goldlockige Gnaeus, und hinter ihm ein Staatssklave, der ihm ins Ohr flusterte, dass er nur ein Mensch und alles verganglich sei. Dem Triumphwagen folgte der alte Metellus Pius, der auf einem schwarzen Streitross sa?. Sein bandagiertes Bein zeugte von einer im Kampf erlittenen Verwundung. Neben ihm ritt sein Adoptivsohn Scipio - ein attraktiver junger Bursche von vierundzwanzig Jahren: kein Wunder, dachte ich mir, dass er Lepida lieber war als Cato. Es folgten die Legionskommandeure, darunter Aulus Gabinius, dann alle Ritter und die Reitertruppe, deren Rustungen in der blassen Dezembersonne schimmerten. Und schlie?lich die Legionen von Pompeius' Fu?soldaten: Tausende und Abertausende sonnenverbrannter Veteranen in Marschordnung, deren trampelnde Schritte die Erde erzittern lie?en, die aus vollem Hals »Io Triumphe!« schrien, die Hymnen an die Gotter sangen und schweinische Lieder uber ihren Oberbefehlshaber grolten, was in der Stunde des Ruhmes ihr traditionelles Recht war.

Es dauerte den halben Morgen, bis alle vorubergezogen waren. Die Prozession wand sich durch die Stra?en Roms dem Forum entgegen, wo Pompeius die Stufen zum Kapitol hinaufschreiten wurde, um vor dem Tempel des Jupiter ein Opfer zu zelebrieren, wahrend traditionsgema? zur gleichen Zeit seine beruhmtesten Feinde in die Gewolbe des Staatsgefangnisses hinuntergefuhrt wurden und durch das Wurgeeisen den Tod fanden. Was konnte passender sein, als dass am Tag, an dem die militarische Befehlsgewalt des Eroberers ihr Ende fand, auch das Leben der Eroberten endete? Ich horte das ferne Jubelgeschrei in der Stadtmitte, ersparte mir aber den Anblick und blieb am Triumphbogen stehen, um mir mit der geschrumpften Menge Crassus' Ovation anzuschauen. Er machte das Beste daraus und marschierte zusammen mit seinen Sohnen durch das Tor. Seine Handlanger bemuhten sich zwar, die Menge aufzuputschen, aber nach dem glanzvollen Pomp von Pompeius' Festzug war die Darbietung durftig. Ich bin mir sicher, dass Crassus ziemlich verargert daruber war, sich einen Weg durch die Pferde- und Elefantenschei?e bahnen zu mussen, die ihm sein Konsulatskollege hinterlassen hatte.

Und da er fast alle Sklavenrebellen an der Via Appia ans Kreuz hatte nageln lassen, konnte der Arme fur seine Parade nicht mal mit einer stattlichen Anzahl Gefangener aufwarten.

Am nachsten Tag machte sich Cicero auf den Weg zu Scipios Haus. Ich begleitete ihn mit einer Aktentasche - eine seiner bevorzugten Strategien, wenn er die gegnerische Partei einschuchtern wollte. Wir hatten keinerlei Beweise, ich hatte die Mappe mit alten Quittungen vollgestopft. Scipios Anwesen lag an der Via Sacra, in der sich ein Geschaft ans andere reihte. Allerdings handelte es sich dabei naturlich nicht um normale Geschafte, sondern um exklusive Juwelierladen, die ihre Produkte hinter Eisengittern zur Schau stellten. Da Cicero uns angemeldet hatte, wurden wir von einem Haussklaven erwartet, der uns sofort in Scipios Atrium fuhrte. Diesem eilte der Ruf voraus, »eines der Wunder Roms« zu sein, was es tatsachlich war, schon damals. Scipios Blutlinie reichte mindestens elf Generationen zuruck, von denen neun Konsuln hervorgebracht hatten. Die Wachsmasken der Scipionen, von denen manche schon mehrere Jahrhunderte alt und von Rauch und Ru? vergilbt waren, bedeckten die Wande. (Nach Scipios Adoption durch Pius waren noch einmal sechs Masken von Konsuln hinzugekommen.) Sie verstromten den Geruch von ehrwurdigem Alter -jene feine, trockene Mischung aus Staub und Weihrauch. Cicero ging von einer zur anderen und studierte die Namensschildchen. Die alteste Maske war dreihundertfunfundzwanzig Jahre alt. Aber naturlich war es die von Scipio Africanus, dem Bezwinger von Hannibal, die ihn am meisten faszinierte. Lange stand er mit vorgebeugtem Kopf davor und betrachtete sie. Das edle, sensible Gesicht war glatt und faltenlos, es wirkte vergeistigt, mehr wie das Abbild einer Seele als aus Fleisch und Blut. »Angeklagt vom Urgro?vater unseres aktuellen Klienten«, sagte Cicero, wahrend er sich wieder aufrichtete. »Aufsassigkeit liegt den Catos im Blut.«

Der Sklave kam zuruck und fuhrte uns ins Tablinum. Der junge Scipio rakelte sich lassig auf einem Sofa, das inmitten von wertvollen, wahllos herumstehenden Kunstobjekten stand - Statuen, Busten, Antiquitaten, Teppichrollen und Ahnlichem. Er stand nicht auf, als Cicero eintrat (eine Beleidigung gegenuber einem Senator), und bot ihm auch keinen Platz an, sondern fragte mit schleppender Stimme nach dem Grund seines Besuchs. Bestimmt, aber hoflich erklarte ihm Cicero, Cato sei sowohl mit der jungen Dame offiziell verlobt wie auch ihr Vormund, sie hatten es folglich mit einem juristisch wasserdichten Fall zu tun. Er deutete auf die Aktenmappe, die ich vor dem Bauch hielt wie ein Diener sein Tablett, listete die Prazedenzfalle auf und endete damit, dass Cato entschlossen sei, vor dem Gericht fur Veruntreuungen Klage zu erheben und gleichzeitig einen Antrag auf obsignandi gratia einzureichen, der der jungen Dame jeden weiteren Kontakt mit fur diesen Fall relevanten Personen untersage. Er sehe nur einen sicheren Weg, diese Demutigung zu vermeiden, und der sei der, dass Scipio sein Werben umgehend einstelle.

»Was fur ein Spinner«, sagte Scipio gelangweilt, lie? sich in die Polster zurucksinken, verschrankte die Hande hinter dem Kopf und betrachtete lachelnd das Deckengemalde.

»Sonst hast du nichts dazu zu sagen?«, fragte Cicero.

»Nein, das ist alles«, antwortete Scipio. »Lepida!« Daraufhin trat eine ernste junge Frau, die das Gesprach offenbar mitgehort hatte, hinter einem Wandschirm hervor und ging mit grazilen Bewegungen zum Sofa. Sie legte ihre Hand in die seine. »Das ist meine Frau. Wir haben gestern Abend geheiratet. Was du hier siehst, sind die Hochzeitsgeschenke unserer Freunde. Pompeius Magnus ist direkt nach der Opferzeremonie auf dem Kapitol zu uns gekommen, er war unser Trauzeuge.«

»Und wenn Jupiter hochstpersonlich Trauzeuge gewesen ware«, erwiderte Cicero. »Das macht die Zeremonie noch lange nicht legal.« Trotzdem erkannte ich an seinen leicht herunterhangenden Schultern, dass Ciceros Kampfgeist deutlich gelitten hatte. Besitz, sagen die Juristen, bestimmt zu neun Zehnteln das Gesetz, und Scipio hatte nicht nur Besitz, er hatte auch die eindeutige Zustimmung seiner neuen Braut. »Nun«, sagte Cicero und lie? den Blick uber die Hochzeitsgeschenke schweifen.

»Da bleibt mir nur, dir zu gratulieren, Scipio, wenn auch nicht im Namen meines Klienten, nehme ich an. Vielleicht darf ich dir als mein Geschenk anbieten, Cato davon zu uberzeugen, sich der Realitat zu beugen.«

»Das ware sicher das au?ergewohnlichste Geschenk auf Erden«, sagte Scipio.

»Mein Vetter ist im Grunde seines Herzens ein guter Mensch«, fugte Lepida hinzu. »Wurdest du ihm meine besten Wunsche ausrichten und meine Hoffnung, dass wir uns eines Tages wieder versohnen?«

»Naturlich«, sagte Cicero, verbeugte sich feierlich und drehte sich schon um, als er abrupt innehielt. »Das ist ja wirklich ein prachtvolles Stuck.«

Er meinte eine etwa halb mannshohe Bronzestatue des nackten Apollo, der auf einer Leier spielte - eine mitten im Tanz eingefangene, erhabene Darstellung maskuliner Eleganz, bei der jedes einzelne Haar auf seinem Kopf, jede Saite des Instruments exakt nachgebildet war. In den Oberschenkel war in winzigen silbernen Lettern der Name des Bildhauers eingearbeitet: Myron.

»Ach, die Statue«, sagte Scipio beilaufig. »Die hat mein beruhmter Vorfahr Scipio Africanus wohl mal irgendeinem Tempel geschenkt. Warum? Kennst du sie etwa?«

»Wenn ich mich nicht irre, stammt sie aus dem Tempel des Aeskulap in Agrigent.«

»Ja, richtig«, sagte Scipio. »Aus Sizilien. Verres hat sie von den Priestern da unten bekommen und sie mir gestern Abend zum Geschenk gemacht.«

*

Auf diese Weise erfuhr Cicero, dass Gaius Verres nach Rom zuruckgekehrt war und schon seine korrupten Fuhler ausstreckte. »Dieser Dreckskerl!«, rief Cicero aus, wahrend wir den Berg hinuntergingen. Immer wieder ballte er in ohnmachtiger Wut die Fauste. »Dieser verdammte Dreckskerl!« Er hatte allen Grund, beunruhigt zu sein. Wenn der junge Scipio von Verres einen Myron bekommen hatte, dann waren die Stucke, mit denen er Hortensius, die Metellus-Bruder und seine anderen prominenten Verbundeten im Senat bestochen hatte, noch fetter gewesen. Und das waren genau die Manner, aus denen man fur einen Prozess die Geschworenen auswahlen wurde. Dass au?erdem Pompeius Gast der gleichen Hochzeitsfeier gewesen war wie Verres und die fuhrenden Aristokraten, war ein weiterer Schlag fur Cicero. Pompeius hatte schon immer enge Verbindungen nach Sizilien gehabt - als junger General hatte er die Ordnung auf der Insel wiederhergestellt und sogar einmal unter Sthenius' Dach geschlafen. Cicero hatte, wenn schon nicht auf seine Unterstutzung - diese Lektion hatte er gelernt -, so doch auf wohlwollende Neutralitat gehofft. Jetzt musste er auf die schreckliche Moglichkeit gefasst sein, dass alle machtigen Gruppen in Rom sich gegen ihn verbunden wurden, sollte er den Prozess gegen Verres weiter vorantreiben.

Aber er hatte jetzt keine Zeit, daruber nachzudenken. Cato hatte mit Cicero vereinbart, dass er ihn nach dem Gesprach im Haus seiner Halbschwester Servilia erwarte, und das lag ebenfalls in der Via Sacra, nur ein paar Hauser von Scipios Anwesen entfernt. Als wir eintraten, kamen drei kleine Madchen, von denen sicher keines alter als funf war, ins Atrium gesturmt. Sofort danach erschien ihre Mutter. Das war, soweit ich mich erinnere, dass erste Zusammentreffen von Cicero und Servilia, die spater unter den vielen imposanten Frauen Roms die imposanteste werden sollte. Sie war knapp drei?ig, ansehnlich, aber beileibe nicht hubsch, und etwa funf Jahre alter als Cato.

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