Freund.«

Ich hatte nicht die geringste Ahnung, worum es ging. Erst spater, auf dem Heimweg, als Cicero mir alles erklarte, begriff ich. Pompeius plante, sich fur die umfassende Wiederherstellung der Machtbefugnisse der Volkstribunen einzusetzen und damit seine Wahl zum Konsul zu betreiben. Deshalb also Palicanus' uberraschender Schritt, sich ins Volkstribunat wahlen zu lassen. Die Strategie entsprang nicht Pompeius' altruistischem Verlangen, dem romischen Volk zu mehr Freiheit zu verhelfen, nein, es handelte sich um reinen Eigennutz - obwohl ich es durchaus fur moglich halte, dass er zuweilen selbstzufrieden in seinem spanischen Badewasser planschte und sich als Streiter fur die Rechte des Burgers sah. Als guter General wusste Pompeius, dass durch diesen Schachzug die Aristokraten wie bei einer Zangenbewegung in der Falle sa?en, eingeklemmt zwischen seinen vor den Toren Roms lagernden Soldaten und dem gemeinen Volk auf den Stra?en der Stadt. Wollten sie nicht die eigene Ausloschung riskieren, wurde Hortensius, Catulus, Metellus und ihresgleichen keine andere Wahl bleiben, als sowohl Pompeius' Konsulat wie auch ein wiedererstarktes Volkstribunat anzuerkennen. Sobald das der Fall war, konnte Pompeius seine Soldaten nach Hause schicken und regieren - wenn notig unter Umgehung des Senats, indem er sich direkt ans Volk wandte. Er ware unantastbar. Der Plan, so wie Cicero ihn mir beschrieb, war brillant. Und Cicero hatte ihn, wahrend er auf Palicanus' Sofa sa?, blitzartig erfasst.

»Welchen Nutzen hatte ich von der Sache?«, fragte Cicero.

»Die Begnadigung deines Klienten.«

»Das ist alles?«

»Wie gesagt, das kommt drauf an . auf die Qualitat deiner Bemuhungen. Definitive Zusagen kann ich dir nicht machen. Das muss warten, bis Pompeius in der Stadt ist.«

»Ein ziemlich schwaches Angebot, wenn du mir die Bemerkung gestattest, mein verehrter Palicanus.«

»Nun ja, du bist in einer ziemlich schwachen Position, wenn du mir die Bemerkung gestattest, mein verehrter Cicero.«

Cicero stand auf. Ich sah ihm an, dass er verargert war. »Ich kann ja auch gehen«, sagte er.

»Und deinen Klienten im Stich lassen, damit ihn Verres an eins von seinen Kreuzen nageln kann?« Palicanus erhob sich ebenfalls. »Das bezweifle ich, Cicero. Ich bezweifle, dass du so hart sein kannst.« Er begleitete uns nach drau?en, vorbei an Pompeius alias Alexander, vorbei an Pompeius alias Jupiter. »Ich sehe dich und deinen Klienten dann morgen fruh in der Basilika«, sagte er und schuttelte Cicero an der Haustur die Hand. »Danach wirst du in unserer Schuld stehen - und wir werden dich beobachten.« Selbstsicher warf er die Tur zu.

Cicero machte auf dem Absatz kehrt und trat auf die Stra?e. »Wenn das die Art von Ausdrucksweise ist, der er sich in aller Offentlichkeit bedient«, sagte er, »wie fuhrt er sich dann erst in der Latrine auf? Und spar dir die Muhe, mich zu ermahnen, Tiro, das kann von mir aus jeder horen.«

Er verschrankte die Hande hinter dem Rucken und ging - den Kopf vorgebeugt, in Gedanken vertieft -vor mir durchs Stadttor. Naturlich hatte Palicanus Recht. Cicero hatte keine Wahl. Er konnte seinen Klienten nicht im Stich lassen. Ich bin mir sicher, dass er in diesem Augenblick die politischen Risiken abwog, die uber ein einfaches Gesuch an die Tribunen hinaus in einer mit vollem Einsatz gefuhrten Kampagne lagen, die die alten Rechte fur die Volkstribunen zuruckforderte. Das wurde ihn die Unterstutzung der Gema?igten wie Servius kosten.

»Tja«, sagte er mit sauerlichem Lacheln, als wir zu Hause ankamen, »einen Kampf habe ich ja gewollt. Sieht ganz so aus, als hatte ich den jetzt.«

Er fragte den Hausverwalter Eros nach Terentia und schien erleichtert zu sein, als er horte, dass sie in ihrem Zimmer war. Wenigstens blieben ihm so noch ein paar Stunden, bis er ihr die Neuigkeit mitteilen musste. Wir gingen in sein Arbeitszimmer, und er hatte gerade damit begonnen, mir seine Rede fur die Tribunen zu diktieren - »Es ist mir eine Ehre, Tribunen, zum ersten Mal vor euch sprechen zu durfen« -, als wir von der Haustur her laute Mannerstimmen und einen dumpfen Schlag horten. Cicero, der beim Denken immer auf und ab ging, lief aus dem Zimmer, um nachzusehen, was die Gerausche verursacht hatte. Ich folgte ihm. Sechs grob aussehende, mit Knuppeln herumfuchtelnde Manner drangten in den Hausflur. Eros krummte sich auf dem Boden und hielt sich den Bauch. Seine Lippen waren blutig. Ein weiterer, uns unbekannter Mann, der keinen Knuppel, sondern ein anscheinend amtliches Schreiben in der Hand hielt, trat auf Cicero zu und verkundete, dass er befugt sei, das Haus zu durchsuchen.

»Befugt von wem?« Cicero war ganz ruhig -ruhiger, als ich an seiner Stelle gewesen ware.

»Gaius Verres, Proprator von Sizilien, hat am ersten Dezember diesen Haftbefehl verfugt.« Er hielt Cicero das Schriftstuck fur eine unverschamt kurze Zeit unter die Nase. »Ich suche den Verrater Sthenius.«

»Hier wirst du ihn nicht finden.«

»Das werde ich selbst feststellen.«

»Und wer bist du?«

»Timarchides, Freigelassener von Verres. Ich werde mich von dir nicht in ein Gesprach verwickeln lassen, und in der Zwischenzeit macht sich der Angeklagte aus dem Staub.« Er wandte sich an den Mann, der ihm am nachsten stand. »Du sicherst den Vordereingang. Ihr zwei schaut euch hinten um. Der Rest kommt mit mir. Wenn du keine Einwande hast, Senator, werden wir mit deinem Arbeitszimmer beginnen.«

Kurz darauf war der Larm, den die Manner verursachten, im ganzen Haus zu horen - schwere Schritte auf Marmorfliesen und Holzdielen, Schreie von weiblichen Sklaven, rude Mannerstimmen, gelegentlich ein Krachen oder Splittern, wenn Gegenstande umfielen oder zerbrachen. Timarchides kippte einen Aktenbehalter nach dem andern aus und arbeitete sich langsam durch das Arbeitszimmer.

Cicero stand an der Tur und schaute ihm zu. »In einem von den Behaltnissen wird er sich kaum verstecken«, sagte er. »So klein ist er nun auch wieder nicht.«

Nachdem sie im Arbeitszimmer nichts gefunden hatten, nahmen sie sich oben Ciceros spartanisch eingerichtetes Schlafzimmer und seinen Ankleideraum vor. »Eins kann ich dir versichern«, sagte Cicero, der sich nur noch mit Muhe im Zaum halten konnte, wahrend er mit ansehen musste, wie man sein Bett umkippte. »Du und dein Herr werden dafur hundertfach bezahlen.«

»Wo ist das Schlafzimmer deiner Frau?«, fragte Timarchides.

»Tja«, antwortete Cicero. »Das wurde ich an deiner Stelle besser nicht betreten.«

Aber Ticharmides war schon machtig in Rage. Er hatte eine lange Reise hinter sich, er hatte noch nichts gefunden, und Ciceros Kommentare machten ihn nur noch nervoser. Er sturmte mit seinen drei Mannern im Schlepptau durch den Flur und brullte: »Sthenius! Wir wissen, dass du da drin bist!« Dann riss er die Tur zu Terentias Schlafzimmer auf. Das folgende Kreischen und die klatschende Ohrfeige, die der Eindringling hinnehmen musste, schallten durchs ganze Haus. Darauf folgte eine derart bildkraftige Flut an Unflat, in derart herrischem Tonfall und in derartiger Lautstarke, dass Terentias entfernter Verwandter, der anderthalb Jahrhunderte zuvor in Cannae die romischen Reihen gegen Hannibal befehligt hatte, sicher in die

Hohe geschossen war und jetzt aufrecht in seiner Gruft sa?. »Sie kam uber den erbarmungswurdigen Freigelassenen«, pflegte Cicero spater zu sagen, »wie eine aus einem Baum herabsturzende Tigerin. Der Bursche hat mir fast leidgetan.« Timarchides musste wohl das Scheitern seiner Mission eingesehen haben, denn er blies die Sache ab. Zusammen mit seinen Rabauken trat er den schnellen Ruckzug uber die Treppe an - gefolgt von Terentia und der kleinen Tullia, die sich in den Falten von Terentias Gewand versteckte, gelegentlich daraus hervorlugte und wie ihre Mutter drohend die winzigen Fauste schwang. Wir horten, wie Timarchides seinen Mannern etwas zurief, dann das Gerausch trampelnder Schritte und schlie?lich die zufallende Haustur. Abgesehen von einem Hausmadchen, das irgendwo leise wimmerte, herrschte nun wieder Stille in dem alten Gebaude.

Dann drehte sich Terentia um, holte tief Luft, wobei ihr flacher Busen sich schnell hob und senkte, und sagte zu Cicero, der oben am Treppenabsatz stand: »Und das alles nur wegen dieses langweiligen Siziliers, fur den du im Senat Partei ergriffen hast?«

»Ich furchte ja«, sagte Cicero betrubt. »Die wollen mir um jeden Preis Angst einjagen.«

»Das darfst du nicht zulassen, Marcus.« Sie ging die Treppe hinauf und umfasste mit beiden Handen -ohne jede Zartlichkeit, sondern voller Leidenschaft -Ciceros Kopf und starrte ihm wutend in die Augen. »Du musst sie vernichten.«

Und als wir uns am nachsten Morgen auf den Weg zur Basilica Porcia machten, da ging Quintus links von Cicero und Lucius rechts, und hinter den Dreien, in einer eigens fur diesen Anlass gemieteten Sanfte, folgte im feierlichen Gewand einer romischen Matrone Terentia. Es war das erste Mal, dass sie sich die Umstande machte, Cicero offentlich reden zu horen. Ich schwore, dass ihn die Aussicht, vor ihr zu sprechen, nervoser machte als der Auftritt vor den Tribunen. Vom Haus weg begleitete uns ein gro?es Gefolge an Klienten, das unterwegs immer gro?er wurde und nochmals anschwoll, nachdem wir auf halbem Weg das Argiletum hinunter Sthenius aus seinem

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