie schlo? sich hinter ihm. Er stand in einem dunklen Raum. Ein paar Leuchtskalen und bunte Knopfe an der gegenuberliegenden Wand zeigten ihm, da? die Datenspeicher betriebsbereit waren. Er brauchte nicht lange, um den Bedienungsmechanismus zu verstehen. Er machte eine Probe. Ein Bildschirm leuchtete auf.
Maxwell Crawford, las Dwyr, dann uberflog er den folgenden Text. Ha, der kaiserliche Gouverneur der Region Arachnea stand im Dienst Merseias! Ein Schlafer, der in Reserve gehalten wurde.
Starkad! Auf dem Bildschirm leuchtete eine Zahlenreihe auf. 0.17847, 3°; 14' 22''.591, 1818 h.3264… Dwyr pragte sie sich automatisch ein, wahrend er vor Schreck erstarrte. Etwas war in der Anlage geschehen. Ein Impuls, ein Stromsto? war ausgelost worden. Seine Sensoren hatten ihn erfuhlt, schwach und kurz wie das Springen eines Uhrzeigers. Vielleicht war es nichts. Trotzdem wurde es besser sein, er machte sich schnell aus dem Staub.
Der Bildschirm erlosch. Dwyrs Finger arbeiteten mit fieberhafter Schnelligkeit. Wieder leuchtete die Zahlenreihe auf. Kein Zweifel, sie war das ganze Geheimnis. Sie enthielt Starkads Schicksal. Er wu?te jedoch nicht, was die Zahlen bedeuteten.
Nun, sollte Abrams das Ratsel losen. Dwyrs Arbeit war getan. Er ging zur Tur. Sie offnete sich, und er betrat den Vorraum. Die Beleuchtung war eingeschaltet, Turen standen offen. Ein Wachter wartete mit der Strahlpistole im Anschlag. Zwei weitere kamen gerannt.
„Was ist los?“ schnarrte Dwyr. Fur Angst oder Besturzung war kein Raum in ihm.
Schwei?perlen standen dem Wachter auf der Stirn. „Sie waren in seinem Geheimkabinett!“ flusterte er.
So furchtbar mu?te das Geheimnis dieser Zahlenreihe sein, da? sie im Datenspeicher durch eine Extrasperre gesichert war. Wurden die Zahlen angefordert, rief sie um Hilfe.
„Ich bin autorisiert“, erklarte Dwyr barsch. „Wie hatte ich sonst hineinkommen sollen?“ Er hob seine Stimme. „Die Angelegenheit unterliegt der Geheimhaltung. Der wachhabende Offizier ist im Bilde. Er kann Ihnen die Bedeutung erklaren. Jetzt lassen Sie mich durch.“
„Nein.“ Die Strahlpistole in der Hand zitterte stark.
„Wollen Sie wegen Insubordination belangt werden?“