Pompeius' Spielen ... am ersten Tag von Pompeius' Spielen ... ein Zehntel meines Vermogens ... ein Zehntel meines gesamten Vermogens ... zum Kauf fur Essen und Trinken zugunsten der Menschen von Rom zur Verfugung stellen werde ... fur jeden von euch freies Essen und Trinken fur drei Monate ... und ein gro?es Bankett in den Stra?en ... ein Bankett fur jeden Burger Roms ... ein Bankett zu Ehren von Herkules!«

Die Menge steigerte sich in einen Jubeltaumel. »Dieser Schurke«, sagte Cicero. »Ein Zehntel seines Vermogens, das sind zwanzig Millionen an Bestechungsgeld! Trotzdem ein gunstiger Preis. Schau ihn dir an, Tiro, wie er seine schwache Position in eine starke verwandelt. Damit hast du wohl nicht gerechnet, was?«, rief er Palicanus entgegen, der sich vom Podium zu uns durchkampfte. »Jetzt hat er sich schon auf eine Stufe mit Pompeius gestellt. Ihr hattet ihm nie diese Buhne bieten durfen.«

»Der Imperator mochte dich sprechen«, sagte Palicanus mit atemloser Stimme. »Er will sich personlich bei dir bedanken.« Ich spurte, dass Cicero mit sich rang, aber Palicanus lie? nicht locker, zupfte ihn beharrlich am Armel, und schlie?lich gab er nach. Wahrscheinlich wollte er wenigstens etwas von diesem Tag retten.

»Will er eine Rede halten?«, rief Cicero, als wir uns mit Palicanus zum Podium durchdrangelten.

»Er halt eigentlich nie Reden«, sagte Palicanus uber die Schulter. »Jedenfalls noch nicht.«

»Das ist ein Fehler. Die Leute erwarten, dass er zu ihnen spricht.«

»Tja, dann werden sie wohl sehr enttauscht sein.«

»Was fur eine Verschwendung«, flusterte mir Cicero ehrlich entrustet zu. »Was wurde ich fur so ein Publikum nicht alles geben! Wie oft kommen schon so viele Wahler an einem einzigen Ort zusammen?«

Aber Pompeius hatte kaum Erfahrung als offentlicher Redner. Au?erdem war er es gewohnt, Mannern zu befehlen, nicht, ihnen zu schmeicheln. Er winkte den Menschen ein letztes Mal zu und stieg dann vom Podium. Crassus folgte seinem Beispiel, und der Applaus verebbte allmahlich. Es war deutlich spurbar, wie die Stimmung abkuhlte. Die Leute standen da und wussten nicht recht, was sie tun sollten. »Was fur eine Verschwendung«, wiederholte Cicero. »Was hatte ich ihnen fur ein Spektakel geboten.«

Hinter dem Podium befand sich ein kleiner abgeschlossener Bereich, wo sich am Wahltag nach altem Brauch die Magistrate versammelten, bevor sie das Podium bestiegen, um ihres Amtes zu walten. Palicanus fuhrte uns an den Wachen vorbei, und kurz darauf erschien Pompeius. Ein junger schwarzer Sklave reichte ihm ein Tuch, womit er sich den Schwei? von Gesicht und Nacken wischte. Ein Dutzend Senatoren standen schon bereit, um ihn zu begru?en, und Palicanus schob Cicero unter die Wartenden und zog sich dann mit Quintus, Lucius und mir zuruck. Pompeius, gefolgt von Afranius, der ihm die Namen zuflusterte, schritt die Reihe ab und schuttelte jedem Senator die Hand. »Sehr erfreut«, sagte Pompeius. »Sehr erfreut. Sehr erfreut.« Als er naher kam, konnte ich ihn mir genauer ansehen. Er hatte edle Zuge, keine Frage, gleichzeitig offenbarte das rundliche Gesicht aber eine absto?ende Eitelkeit, und seine pompose, zerstreute Art verstarkte noch den Eindruck, dass es ihn augenscheinlich langweilte, all diese oden Zivilisten treffen zu mussen. Schnell hatte er Cicero erreicht.

»Marcus Cicero, Imperator«, sagte Afranius.

»Sehr erfreut.«

Er wollte schon weitergehen, als Afranius ihn am Ellbogen beruhrte und flusterte: »Cicero ist einer der herausragenden Advokaten unserer Stadt, er war uns im Senat von gro?em Nutzen.«

»Tatsachlich? Nun, ich hoffe, du leistest auch weiterhin so gute Arbeit.«

»Das werde ich«, sagte Cicero schnell. »Ich hoffe, im nachsten Jahr das Amt des Adils bekleiden zu konnen.«

»Adil?« Bereits der Gedanke schien Pompeius zu belustigen. »Nein, nein, das glaube ich kaum. In dieser Richtung habe ich schon andere Plane. Aber ich bin sicher, dass wir fur einen fahigen Anwalt immer eine Verwendung finden.«

Und dann ging er tatsachlich weiter - Sehr erfreut... Sehr erfreut... - und lie? den starr geradeaus blickenden, schwer schluckenden Cicero einfach stehen.

KAPITEL V

Wahrend all der Jahre in seinen Diensten erlebte ich in jener Nacht zum ersten und zum letzten Mal, dass Cicero zu viel trank. Ich horte, wie er sich beim Abendessen mit Terentia stritt. Und das war keiner von den geistreichen, in eisiger Hoflichkeit ausgetragenen Dispute wie sonst, sondern ein larmendes Spektakel, das durch das ganze Haus hallte. Wie hatte er nur so dumm sein konnen, einem so offensichtlich ehrlosen Haufen sein Vertrauen zu schenken - Figuren aus Picenum, die nicht mal richtige Romer waren! »Aber du bist ja selbst kein richtiger Romer, was soll man da erwarten ...« Dieser Seitenhieb auf seine niedere landliche Herkunft ging ihm nach wie vor unter die Haut. Es verhie? nichts Gutes, dass ich seine leise, offenbar bosartige Erwiderung darauf nicht verstand. Was immer er auch sagte, es muss verheerend gewesen sein, denn Terentia - keine Frau, die man leicht aus der Fassung bringen konnte - sturzte weinend aus dem Speisezimmer und verschwand nach oben.

Ich hielt es fur das Beste, ihn in Ruhe zu lassen. Eine Stunde spater jedoch horte ich ein splitterndes Gerausch, lief ins Speisezimmer und sah, wie Cicero schwankend dastand und die Scherben eines zerbrochenen Tellers auf dem Boden anstarrte. Die Vorderseite seiner Tunika war mit Weinflecken besudelt. »Mir ist ubel«, sagte er.

Ich nahm seinen Arm auf meine Schulter und half ihm nach oben - keine leichte Aufgabe, da er schwerer war als ich. Ich legte ihn aufs Bett und zog ihm die Schuhe aus. »Scheidung«, brummte er in sein Kissen. »Scheidung, das ist die einzige Losung, Tiro, auch wenn ich dann aus dem Senat ausscheiden muss, weil ich es mir nicht mehr leisten kann. Was soll's? Kein Mensch wird mich vermissen. Halt noch ein homo novus, der es nicht geschafft hat. Ach, Tiro, mein lieber Tiro!« Mir gelang es gerade noch, ihm seinen Nachttopf unters Kinn zu halten, bevor er sich ubergab. Mit herunterhangendem Kopf sprach er in sein Erbrochenes. »Wir gehen nach Athen, mein Freund, ziehen zu Atticus und studieren Philosophie. Kein Mensch wird uns hier vermissen ...« Die letzten Worte gingen in einem langen selbstmitleidigen Plappern aus vernuschelten Silben und zischenden Konsonanten unter, die ich mit keinem meiner Kurzschriftzeichen hatte wiedergeben konnen. Ich stellte den Topf neben das Bett, blies die Lampe aus, und noch bevor ich die Tur erreichte, horte ich ihn schon schnarchen. Ich gestehe, dass ich mir Sorgen um ihn machte, als ich mich an jenem Abend schlafen legte.

Am nachsten Tag jedoch wurde ich wie ublich kurz vor Sonnenaufgang von den Gerauschen seiner Morgenubungen geweckt. Er bewegte sich vielleicht etwas langsamer als sonst, aber schlie?lich war es Hochsommer und furchtbar fruh, und er hatte gerade mal ein paar Stunden geschlafen. Aber so war er: Fehlschlage befeuerten seinen Ehrgeiz. Nach jeder erlittenen Demutigung erlosch vorubergehend das Feuer in ihm, um dann umso heftiger wieder aufzulodern - ob in seinen fruhen Tagen als Anwalt, wenn ihn sein Korper im Stich gelassen hatte, ob nach seiner Ruckkehr aus Sizilien oder jetzt nach Pompeius' ruder Abfuhr.

»Ausdauer ist alles«, pflegte er zu sagen. »Mit Genialitat kommt man nicht nach oben. Rom ist voll von verkannten Genies. Nur mit Ausdauer kommt man in dieser Welt vorwarts.« Ich horte, wie er sich fur einen weiteren Tag des Kampfes im romischen Senat vorbereitete, und spurte, wie sich der alte, vertraute Rhythmus im Haus wieder einstellte. Ich zog mich an, entzundete die Lampen, wies den Turwachter an, die Haustur zu offnen, kontrollierte die Besucher. Dann ging ich in Ciceros Arbeitszimmer und ubergab ihm die Namensliste. Weder da noch zu einem spateren Zeitpunkt fiel jemals wieder ein Wort uber die Ereignisse vom Abend zuvor, und ich nehme an, dass uns das einander naherbrachte. Sicher, er sah ein bisschen grunlich aus und musste, als er die Namen durchging, die Augen zusammenkneifen, aber ansonsten machte er einen vollkommen normalen Eindruck. »Sthenius!«, stohnte er auf, als er den Namen des Siziliers entdeckte, der sich wie ublich unter den Wartenden im Tablinum befand. »Mogen die Gotter uns gnadig sein!«

»Er ist nicht allein«, warnte ich ihn. »Er hat noch zwei Landsleute mitgebracht.«

»Du meinst, jetzt vermehrt er sich schon?« Hustend rausperte er sich. »Also los, dann. Schick ihn als Ersten rein, damit wir ihn endlich ein fur alle Mal loswerden.«

Wie in einem immer wiederkehrenden Traum, aus dem man nie erwacht, fuhrte ich Sthenius aus Thermae einmal mehr in Ciceros Arbeitszimmer.

Seine Begleiter stellte er als Heraclius aus Syrakus und Epicrates aus Bidis vor. Es waren alte Manner, die wie Sthenius im dunklen Trauergewand und mit ungepflegten Haaren und Barten erschienen.

»Ein fur alle Mal, Sthenius«, sagte Cicero mit entschlossener Stimme, nachdem er dem grimmig

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