Flandry richtete sich hinter dem Schreibtisch auf und hielt sein schmerzendes Kreuz. „Und ob. Im Moment ist mir so zumute, da? ich am liebsten jede Bibliothek des Universums bombardieren mochte. Aber Sie brauchen mich hier, nehme ich an.“

„Das stimmt. Das Ganze kommt mir wie ein Trick vor, mit dem man mich noch mehr lahmlegen will. Aber Sie konnen trotzdem gehen.“

Flandry gaffte. „Ist das Ihr Ernst?“

„Klar. Wir sind hier kaltgestellt. Vielleicht konnen Sie etwas entdecken.“

„Danke, Chef!“ Flandry sprang auf. Seine Augen leuchteten.

„Langsam, junger Freund. Das wird kein Erholungsurlaub fur Sie. Sie mussen den dekadenten Taugenichts spielen. Halten Sie Augen und Ohren offen, aber plappern Sie ruhig drauflos. Stellen Sie Fragen, hauptsachlich dumme. Und bohren Sie nicht, damit man nicht denkt, Sie spielten den Spion.“

Flandry furchte die Stirn. „Uh… ich glaube, es wurde komisch aussehen, wenn ich nicht hinter Informationen her ware. Besser ware es vielleicht, wenn ich mich dabei ungeschickt und tolpelhaft anstellte.“

„Gut. Sie lernen schnell. Ich wunschte, Sie hatten mehr Erfahrung, aber jeder mu? mal anfangen, und ich furchte, Sie werden sowieso nichts von Bedeutung herausbringen. Also verschaffen Sie sich Erfahrung.“

Abrams sah den Jungen davonsturzen. Mochte die Reise auch zu sonst nichts gut sein, wurde sie doch die Fahigkeiten des Fahnrichs weiter unter Beweis stellen. Wenn Flandry sich bewahrte, wurde Abrams ihn wahrscheinlich eigenhandig den Wolfen vorwerfen mussen.

Denn die Dinge durften nicht so lange in der Schwebe gehalten werden, wie es Brechdan gefiel. Gerade jetzt lagen potentielle Moglichkeiten in der Luft, die nur ein Verrater ungenutzt lassen wurde. Nun, da die Dinge sich so entwickelt hatten, da? die Delegation fur unbestimmte Zeit auf Merseia festgehalten wurde, konnte Abrams seine Chancen nicht so wahrnehmen, wie er es geplant hatte. Die klassisch-saubere Operation mu?te in eine Explosion umgewandelt werden.

Und Flandry war der Zunder.

* * *

Wie fast jede intelligente Spezies hatten auch die Merseier in ihrer geschichtlichen Vergangenheit Tausende von Sprachen und ein Dutzend verschiedene Kulturen entwickelt. Und wie es auch auf der Erde gekommen war, hatte eine die anderen uberflugelt und schlie?lich aufgesaugt. Zu einer absoluten Gleichheit der Rassen war es allerdings nicht gekommen, und darin mochte der Grund zu suchen sein, da? Lannawar es nur zum Gefreiten gebracht hatte und im Moment eine Art Offiziersbursche fur die anderen Mitglieder der Gruppe war. Vielleicht fehlte ihm auch der Ehrgeiz, denn er war zweifellos fahig, was sein nahezu unerschopfliches Repertoire an Geschichten aus seinen Raumfahrerjahren bewies. Und er war auch ein liebenswerter und gutmutiger Kerl.

Er sa? gemutlich mit Flandry und Tachwyr zusammen, dessen Rang etwa dem eines Leutnants entsprach. Flandry hatte sich rasch an das legere Verhaltnis gewohnt, das zwischen Offizieren und Mannschaften der merseiischen Streitkrafte herrschte. Statt strenger Trennung, wie sie auf irdischen Schiffen ublich war, gab es eine Vertrautheit, bei der die Offiziere zwar lenkten, aber keine scharfe Kontrolle ausubten.

„Ich sage euch“, drohnte Lannawar, „Yon war ein seltsamer Planet, und froh war ich, als ich das letzte von ihm sah. Aber irgendwie, ich wei? nicht, war unseres danach nie wieder ein gluckliches Schiff. Nichts ging mehr ganz richtig, versteht ihr? Ohne gegen Kapitan oder Mannschaft zu sprechen, ich war froh uber die Versetzung zur Bedh-Ivrich. Runei der Wanderer war ihr Kapitan, und weit hat er uns auf Forschungsfahrt gefuhrt.“

Tachwyrs Schwanzspitze zuckte, und er offnete den Mund. Irgend jemand war immer in der Nahe, um Lannawars Schwatzhaftigkeit zu bremsen. Flandry, der kaum auf die Erzahlung geachtet hatte, wurde mit einemmal munter. Er kam Tachwyr mit seinem Ausruf einen Sekundenbruchteil zuvor. „Runei? Derselbe Runei, der jetzt Fodaich auf Starkad ist?“

„Was?… Ja, ich glaube, der ist es.“ Die Augen im tatowierten grunen Gesicht blinzelten. Eine dicke Hand fuhr in den aufgeknopften Uniformrock und kratzte den Bauch. „Nicht, da? ich viel daruber wu?te. Ich hatte nie von Starkad gehort, bis ich erfuhr, da? ihr Terraner gekommen seid.“

„Also hat Runei selbst gar nicht an den ersten Reisen nach Starkad teilgenommen?“ fragte Flandry.

„Nein, Freund. Damals haben wir die Region Rigel erforscht.“ Lannawar griff nach seinem Krug, in dem eine Art Bier schaumte.

„Ich konnte mir denken“, sage Flandry, „da? man sich unter Raumfahrern viele Geschichten erzahlt, wenn man von Zeit zu Zeit zusammenkommt, in einer Taverne oder so.“

„Was sonst sollte man sich erzahlen? Au?er wenn uns gesagt wurde, wir sollten die Schnauzen uber das halten, was wir gesehen hatten. Nicht leicht, das, glaub mir, Freund! Nicht, wenn man alle anderen in Grund und Boden prahlen konnte.“

„Sicher hast du viel uber die Region Beteigeuze gehort?“ versuchte Flandry es noch einmal.

Lannawar hob seinen Krug, wodurch ihm Tachwyrs mahnender Blick entging. Aber sein Faden war abgerissen, und der Offizier nahm das Ende geschickt auf.

„Bist du wirklich an Anekdoten interessiert, Freund? Ich furchte, da? uns der gute Lannawar sonst nichts bieten kann.“

Flandry zuckte die Achseln. „Mich interessiert alles, was ich uber die Region Beteigeuze horen kann. Schlie?lich grenzt sie an unser Imperium, und ich habe dort in der Nahe gedient, auf Starkad. Vermutlich werde ich wieder hinkommen. Darum bin ich dankbar fur alles, was ihr mir erzahlt.“ Lannawar setzte den Krug ab, um nach Luft zu schnappen, und Flandry wendete sich an ihn. „Wenn du selbst niemals dort warst, Freund, kennst du vielleicht einen, der die Gegend kennt. Ich mochte naturlich keine Geheimnisse, nur Geschichten.“

Lannawar wischte sich mit dem Handrucken Bierschaum vom Mund. „Nicht viele, die dorthin gefahren sind. Entweder sind sie verstreut oder gestorben. Da war zum Beispiel der alte Ralgo Tamuar, mein Freund aus der Rekrutenzeit. Der war oft dort. Wie der lugen konnte! Aber er ist jetzt in einer der Kolonien, la? mich sehen, welche war es noch?“

„Yqan Lannawar.“ Tachwyr sprach ruhig, ohne erkennbare Betonung, aber Lannawar merkte sofort auf. „Ich glaube, wir lassen das Thema fallen. Die starkadische Situation ist kompliziert und verfahren. Wir versuchen unserem Gast Freunde zu sein, und ich hoffe, da? es uns auch gelingt, aber uber diesen Streitfall zu reden, errichtet nur Hindernisse, wo keine sein sollten. Ich nehme an“, setzte er mit einem Seitenblick auf Flandry hinzu, „unser Freund pflichtet uns darin bei?“

„Wie du meinst“, murmelte Flandry.

Verdammt! Er war auf der richtigen Fahrte gewesen. Er hatte geschworen, da? die Witterung stimmte. Die Enttauschung machte ihn krank. Was er eben gehort hatte, war eine Andeutung gewesen, da? die fruheren Expeditionen nach Starkad etwas Gro?es und Besonderes gefunden hatten. Als Resultat hatte sich Verschwiegenheit wie eine Decke daruber gesenkt. Offiziere und Mannschaften, die Bescheid wu?ten, waren aus dem Blickfeld verschwunden. Ermordet? Nein, sicherlich nicht. Die Merseier ware nicht die ameisenartigen Monstren, als die sie von der irdischen Propaganda hingestellt wurden. Um einem Raumfahrer den Mund zu schlie?en, brauchte man ihn nur zu versetzen oder ihm als Alterssitz irgendein behagliches Exil zuzuweisen, das er selbst nie als solches ansehen wurde. Selbst fur den Posten des Kommandeurs auf Starkad hatte man offenbar einen Offizier gewahlt, der nichts uber die Geschichte seines Bestimmungsortes wu?te und auch spater nicht die versteckte Wahrheit erfahren konnte. Ja — und Flandry steigerte sich fieberhaft in seine Vorstellung hinein —, abgesehen von den Teilnehmern an jenen fruhen Expeditionen, die nicht mehr zahlten, wu?ten vielleicht nur ein paar Wesen im Universum alles!

Tachwyr gehorte jedenfalls nicht zu ihnen, soviel war klar. Er und seine Kameraden hatten lediglich Befehl, Flandry von gewissen Themen abzubringen. Er glaubte an ihre Aufrichtigkeit und fuhlte, da? ihre Freundschaft zu ihm echt war und da? sie von ganzem Herzen fur eine friedliche Losung aller gegenwartigen Streitfragen waren. Sie waren gute und anstandige Burschen, und er fuhlte sich ihnen mehr zugehorig als manchen Menschen.

Trotzdem dienten sie dem Feind, dem wirklichen Feind, ob er nun Brechdan Ironrede hie? oder anders, der etwas Monstroses in Bewegung gesetzt hatte, etwas vage Vermutetes und darum um so Bedrohlicheres.

Ich habe nichts herausgebracht, was Abrams nicht schon vermutet hat, dachte Flandry. Aber ich habe ein paar neue Hinweise fur ihn. Vier Tage noch, bis ich sie ihm geben kann.

Sein Mund war immer noch trocken. „Wie war's mit einer neuen Runde?“ fragte er.

* * *

„Wir machen einen Ausflug“, sagte Abrams.

„Wie bitte?“ Flandry zwinkerte.

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