verlobt, einem bezaubernden jungen Madchen, dessen kurzes achtzehnjahriges Leben schon von Tragodien gezeichnet war. Als sie dreizehn war, lie? sie ihr damaliger Verlobter, der arrogante junge Aristokrat Scipio Nasica auf erniedrigende Weise sitzen. Als sie vierzehn war, starb ihre Mutter, als sie funfzehn war, ihr Vater. Als ein Jahr spater auch noch ihr Bruder starb, stand sie vollig allein da.
»Das arme Madchen«, sagte Cicero. »Wenn sie deine Cousine ist, dann war ihr Vater Aemilius Lepidus Livianus, der vor sechs Jahren Konsul gewesen ist. Und der war der Bruder deiner kurzlich verstorbenen Mutter Livia, richtig?« (Wie viele Radikale verfugte auch Cicero uber erstaunlich detaillierte Kenntnisse der Aristokratie.)
»Richtig.«
»Na dann, Cato, meinen Gluckwunsch zu dieser ausgezeichneten Partie. Mit dem Blut dieser drei Familien in den Adern, die nachsten Verwandten allesamt tot, ist sie sicher die reichste Erbin von ganz Rom.«
»Das stimmt«, sagte Cato bitter. »Genau das ist das Problem. Ihr ehemaliger Freier, Scipio Nasica, ist gerade aus Spanien zuruckgekommen, wo er in der Armee von Pompeius-dem-sogenannten-Gro?en gekampft hat. Und als er gehort hat, dass ihr Vater und Bruder gestorben sind und wie reich sie auf einmal ist, hat er gleich seinen alten Anspruch geltend gemacht.«
»Naja, aber die Entscheidung liegt ja wohl bei der jungen Dame, oder?«
»Sicher«, stimmte Cato zu. »Sie war damit einverstanden.«
»Tja«, sagte Cicero und lehnte sich zuruck. »Das ist naturlich ein Problem. Aber wenn deine Cousine mit funfzehn zur Waise geworden ist, dann hat man doch sicher einen Vormund bestellt. Rede doch mit ihm. Kraft seines Amtes kann er die Heirat wahrscheinlich verbieten.Wer ist der Vormund?«
»Ich.«
»Du? Du bist der Vormund der Frau, die du heiraten willst?«
»Ja. Ich bin ihr nachster mannlicher Verwandter.«
Cicero stutzte das Kinn auf die Hand und musterte seinen kunftigen Klienten - das wirre Haar, die nackten schmutzigen Fu?e, die Tunika, die er wahrscheinlich seit Wochen nicht mehr gewechselt hatte. »Und was soll ich jetzt fur dich tun?«
»Ich will, dass du rechtliche Schritte gegen Scipio und, wenn notig, auch gegen Lepida einleitest. Der Spuk muss ein Ende haben.«
»Diese rechtlichen Schritte ... willst du die in deiner Eigenschaft als zuruckgewiesener Freier oder als Vormund des Madchens eingeleitet wissen?«
»Egal.« Cato zuckte mit den Achseln. »Beides.«
Cicero kratzte sich am Ohr. »So grenzenlos auch mein Vertrauen in die Herrschaft des Rechts ist«, sagte er vorsichtig, »so begrenzt ist doch mein Erfahrungsschatz mit jungen Damen. Aber selbst ich, Cato,
»Das Herz eines Madchens?«, wiederholte Cato. »Was hat das Herz eines Madchens damit zu tun? Das ist eine Frage des Prinzips.«
»Wir mussten zum Gericht fur Veruntreuungen gehen«, sagte Cicero, »und Klage wegen Bruchs des Eheversprechens einreichen. Wir mussten beweisen, dass du mit Lepida einen Vertrag hattest und dass folglich Lepida eine Betrugerin ist. Wir mussten beweisen, dass Scipio ein hinterhaltiger, geldgieriger Schuft ist. Ich musste beide in den Zeugenstand rufen und in Stucke rei?en.«
»Dann tu es«, sagte Cato mit glanzenden Augen.
»Und am Ende wurden wir wahrscheinlich trotzdem verlieren. Nichts lieben Geschworene mehr als unglucklich Verliebte und Waisenkinder -und mit beidem kann Lepidia dienen. Du wurdest dich nur zum Gespott von ganz Rom machen, Cato.«
»Was kummert mich das Geschwatz der Leute?«, sagte Cato verachtlich.
»Aber auch wenn wir gewinnen ... stell dir das einmal bildlich vor: Am Ende musstest du die kreischende und um sich tretende Lepida durch ganz Rom schleifen, aus dem Gerichtssaal bis in ihr neues eheliches Heim. Das ware der Skandal des Jahres.«
»Sind wir also schon so tief gesunken?«, fragte Cato mit bitterer Stimme. »Der Ehrenmann muss beiseitetreten, damit der Strauchdieb triumphieren kann? Soll das romische Gerechtigkeit sein?« Er sprang auf. »Ich brauche einen Anwalt mit Eisen in den Knochen. Und ich schwore, wenn ich keinen finde, dann werde ich selbst Klage einreichen.«
»Setz dich, Cato«, sagte Cicero sanft. Als Cato sich nicht ruhrte, wiederholte Cicero noch einmal: »Setz dich, Cato, ich werde dir jetzt etwas uber das Gesetz erzahlen.« Cato zogerte, runzelte die Stirn und setzte sich wieder. Allerdings nur auf die Kante des Stuhls, sodass er sofort aufspringen konnte, sollte man ihn notigen, auch nur um ein Jota von seinen Uberzeugungen abzugehen. »Wenn du mir als Mann, der zehn Jahre alter ist als du, einen Rat gestattest. Du
»Und wenn du keinen Erfolg hast?«
»Dann kannst du immer noch so verfahren, wie du willst.«
Nachdem Cato gegangen war, sagte Cicero zu mir: »Der junge Mann ist so begierig darauf jedem seine Prinzipientreue vor Augen zu fuhren, wie ein Saufer auf eine Kneipenschlagerei aus ist.« Dennoch war Cato einverstanden gewesen, dass Cicero sich in seinem Namen an Scipio wandte. Ich sah Cicero an, dass die Gelegenheit, den Aristokraten personlich unter die Lupe nehmen zu konnen, ganz nach seinem Geschmack war. Es gab buchstablich keinen Mann in Rom, dessen Stammbaum imposanter war als der des Quintus Caecilius Metellus Pius Cornelianus Scipio Nasica -Nasica bedeutet »Spitznase«, die er im Ubrigen sehr hoch trug. Er war nicht nur der leibliche Sohn eines Scipiio sondern auch der Adoptivsohn von Metellus Pius, dem nominellen Oberhaupt des Geschlechts der Metelli. Vater und Adoptivsohn waren erst kurzlich aus Spanien zuruckgekehrt und hielten sich derzeit auf Pius' riesigem Landgut in Tibur auf. Man erwartete, dass sie bei Pompeius' Triumph am neunundzwanzigsten Dezember direkt hinter dem General in die Stadt reiten wurden. Cicero beschloss, ein Treffen fur den drei?igsten zu vereinbaren.
Der neunundzwanzigste Dezember kam. Was fur ein Tag! Seit Sulla hatte Rom ein solches Schauspiel nicht mehr gesehen. Ich stand am Triumphbogen. Ganz Rom schien sich an diesem grauen Morgen entlang der Strecke eingefunden zu haben. Vom Marsfeld kommend, passierten als Erste samtliche Mitglieder des Senats einschlie?lich Cicero den Bogen, zu Fu?, angefuhrt von den Konsuln und den anderen Magistraten. Dann kamen die Trompeter mit schallenden Fanfaren. Dann die Fuhrwerke und Tragen mit der Beute aus dem spanischen Krieg - Gold und Silber, gemunzt und ungemunzt, Waffen, Statuen, Gemalde, Vasen, Mobel, Edelsteine, Wandteppiche. Anschlie?end Holzmodelle der Stadte, die Pompeius erobert und geplundert hatte, Tafeln mit deren Namen und mit den Namen aller beruhmten Manner, die er im Kampf getotet hatte. Dann die von den Opferpriestern gesteuerten machtigen wei?en Bullen, an deren vergoldeten Hornern Bander und Blumengirlanden hingen und die schwerfallig ihrem Opfertod entgegentrotteten. Danach stampfende Elefanten - das Wappentier der Metelli - und rumpelnde Ochsenkarren mit Kafigen voller wilder Tiere aus den Bergen Spaniens, die brullend und tobend an den Staben zerrten. Dann die Waffen und Insignien der geschlagenen Rebellen und dann, in rasselnden Ketten, die Gefangenen selbst, die besiegten Anhanger von Sertorius und Perperna. Anschlie?end die Kronen und Ehrenbezeigungen der Verbundeten, getragen von den Gesandten von etwa zwanzig Staaten. Dann die zwolf Liktoren des Imperators, deren Rutenbundel und Beile mit Lorbeer bekranzt waren. Und dann, unter dem aufbrandenden Jubel der riesigen Menge, trotteten erst die vier wei?en Pferde, die den Wagen des Imperators zogen, durch das Tor, bevor schlie?lich Pompeius selbst auftauchte - aufrecht stehend in dem wie eine Tonne geformten, uber und uber mit Juwelen bedeckten Triumphwagen. Er trug einen goldbestickten Umhang und eine mit einem Blumenmuster verzierte Tunika. In der rechten Hand hielt er einen Lorbeerzweig, in der linken ein Zepter. Den Kopf zierte ein Kranz aus delphischem Lorbeer, das attraktive Gesicht und der muskulose Korper waren - zum Zeichen, dass er an diesem Tag wahrhaftig die Verkorperung Jupiters war - mit Zinnober rot eingefarbt. Neben ihm stand sein achtjahriger Sohn, der