nicht ertragen hatte.

»Er ist nicht zu verkaufen, zu keinem Preis«, sagte Cicero. Die Fahrt hatte ihm zugesetzt, seine Stimme klang ein wenig heiser. »Und um jedes Missverstandnis von vornherein auszuschlie?en, Imperator, ich habe meine Unterstutzung Pompeius Magnus zugesichert.«

»Pompeius Magnus?«, frotzelte Crassus. »Pompeius der Gro?e? Verglichen mit wem?«

»Darauf mochte ich lieber nicht antworten«, sagte Cicero. »Vergleiche konnen so ekelhaft sein.« Darauf zuckte sogar ein so unerbittlich leutseliger Mensch wie Crassus kaum merklich zuruck.

Es gibt Politiker, die konnen es nicht ertragen, sich zusammen in ein und demselben Raum aufzuhalten, selbst wenn es im Interesse beider ware, sich zu verstandigen. Es wurde mir schnell klar, dass Cicero und Crassus zu dieser Sorte gehorten. Das ist eine Tatsache, die die Stoiker nicht begreifen, wenn sie behaupten, dass Vernunft und nicht Emotionen die Hauptrolle in menschlichen Beziehungen spielen sollten: Ich furchte, dass das Gegenteil richtig ist und dass das auch immer so sein wird, sogar oder vielleicht gerade in der angeblich so kuhl abwagenden Welt der Politik. Und wenn schon in der Politik keine Vernunft herrscht, wo soll man sie dann finden? Crassus hatte Cicero zu sich bestellt, um seine Freundschaft zu gewinnen. Und Cicero war mit dem Vorsatz gekommen, sich Crassus' Wohlwollen zu erhalten. Da jedoch beide ihre gegenseitige Abneigung nicht verbergen konnten, wurde das Treffen ein Desaster.

»Kommen wir gleich zur Sache, einverstanden?«, sagte Crassus, nachdem er Cicero gebeten hatte,

Platz zu nehmen. Er legte seinen Umhang ab, ubergab ihn seinem Sohn und lie? sich auf dem Sofa nieder. »Zwei Dinge sind es, Cicero, um die ich dich bitten mochte. Das Erste ist die Unterstutzung meiner Kandidatur fur das Amt des Konsuls. Ich bin jetzt vierundvierzig, also mehr als alt genug, und ich glaube, dass ich in diesem Jahr an der Reihe bin. Das Zweite ist ein Triumph. Fur beides bin ich bereit zu zahlen, egal, wie hoch dein Marktwert gerade ist. Wie du wei?t, mache ich normalerweise nur Exklusivvertrage, aber angesichts deiner schon eingegangenen Verpflichtungen werde ich mich wohl mit der Halfte von dir begnugen mussen.« Dann verneigte er sich leicht und rugte hinzu: »Ein halber Cicero ist immer noch doppelt so viel wert wie bei den meisten anderen der ganze Mann.«

»Sehr schmeichelhaft, Imperator«, erwiderte Cicero, dem die Andeutung sauer aufstie?. »Vielen Dank. Meinen Sklaven kann man nicht kaufen, aber mich schon, meinst du das? Vielleicht erlaubst du mir, dass ich daruber nachdenke.«

»Was gibt es da nachzudenken? Bei den Konsulatswahlen hat jeder Burger zwei Stimmen. Gib eine mir und die andere, wem immer du willst. Du brauchst nur dafur zu sorgen, dass deine Freunde ebenso handeln. Sag ihnen, dass Crassus nie vergisst, wer ihm gefallig war. Und genauso wenig, wer ihm nicht gefallig war.«

»Ich furchte, ich werde dennoch Bedenkzeit brauchen.«

Wie ein Hecht durch klares Wasser huschte ein Schatten uber Crassus' freundliches Gesicht. »Und der Triumph?«

»Ich personlich bin zutiefst davon uberzeugt, dass du diese Ehre verdient hast. Wie du aber sicher wei?t, so ist Voraussetzung fur einen Triumph, dass durch die betreffende militarische Aktion dem Staat neues Herrschaftsgebiet hinzugefugt wurde. Der Senat hat uber ahnliche Falle schon beraten. Offenbar reicht es nicht aus, lediglich zuvor verloren gegangenes Territorium zuruckzugewinnen. Auch Fulvius hat man, nachdem Capua zu Hannibal ubergelaufen war und er die Stadt zuruckerobert hatte, keinen Triumph zugestanden.« Cicero erlauterte ihm all dies mit scheinbar tief empfundenem Bedauern.

»Das sind doch Formalitaten, meinst du nicht auch? Wenn Pompeius Konsul werden kann, ohne auch nur eine einzige der notwendigen Voraussetzungen zu erfullen, warum kann man mir nicht wenigstens einen Triumph zugestehen? Ich wei?, dass dir die Schwierigkeiten eines militarischen Kommandos nicht gelaufig sind. Oder auch die des Militardienstes ganz allgemein«, fugte er hintersinnig hinzu. »Aber du wirst mir sicher darin zustimmen, dass ich alle anderen Voraussetzungen erfullt habe. Ich habe im Feld funftausend Feinde getotet, habe unter den Auspizien der Gotter gekampft, wurde von den Legionen zum Imperator ausgerufen, habe die Provinz befriedet und bin mit allen Truppen zuruckgekehrt. Wenn jemand mit Einfluss, so wie du, einen Antrag im Senat einbringen wurde, dann wurde ich mich sehr gro?zugig zeigen.«

Es entstand eine lange Pause, in der ich mich fragte, wie Cicero sich aus diesem Dilemma befreien wurde.

»Da drau?en, Imperator, das ist dein Triumph!«, sagte er plotzlich und deutete in Richtung Via Appia. »Das ist das Monument fur einen Mann wie dich! Solange Romer Zungen haben werden, um zu sprechen, werden sie sich an Crassus erinnern als den Mann, der uber eine Strecke von dreihundertfunfzig Meilen, an Kreuzen im Abstand von einhundertsiebzehn Schritten, sechstausend Sklaven gekreuzigt hat. Kein anderer unserer gro?en Generale wird jemals etwas Ahnliches vollbracht haben. Scipio Afficanus, Pompeius, Lucullus ...« Cicero machte eine verachtliche Handbewegung. »Keiner von denen ware jemals nur auf die Idee gekommen.«

Cicero lehnte sich zuruck und schaute Crassus lachelnd ins Gesicht. Crassus erwiderte das Lacheln. Die Zeit verstrich. Ich spurte, wie mir der Schwei? den Rucken hinunterlief. Die beiden fochten einen Wettbewerb aus: Wer wurde als Erster aufhoren zu lacheln? Schlie?lich stand Crassus auf und streckte Cicero die Hand hin. »Ich danke dir fur deinen Besuch junger Freund«, sagte er.

Als der Senat wenige Tage spater zusammenkam, um die Ehrungen festzulegen, stimmte Cicero mit der Mehrheit gegen einen Triumph fur Crassus. Stattdessen musste sich der Bezwinger von Spartacus mit einer Ovation zufriedengeben, eine in jeder Beziehung zweitklassige Ehrung. Er zoge nicht in einem von vier Pferden gezogenen Triumphwagen in die Stadt ein, sondern wurde zu Fu? gehen mussen; statt schmetternder Trompeten gabe es trallernde Floten, statt einem Kranz aus Lorbeer nur einen aus Myrte. »Wenn der Mann nur einen Funken Ehre im Leib hat«, sagte Cicero, »dann lehnt er ab.« Fast uberflussig zu erwahnen, dass Crassus' Zusage dem Senat kurze Zeit spater vorlag.

Als man zu den Ehrungen fur Pompeius kam, bediente sich Afranius eines schlauen Manovers. Er nutzte seinen Rang als Prator, um schon zu Beginn der Debatte das Wort zu ergreifen und zu verkunden, dass Pompeius in Demut und Dankbarkeit jede Ehrung, die das Haus ihm gewahre, akzeptieren wurde: Er trafe morgen mit zehntausend Mann vor den Toren der Stadt ein und hoffe, so vielen Senatoren wie moglich personlich zu danken. Zehntausend Mann? Nach dieser Ankundigung erschien es den Aristokraten nicht mehr ratsam, den Eroberer Spaniens offentlich zu bruskieren. Per einstimmigem Votum wurden die Konsuln angewiesen, Pompeius, so bald es diesem moglich sei, ihre Aufwartung zu machen und einen uneingeschrankten Triumph anzubieten.

Am nachsten Morgen kleidete sich Cicero mit noch gro?erer Sorgfalt als ublich und besprach sich dann mit Quintus und Lucius, wie weit er bei den bevorstehenden Unterredungen mit Pompeius gehen solle. Er entschied sich fur die forsche Variante. Im nachsten Jahr wurde er sechsunddrei?ig Jahre alt werden, das Mindestalter, um sich in Rom fur das Amt eines der vier Adilen zu bewerben, die jedes Jahr neu gewahlt wurden. Der Aufgabenbereich des Amtes - Unterhalt der offentlichen Gebaude, Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung, Ausrichtung von Spielen, Ausstellung von Handelslizenzen etc. - konnte Cicero dabei helfen, seine politische Gefolgschaft weiter auszubauen. Die drei Manner einigten sich darauf, dass Cicero Pompeius bitten wurde, seine Kandidatur zum Adil zu unterstutzen. »Ich glaube, das habe ich mir verdient«, sagte Cicero.

Nachdem das erledigt war, mischten wir uns unter die riesige Menschenmenge, die Richtung Westen zum Marsfeld drangte. Es ging das Gerucht, dass Pompeius dort seine Legionen halten lassen wolle. (Es war Gesetz, zumindest in jenen Tagen, dass man innerhalb der heiligen Mauern Roms kein militarisches Imperium ausuben konnte. Wollten also Crassus und Pompeius das Kommando uber ihre Armeen behalten, so waren sie genotigt, ihre Intrigen von au?erhalb der Stadttore zu steuern.) Jeden interessierte brennend, wie der gro?e Mann aussah. Seit fast sieben Jahren hatte der romische Alexander, wie seine Anhanger Pompeius nannten, auf fernen Schlachtfeldern gekampft. Die einen fragten sich, wie sehr er sich wohl verandert hatte, die anderen - zu denen ich gehorte - hatten ihn uberhaupt noch nie gesehen. Cicero hatte schon von Palicanus erfahren, dass Pompeius sein Hauptquartier in der Villa Publica aufzuschlagen gedenke, dem Gastehaus der Regierung gleich neben dem abgesperrten Gelande fur die Stimmabgabe. Dorthin waren Cicero, Quintus, Lucius und ich unterwegs.

Die Villa wurde von einer doppelten Postenkette Soldaten abgeriegelt, und als wir uns schlie?lich durch die Menge bis zur au?eren Mauer durchgekampft hatten, wurde uns gesagt, dass ohne Zugangsberechtigung niemand auf das Grundstuck durfe. Cicero war au?erst beleidigt, dass keiner der Wachposten je von ihm gehort hatte, und

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