Lockerungsubungen, dehnte die Schultern und wippte auf den Fu?ballen hin und her.

Quintus hatte gute Arbeit geleistet. Als ich die Tur offnete, begru?te uns eine larmende Menge von Sympathisanten, die so gro? war, dass auf der Stra?e vor dem Haus keine Durchkommen mehr war. Au?er ganz normalen Burgern hatten sich auch drei oder vier Senatoren mit einem besonderen Interesse fur Sizilien eingefunden, die so ihre Unterstutzung fur Ciceros Sache bekundeten. Ich erinnere mich an den wortkargen Gnaeus Marcellinus, den rechtschaffenen Calpurnius Piso Frugi - der im selben Jahr wie Verres Prator gewesen war und diesen verabscheute - und an mindestens ein Mitglied aus dem Geschlecht der Marcelli, den traditionellen Patronen Siziliens. Cicero winkte der Menge von der Tur aus zu, hob die kleine Tullia hoch in die Luft, zeigte sie seinen Anhangern und gab ihr einen schmatzenden Abschiedskuss. Dann uberreichte er sie ihrer Mutter, die er nun - was er in der Offentlichkeit nur sehr selten tat - in seine Arme schloss, bevor er durch eine Gasse, die Quintus, Lucius und ich ihm bahnten, ins Zentrum seiner Anhangerschar vordrang.

Ich wollte ihm noch Gluck wunschen, doch er war, wie so oft vor einer gro?en Rede, schon nicht mehr ansprechbar. Er schaute die Menschen an, aber er nahm sie nicht wahr. Er war vollkommen fixiert darauf, endlich zu agieren. In seinem Innern spulte er das seit seiner Kindheit immer wieder geprobte Drama vom einsamen Patrioten ab, der mit seiner einzigen Waffe, seiner Stimme, allem entgegentrat, was in diesem Staat verabscheuungswurdig und korrupt war. Als spurte sie, welche Rolle ihr in diesem surrealen Festzug zufiel, schwoll die Menge immer mehr an, und als wir schlie?lich den Tempel des Castor erreichten, begleitete Cicero das frenetische Klatschen von zwei- oder dreihundert Menschen. Glabrio sa? bereits auf seinem Platz zwischen den gro?en Tempelsaulen, ebenso samtliche Geschworenen, unter denen ich das Schreckgespenst Catulus hochstpersonlich entdeckte. Auf der Bank, die fur die Zuschauer aus den besseren Kreisen reserviert war, sah ich Hortensius, der seine makellos manikurten Hande betrachtete und so friedlich wirkte wie ein Sommermorgen. Auch der Mann, der neben ihm sa?, gab sich sehr entspannt. Er war etwa Mitte vierzig, hatte rotliches, borstiges Haar und ein Gesicht voller Sommersprossen. Das musste Gaius Verres sein. Es war ein komisches Gefuhl, dieses Monster, das unsere Gedanken so lange beschaftigt hatte, mit eigenen Augen zu sehen und festzustellen, dass er ziemlich gewohnlich aussah -eigentlich mehr Fuchs als Eber.

Fur die beiden konkurrierenden Anklager waren zwei Stuhle aufgestellt worden. Caecilius, der schon Platz genommen hatte, blickte nicht mal auf, als Cicero eintraf, so vertieft war er in die Notizen, die auf seinem Scho? lagen. Die Anwesenden wurden zur Ordnung gerufen, und Glabrio sagte zu Cicero, dass er beginnen musse, da er seinen Antrag als Erster gestellt habe - ein entscheidender Nachteil. Cicero zuckte mit den Schultern und erhob sich. Er wartete, bis absolute Stille herrschte, dann begann er wie ublich sehr langsam zu sprechen. Er sagte, dass sich die Anwesenden sicher wunderten, ihn hier in dieser Rolle zu sehen, schlie?lich sei er vor Gericht noch nie als Anklager aufgetreten. Er hatte dies auch in diesem Fall nicht vorgehabt, sondern hatte vielmehr im Vorfeld die Sizilier dringend darum gebeten, Caecilius die Anklagevertretung zu ubertragen. (Fast hatte ich laut aufgestohnt, als er dies sagte.) Aber in Wahrheit seien die Sizilier nicht der einzige Grund, warum er sich zu diesem Schritt entschlossen habe. »Ich stehe hier, weil mir das Wohl unseres Landes am Herzen liegt.« Dann ging er mit sorgfaltig bemessenen Schritten zu der Bank, wo Verres sa?, hob langsam den Arm und zeigte auf ihn. »Wir blicken hier auf ein menschliches Ungeheuer von beispielloser Gier, Dreistigkeit und Niedertracht. Sollte ich diesen Mann seiner Strafe zufuhren, wer konnte mir das zum Vorwurf machen? Welch gro?eren Dienst im Namen von Gerechtigkeit und Tugend konnte ich meinem Land in dieser Zeit erweisen?« Verres war nicht im Mindesten emport, kopfschuttelnd, mit einem Grinsen auf den Lippen, schaute er Cicero herausfordernd an. Cicero musterte ihn noch eine Zeit lang voller Verachtung und wandte sich dann den Geschworenen zu. »Die Anklage gegen Gaius Verres lautet, dass er uber einen Zeitraum von drei Jahren die Provinz Sizilien verwustet hat - dass er sizilische Kommunen geplundert, sizilische Hauser, sizilische Tempel ausgeraubt hat. Konnte Sizilien mit einer einzigen Stimme sprechen, es wurde sagen: >Alles Gold und alles Silber, all die herrlichen Dinge, die einst meine Stadte, meine Hauser und Tempel geschmuckt haben, all das hast du, Verres, mir gestohlen; und aufgrund dessen verklage ich dich in Ubereinstimmung mit den Gesetzen Roms auf Zahlung von einer Million Sesterzenn!< Das waren Siziliens Worte, wenn es mit einer Stimme sprechen konnte. Da es das aber nicht kann, hat es mich dazu bestimmt, seine Sache zu vertreten. Welch unglaubliche Dreistigkeit ist es dann, dass du ,..«,und damit wandte er sich schlie?lich Caecilius zu, »... es wagst, fur Sizilien sprechen zu wollen, wenn dieses sich schon gegen dich ausgesprochen hat.«

Dann ging er gemachlich zu Caecilius, stellte sich hinter ihn und stie? einen ubertrieben traurigen Seufzer aus. »Und jetzt, Caecilius, lass mich als Freund zu dir sprechen«, sagte er und klopfte Caecilius auf die Schultern, sodass sein Rivale sich auf seinem Stuhl umdrehen musste, was ziemlich linkisch wirkte und einige Heiterkeit im Publikum hervorrief. »Ich kann dir nur den ernsthaften Rat geben, noch mal in dich zu gehen. Besinne dich. Bedenke, wer du bist und wessen du fahig bist. Eine Anklagevertretung ist ein au?erst kniffeliges und muhsames Unterfangen. Ist deine Stimme, dein Erinnerungsvermogen dafur gerustet? Verfugst du uber die Intelligenz und das Stehvermogen, einer solchen Belastung standzuhalten? Selbst wenn du dich des Vorzugs au?erordentlicher naturlicher Gaben erfreutest, selbst wenn du eine grundliche Ausbildung genossen hattest, konntest du darauf hoffen, den Druck auszuhalten? Nun, heute Morgen werden wir es erfahren. Solltest du Antworten auf meine Fragen haben, solltest du mit einer einzigen Erwiderung aufwarten konnen, die nicht schon in irgendeinem Lehrbuch mit anderer Leute Reden enthalten ist, dann besteht vielleicht die Moglichkeit, dass du dich in dem hier anhangigen Fall nicht als Versager erweist.«

Er ging jetzt in die Mitte des Gerichtsplatzes und richtete die nachsten Worte sowohl an die Menschen auf dem Forum wie auch an die Geschworenen. »Ihr werdet euch vielleicht sagen: >Da mag er ja durchaus recht haben, aber besitzt er denn selbst all diese Fahigkeiten?< Ich wollte, es ware so. Aber immerhin habe ich mein Bestes gegeben und von Kindesbeinen hart daran gearbeitet, um sie mir, soweit mir das moglich war, anzueignen. Jedem ist bekannt, dass das Forum und die Gerichtshofe Roms den Mittelpunkt meines Lebens bilden, dass nur wenige Manner meines Alters, wenn uberhaupt, in so vielen Fallen als Verteidiger aufgetreten sind wie ich, dass ich jede freie Minute, in der ich nicht in den Angelegenheiten meiner Freunde tatig bin, hart arbeite und studiere, um den Erfordernissen meines Berufes gerecht zu werden und meine Fahigkeiten immer weiter zu verbessern. Und trotzdem bin ich jedes Mal, wenn ich an den entscheidenden Tag denke, an dem der Beschuldigte vor den Schranken des Gerichts erscheint und ich meine Verteidigungsrede halten muss, nicht nur nervos, sondern zittere von Kopf bis Fu?. Du, Caecilius, kennst keine solchen Angste, keine solchen Gedanken, keine solche Nervositat. Du bildest dir ein, wenn du die eine oder andere Wendung aus irgendeiner alten Rede auswendig lernst, wenn du eine Floskel wie >Beim allmachtigen und barmherzigen Jupiter ...< oder >Ich wurde mir wunschen, ihr Richter, dass es moglich ware ...< parat hast, dass du dann schon aufs Beste fur deinen Auftritt vor Gericht prapariert bist.

Du bist ein Nichts, Caecilius, und du kannst nichts. Hortensius wird dich vernichten! Aber mich wird er mit seiner Gerissenheit nicht erledigen. Mich wird er mit keiner seiner Finten in die Irre ruhren. Seine gewaltigen Fahigkeiten verfangen bei mir nicht, sie konnen mich nicht schwachen, sie konnen mich nicht von meinen Standpunkt abbringen.« Er schaute zu Hortensius und verbeugte sich in gespielter Demut, worauf Hortensius sich erhob und ebenfalls verbeugte, was erneutes Gelachter hervorrief. »Die Angriffsmethoden und rhetorischen Kunststucke dieses Herrn sind mir bestens vertraut«, fuhr Cicero fort. »So beschlagend er auch sein mag, wenn er gegen mich antritt, wird er zu spuren bekommen, dass in diesem Verfahren neben anderen Dingen auch seine eigenen Fahigkeiten verhandelt werden. Sollte man mich mit dem Fall betrauen, so empfehle ich diesem Herrn schon vorab, seine Verteidigungsstrategie radikal zu andern. Wenn namlich ich die Anklage vertrete, dann wird er keinen Grund haben zu glauben, man konne das Gericht bestechen, ohne dass sehr viele Menschen in ernste Gefahr gerieten.«

Das Wort »bestechen« rief einige heftige Unmutsau?erungen hervor und lie? den ansonsten gleichmutigen Hortensius aufspringen. Cicero bedeutete ihm mit einer lassigen Handbewegung, er solle sich wieder setzen. Cicero redete und redete. Wie ein Schmied auf sein gluhendes Eisen, so hieb er mit immer wieder neuen rhetorischen Attacken auf seine Gegner ein. Ich werde hier nicht alles wiedergeben. Die Rede, die mindestens eine Stunde dauerte, ist dokumentiert und kann von jedem Interessierten nachgelesen werden. Er attackierte Verres wegen seiner korrupten Machenschaften, Caecilius wegen seiner fruheren Verbindungen zu Verres und Hortensius wegen seiner Bemuhungen um einen zweitrangigen Widersacher. Zum Schluss richtete er einen Appell an die Senatoren auf der Geschworenenbank. Er trat vor sie hin, schaute jedem Einzelnen in die Augen und sagte: »Es liegt in eurer Hand, ehrwurdige Richter, den Mann auszuwahlen, der euch aufgrund seiner Redlichkeit, seines Flei?es, seines Scharfsinns und seiner charakterlichen Eignung am besten geeignet erscheint, vor diesem hohen Gericht einen derart bedeutenden Fall durchzufechten. Solltet ihr Quintus Caecilius meiner Person vorziehen, so glaube ich nicht,

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