wir konnten von Gluck sagen, dass zufallig Palicanus auftauchte, der seinen Schwiegersohn, den Legionskommandeur Gabinius, holen lie?, der dann fur uns burgte. Auf dem Gelande stellten wir fest, dass sich schon die Halfte des offiziellen Roms unter den schattigen Kolonnaden drangte. Die Luft so nah' an der Macht knisterte vor Spannung. »Wie Wespen am Honigtopf«, sagte Cicero.

»Pompeius Magnus ist heute Nacht eingetroffen«, erklarte Palicanus und fugte in feierlichem Ton hinzu: »Die Konsuln sind gerade bei ihm.« Er versprach uns, Bescheid zu geben, sobald er mehr wusste, und eilte dann wichtigtuerisch zwischen den Wachposten hindurch ins Haus.

Mehrere Stunden vergingen, ohne dass Palicanus wieder auftauchte. Wir sahen Kuriere ein und aus gehen, sahen mit knurrenden Magen, wie Speisen geliefert wurden, sahen, wie die Konsuln die Villa verlie?en und die gro?en alten Manner Catulus und Isauricus eintrafen. Ebenfalls wartende Senatoren, die glaubten, Cicero als leidenschaftlicher Parteiganger Pompeius' gehore zu dessen innerem Beraterkreis, fragten ihn immer wieder, was denn da vor sich gehe. »Alles zu seiner Zeit«, sagte Cicero. »Alles zu seiner Zeit.« Schlie?lich muss ihm diese floskelhafte Antwort wohl selbst peinlich gewesen sein, denn er schickte mich los, ihm einen Hocker zu besorgen. Als ich zuruckkam, stellte er den Hocker an eine Saule, setzte sich, lehnte sich zuruck und schloss die Augen. Am Nachmittag traf Hortensius ein, der sich durch die von Soldaten zuruckgehaltenen Gaffer drangte und sofort vorgelassen wurde. Als wenig spater auch die drei Metellus-Bruder eingelassen wurden, konnte selbst Cicero nicht mehr umhin, dies als Demutigung aufzufassen. Sein Bruder Quintus eilte davon, um im Umkreis des Senatsgebaudes vielleicht das eine oder andere Gerucht aufzuschnappen. Wahrenddessen wanderte Cicero in den Kolonnaden nervos auf und ab und schickte mich zum zwanzigsten Mal los, um Palicanus oder Afranius oder Gabinius oder wen auch immer aufzutreiben, der ihm Zugang zu der Konferenz verschaffen konnte.

Ich ging vor dem umlagerten Eingang auf und ab und stellte mich gelegentlich auf die Zehenspitzen, um uber das Gewirr aus Kopfen hinwegzusehen. Als ein Kurier die Villa verlie?, sah ich durch die halb offene Tur wei? gekleidete Gestalten, die lachend und plaudernd um einen schweren Marmortisch herumstanden, der mit Schriftstucken ubersat war. Dann wurde ich von einem Tumult auf der Stra?e abgelenkt. Menschen riefen »Heil Imperator!« Jubel brandete auf, das Tor wurde aufgerissen, und flankiert von seinen Leibwachtern erschien Crassus. Er nahm den mit Federn geschmuckten Helm ab, gab ihn einem seiner Liktoren, wischte sich die Stirn ab und schaute sich um. Sein Blick fiel auf Cicero. Er neigte leicht den Kopf und lachelte ihn, wie es seine Art war, unbefangen an. Ich glaube, dass dies einer der seltenen Momente war, in denen ich Cicero vollkommen sprachlos sah. Dann warf sich Crassus - auf ziemlich majestatische Weise, muss ich zugeben - den scharlachroten Umhang uber die Schulter und betrat mit festem Schritt die Villa Publica, wahrend Cicero sich kraftlos auf seinen Hocker fallen lie?.

Immer wieder ist mir dieser merkwurdige Aspekt der Macht aufgefallen: Wenn man ihr korperlich am nachsten ist, wei? man oft am wenigsten, was sich gerade abspielt. Zum Beispiel habe ich erlebt, wie Senatoren sich genotigt sahen, den Senatssaal zu verlassen und ihre Sklaven auf den Gemusemarkt zu schicken, um zu erfahren, was in der von ihnen vermeintlich regierten Stadt eigentlich vorging. Oder ich habe von Generalen gehort, die trotz zahlreicher Legaten und Kundschafter gezwungen waren, vorbeikommende Schafer abzufangen, um sich das Neueste vom Schlachtfeld erzahlen zu lassen. So erging es an jenem Nachmittag auch Cicero, der von dem Raum, in dem Rom tranchiert wurde wie ein Brathuhnchen, keine zehn Schritte entfernt auf einem Hocker sa? und sich von Quintus berichten lassen musste, was der von einem Beamten auf dem Forum erfahren und was dieser wiederum von einem Senatsschreiber gehort hatte.

»Sieht schlecht aus«, sagte Quintus, obwohl man das schon an seinem Gesichtsausdruck ablesen konnte. »Pompeius Konsul, die Rechte des Volkstribunats wiederhergestellt, kein Widerstand der Aristokratie. Als Gegenleistung - und jetzt pass auf - als Gegenleistung Hortensius und Quintus Metellus mit voller Ruckendeckung durch Pompeius Konsuln im nachsten Jahr. Ablosung von Verres als Statthalter von Sizilien, neuer Statthalter Lucius Metellus - Lucius Metellus! Und jetzt der Gipfel: Crassus - Crassus! - zweiter Konsul neben Pompeius, Auflosung beider Armeen am Tag des Amtsantritts.«

»Aber ich hatte dabei sein mussen«, sagte Cicero und starrte tief besturzt zur Villa. »Ich hatte dabei sein mussen!«

»Marcus«, sagte sein Bruder mit trauriger Stimme und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Keiner von denen wollte, dass du dabei bist.«

Wie betaubt war Cicero angesichts des Ausma?es des Umschwungs - er selbst ausgeschlossen, seine Feinde belohnt, Crassus zum Konsul befordert. Doch dann schuttelte er sich, stand auf und ging wutend Richtung Tur. Vielleicht hatte einer von Pompeius' Wachsoldaten seiner politischen Karriere nur wenige Sekunden spater durch das Schwert ein Ende gesetzt, denn ich glaube, in seiner Verzweiflung war er damals fest entschlossen, sich den Weg zum Verhandlungstisch zu erzwingen und seinen Anteil einzufordern. Doch es war schon zu spat. Die machtigen Manner hatten ihren Handel besiegelt und verlie?en gerade die Villa. Ihre hektischen Berater kamen als Erste, dann die Wachen, die auf den Boden stampften, als ihre Herren durch die Tur traten. Crassus erschien als Nachster, dann trat Pompeius aus dem Halbdunkel. Alle wussten sofort, wen sie vor sich hatten. Nicht nur wegen der Aura der Macht, die die Luft bei jeder seiner Bewegungen aufzuladen schien, sondern auch wegen seiner Zuge. Er hatte ein breites Gesicht mit weit auseinanderstehenden Backenknochen und dichtes, welliges Haar, das sich zu einer Tolle aufschwang, die an den Bug eines Schiffes erinnerte. Das Gesicht strahlte Gewicht und Fuhrungskraft aus, es passte zu den breiten Schultern und dem kraftigen Brustkorb. Er hatte den Oberkorper eines Ringers. Mir war jetzt klar, warum man ihn in seiner Jugend, als er fur seine Skrupellosigkeit beruhmt war, den jungen Schlachter genannt hatte.

Und so defilierten sie an uns voruber, der alte Glatzkopf und der junge Schlachter. Ohne ein Wort zu wechseln, ohne sich auch nur anzuschauen, gingen sie auf das Tor zu, das sich fur sie offnete. Sofort setzten sich die Senatoren in Bewegung und hefteten sich an ihre Fersen, und auch wir wurden mit der Menge auf den Platz vor der Villa Publica hinausgeschwemmt und prallten dort auf eine Wand aus Hitze und Larm. Es waren sicher zwanzigtausend Menschen, die sich an jenem Nachmittag auf dem Marsfeld versammelt hatten und die jetzt in lautstarken Jubel ausbrachen. Soldaten, die sich an den Ellbogen untergehakt hatten und mit den Fu?en in den Staub stemmten, hielten die Menge zuruck und machten eine schmale Gasse frei. Sie war gerade breit genug, dass Pompeius und Crassus Seite an Seite durch sie hindurchgehen konnten. Da wir ganz hinten in der Prozession mitschwammen, konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht sehen und auch nicht, ob sie inzwischen miteinander sprachen. Langsam bewegten sie sich auf das Podium zu, auf dem sich am Wahltag nach altem Brauch die Wurdentrager versammelten. Pompeius stieg unter erneut aufbrandendem Beifall als Erster auf das Podium, blieb dort eine Weile stehen, wandte sein breites, strahlendes Gesicht mal hierhin, mal dorthin und genoss den Jubel wie eine sich in der Sonne aalende Katze die Warme. Dann beugte er sich nach unten und half Crassus aufs Podium. Bei dieser Demonstration der Einigkeit zwischen den beiden notorischen Rivalen brach die Menge erneut in Jubel aus, der sogar noch anschwoll, als Pompeius Crassus' Hand nahm und in die Hohe reckte.

»Was fur ein ekelerregendes Schauspiel.« Cicero musste mir die Worte ins Ohr brullen, damit ich ihn uberhaupt verstand. »Ein Konsulat, das gefordert und unter Zwang bewilligt wurde. Wir sind Zeuge des Anfangs vom Ende der Republik, Tiro. Denk an meine Worte!« Unwillkurlich ging mir der Gedanke durch den Kopf, hatte er an der Konferenz teilgenommen und die gemeinsame Kandidatur mit eingefadelt, dann hatte er dieses Arrangement als meisterliche Staatskunst gepriesen.

Pompeius brachte die Menge mit einer Handbewegung zum Verstummen und begann mit seiner Exerzierplatzstimme zu sprechen. »Menschen von Rom, die Fuhrer des Senats haben mir das gro?mutige Angebot unterbreitet, einen Triumph abzuhalten, ein Angebot, das ich mit Freuden annehme. Sie haben mir ebenfalls die Erlaubnis erteilt, mich fur das Amt des Konsuls zu bewerben, eine Erlaubnis, die ich gleichfalls mit Freuden wahrnehmen werde. Was mich jedoch mit noch gro?erer Freude erfullt, ist die Tatsache, dass mein alter Freund Marcus Licinius Crassus mich in das Amt begleiten wird.« Er schloss mit dem Versprechen, dass er im nachsten Jahr zu Ehren seiner Siege in Spanien gro?e Spiele veranstalten und dass er diese Herkules weihen werde.

Tja, zweifellos gut gewahlte Worte, allerdings viel zu schnell vorgetragen. Er verga? die notige Pause nach jedem Satz, was bedeutete, dass die wenigen, die seine Worte verstanden hatten, diese nicht fur die hinter ihnen Stehenden, denen dies nicht moglich gewesen war, wiederholen konnten. Ich bezweifle, dass mehr als ein paar Hundert aus dieser riesigen Menschenmenge ihn uberhaupt verstanden hatten. Wie auch immer, die Menge jubelte, und sie jubelte noch mehr, als Crassus, gerissen wie er war, Pompeius umgehend die Schau stahl.

»Hiermit gelobe ich feierlich«, sagte er mit der drohnenden Stimme des geubten Redners, »dass ich zu

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