hassliche, grobe Zuge und eine widerwartige, krachzende Stimme. In der Basilica Porcia trieben sich immer jede Menge Spinner herum, und fur einen solchen hielt ich den Kerl zunachst, da seine Rede sich ausschlie?lich darum zu drehen schien, warum man eine ganz bestimmte Saule unter gar keinen Umstanden abrei?en oder auch nur um einen Fu? versetzen durfe, um mehr Raum fur die Volkstribunen zu schaffen. Und dennoch schenkten ihm die Anwesenden unerfindlicherweise ihre Aufmerksamkeit. Auch Cicero horte ihm interessiert zu und erkannte schlie?lich - vermutlich weil der Redner sich immer wieder auf »meinen Vorfahren« bezog -, dass es sich bei dieser sonderbaren Gestalt um niemand anderen als den Urenkel des beruhmten Marcus Porcius Cato handelte, den Erbauer und Namensgeber der Basilika.

Ich erwahne diesen Vorfall, weil der junge Cato, der damals dreiundzwanzig Jahre alt war, spater noch eine wichtige Rolle spielen sollte - sowohl im Leben Ciceros als auch beim Niedergang der Republik. Nicht dass irgendwer das damals auch nur geahnt hatte. Er machte vielmehr den Eindruck, als wurde er unausweichlich in der Irrenanstalt landen. Er beendete seine Ansprache und drangte mit wirrem Tunnelblick zum Ausgang, wobei er mich fast uber den Haufen rannte. Ich erinnere mich noch an seinen animalischen Korpergeruch, an die verfilzten, schwei?nassen Haare und die tellergro?en Schwitzflecken unter den Achseln seiner Tunika. Aber er hatte sein Ziel erreicht: Solange das Gebaude stand - was beklagenswerterweise nicht mehr allzu viele Jahre waren -, blieb besagte Saule an ihrem Platz.

Alles in allem jedoch - um zu meiner Geschichte zuruckzukehren - waren die Volktribunen ein ziemlich armseliger Haufen. Immerhin gab es aber einen darunter, dessen Talent und Energie hervorstachen, und das war Lollius Palicanus. Er war ein stolzer Mann, wenn auch von niedriger Abstammung, geburtig aus Picenum in Norditalien, der Machtbasis von Pompeius Magnus. Man war allgemein davon ausgegangen, dass Pompeius nach seiner Ruckkehr aus Spanien seinen Einfluss nutzen wurde, um seinem Landsmann den Weg zum Amt des Prators zu ebnen. Wie jedermann sonst war auch Cicero uberrascht gewesen, als Palicanus im Sommer plotzlich seine Kandidatur fur das Volkstribunat verkundet hatte. An jenem Morgen schien er sich au?erst wohlzufuhlen. Da die Amtszeit fur die neu gewahlten Volkstribunen immer am zehnten Tag im Dezember begann, musste er sein Amt gerade erst angetreten haben. »Cicero!«, brullte er, als er uns sah. »Ich habe mich schon gefragt, wann du hier auftauchst.«

Er sagte, dass er die Neuigkeiten aus Syrakus bereits gehort habe und dass er mit uns uber Verres reden wolle - aber nicht hier, vor so vielen Leuten, erklarte er geheimnisvoll, schlie?lich stehe mehr auf dem Spiel als nur das Schicksal eines einzelnen Mannes. Er schlug vor, dass wir uns in einer Stunde in seinem Haus auf dem Aventin treffen sollten. Cicero war einverstanden, worauf Palicanus sofort einen seiner Leute als Begleiter fur uns herbeiwinkte. Er wurde spater nachkommen.

Das Haus befand sich an der Porta Laverna, gleich au?erhalb der Stadtmauer, es war rustikal und schlicht. Es passte zu Palicanus. Woran ich mich vor allem erinnere, ist die uberlebensgro?e Pompeius-Statue, die, ausstaffiert mit dem Kopfputz und der Rustung Alexanders des Gro?en, das Atrium beherrschte. »Nun ja«, sagte Cicero, nachdem er sie eine Zeit lang nachdenklich betrachtet hatte. »Ist doch mal was anderes als die ewigen Drei Grazien.« Das war exakt die Sorte drolliger, aber unpassender Bemerkungen, die sich dann ihren Weg durch die ganze Stadt bahnten und schlie?lich unweigerlich bei ihrem Opfer landeten. Glucklicherweise war ich in diesem Fall der einzige Zeuge, nahm aber die Gelegenheit wahr, Cicero zu berichten, was mir der Sekretar des Konsuls bezuglich seines Witzes uber Gellius und dessen Vermittlungsversuch zwischen den Philosophen erzahlt hatte. Cicero tat peinlich beruhrt und versprach, in Zukunft etwas mehr Umsicht walten zu lassen, schlie?lich wisse er, dass das Volk seine Staatsmanner lieber etwas weniger witzig hatte. Naturlich verga? er diesen Vorsatz bald wieder.

»Die Rede, die du letzte Woche gehalten hast, die war wirklich gut«, waren Palicanus' erste Worte, als er sein Haus betrat. »Du verstehst dein Handwerk, Cicero, wirklich ... wenn ich das so sagen darf. Aber diese aristokratischen Bastarde haben dich uber den Tisch gezogen, und jetzt sitzt du in der Schei?e. Was genau willst du dagegen tun?« (So oder so ahnlich druckte Palicanus sich aus - derbe Worte in derbem Tonfall. Die Aristokraten machten sich gewohnlich nach Kraften lustig uber seine Diktion.)

Ich offnete meine Aktentasche, gab Cicero die Schriftstucke, und er setzte Palicanus in kurzen Worten Sthenius' Lage auseinander. Als er damit fertig war, fragte er, ob irgendeine Moglichkeit bestehe, dass die Volkstribunen ihm helfen konnten.

»Kommt drauf an«, sagte Palicanus grinsend und leckte sich die Lippen. »Machen wir es uns erst mal bequem, dann sehen wir weiter.«

Er fuhrte uns in einen anderen Raum, dessen eine Seite vollkommen von einem riesigen Wandgemalde des lorbeerbekranzten Pompeius eingenommen wurde, der sich diesmal im Gewand des Jupiter prasentierte, einschlie?lich der aus den Fingern hervorzuckenden Blitze.

»Und, gefallt es dir?«, fragte Palicanus.

»Bemerkenswert«, antwortete Cicero.

»In der Tat«, sagte Palicanus nicht ohne Genugtuung.

Ich setzte mich auf einen Stuhl unter das Bildnis des Gottlichen aus Picenum, wahrend Cicero, dessen Blick ich tunlichst auswich, sich ans aridere Ende des Sofas setzte, auf dem Palicanus Platz genommen hatte.

»Was ich dir zu sagen habe, Cicero, ist nicht fur Ohren au?erhalb dieses Raumes bestimmt. Pompeius Magnus ...« Er nickte in Richtung des Gemaldes, fur den Fall, dass wir nicht wissen sollten, wen er meinte. »... wird nach sechs Jahren Abwesenheit wieder nach Rom zuruckkehren. Und zwar bald. Und damit ihn seine adligen Freunde nicht mit irgendeiner raffinierten Taktik reinlegen, wird er mit seiner Armee kommen. Er will Konsul werden, und das wird er auch werden. Und zwar ohne auf Widerstand zu treffen.«

Gespannt beugte er sich vor und wartete auf eine schockierte oder uberraschte Reaktion. Aber Cicero reagierte auf die sensationelle Nachricht so gleichmutig, als plaudere Palicanus uber das Wetter.

»Du willst also als Gegenleistung fur deine Hilfe in Sachen Sthenius meine in Sachen Pompeius.«

»Du bist ein schlauer Kopf, Cicero, du hast es wirklich drauf. Und, was sagst du?«

Cicero stutzte das Kinn auf die Hand und schaute Palicanus an. »Nun ja, erst mal wird das Quintus Metellus gar nicht freuen. Du kennst doch das alte Gedicht: >Schicksal ist in diesem Staat, der Weg der Metelli ins Konsulat.< Das steht schon seit seiner Geburt fest, dass er im nachsten Sommer an der Reihe ist.«

»Ach ja, tatsachlich? Der kann mich mal. Wie viele Legionen hat denn dieser Quintus Metellus hinter sich?«

»Die Legionen hat Crassus«, sagte Cicero. »Und Lucullus.«

»Lucullus ist viel zu weit weg, au?erdem hat er alle Hande voll zu tun. Und was Crassus angeht ... stimmt, er hasst Pompeius bis aufs Blut. Aber er ist kein Soldat, das ist der entscheidende Punkt. Er ist Geschaftsmann, und die sind immer fur einen Handel gut.«

»Und dann ist da noch die Kleinigkeit, dass das ganze Vorhaben gegen das Gesetz versto?t. Um zum Konsul gewahlt zu werden, muss man dreiundvierzig Jahre alt sein. Und Pompeius, wie alt ist der?«

»Vierunddrei?ig.«

»Exakt, fast ein Jahr junger als ich. Au?erdem muss man in den Senat gewahlt worden sein und das Amt des Prators innegehabt haben. Mit beidem kann Pompeius nicht dienen. Er hat in seinem ganzen Leben keine einzige politische Rede gehalten. Einfach ausgedruckt, Palicanus, selten war ein Mann weniger qualifiziert fur den Posten des Konsuls als Pompeius.«

Palicanus machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das mag ja alles stimmen, aber schauen wir uns doch mal die Tatsachen an. Pompeius hat jahrelang uber ganze Lander geherrscht, noch dazu in seiner Eigenschaft als Prokonsul. Er ist schon Konsul, au?er dem Namen nach. Sei realistisch, Cicero. Du kannst von einem Mann wie Pompeius nicht erwarten, dass er nach Rom zuruckkehrt, als Hinterbankler wieder ganz von unten anfangt und sich um das Amt des Quastors bewirbt. Wie stellst du dir das vor, wo bleibt da seine Wurde?«

»Seine Gefuhle in allen Ehren, aber du hast mich nach meiner Meinung gefragt, und ich sage dir: Die Aristokraten spielen da nicht mit. Zugegeben, sie haben vielleicht keine andere Wahl und lassen ihn Konsul werden, wenn Zehntausend von seinen Leuten vor der Stadt stehen, aber fruher oder spater gehen seine Soldaten nach Hause, und wie will er dann ...? Ohooo!« Cicero warf den Kopf zuruck und fing an zu lachen. »Das ist schlau, das ist wirklich schlau.«

»Na, verstehst du jetzt?«, sagte Palicanus grinsend.

»Und ob.« Cicero nickte anerkennend. »Nicht schlecht.«

»Ich biete dir die Gelegenheit, dabei zu sein. Und noch was: Pompeius Magnus vergisst keinen

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