Angebot hier aufzutauchen. Ein Stunde spater war er wieder da. Hortensius' neues Angebot - sein letztes, wie er hinzufugte -belief sich auf anderthalb Millionen. Diesmal bequemte sich Cicero zu einer schriftlichen Antwort:

Von: Marcus Tullius Cicero An: Quintus Hortensius Hortalus Sei gegru?t!

Angesichts der lachhaft niedrigen Summe, die dein Klient als Schadenersatz fur seine beispiellosen Schandtaten vorschlagt, werde ich Glabrio morgen bitten, mit der Verhandlung fortfahren zu durfen, und mein Recht geltend machen, das Gericht uber in Rede stehende Frage und noch andere Dinge in Kenntnis zu setzen.

»Mal sehen, was er von der Aussicht halt, dass wir ihm und seinen aristokratischen Freunden noch ein bisschen mehr von ihrem eigenen Dreck unter die Nase reiben«, sagte er zu mir. Ich versiegelte den Brief, ubergab ihn dem wartenden Boten und ging zuruck ins Arbeitszimmer, wo Cicero gleich damit begann, mir seine Rede fur morgen zu diktieren: eine scharfe Attacke auf die Aristokraten, dass sie mit der Verteidigung solcher Lumpen wie Verres die erhabenen Namen ihrer Familien und Vorfahren besudelten. Vor allem Lucius war es, der ihn immer weiter anstachelte, seiner Abscheu freien Lauf zu lassen: »Wir sind uns sehr wohl der Tatsache bewusst, dass gewisse >edle Herren« die Verdienste und die Tatkraft der homines novi mit Missgunst und Abneigung betrachten; dass wir keine Sekunde die Augen schlie?en durfen, um nicht in einen Hinterhalt gelockt zu werden; dass wir uns nicht den kleinsten Verdacht oder gar den Vorwurf eines Fehlverhaltens erlauben durfen, ohne nicht auf der Stelle dafur bu?en zu mussen; dass wir in unserer Aufmerksamkeit niemals nachlassen und uns niemals einen Tag der Erholung gonnen durfen. Wir haben Feinde, treten wir ihnen entgegen; wir haben schwere Aufgaben zu bewaltigen, erledigen wir sie. Und lasst uns dabei nie vergessen, dass ein Feind, der sich als solcher zu erkennen gibt, weniger furchteinflo?end ist als einer, der sich versteckt und niemals das Wort erhebt.«

»Wieder tausend Stimmen weniger«, brummte Quintus.

Der Rest des Nachmittags verstrich, ohne dass eine weitere Nachricht von Hortensius eintraf. Kurz vor Einbruch der Dammerung horten wir von der Stra?e laute Stimmen, und Sekunden spater platzte der Hausverwalter Eros in Ciceros Arbeitszimmer und meldete aufgeregt, dass Pompeius Magnus in der Vorhalle sei. Das war in der Tat eine Uberraschung. Cicero und sein Bruder schauten sich an, und schon im nachsten Augenblick horten wir die vertraute Exerzierplatzstimme durchs Haus drohnen. »Wo ist er? Wo ist der gro?te Redner unserer Tage?«

Cicero stie? einen leisen Fluch aus und ging dann hinaus ins Tablinum. Quintus, Lucius und ich folgten ihm. In den bescheidenen Raumlichkeiten von Ciceros Haus wirkte die massige Gestalt des Konsuls noch gro?er als sonst. »Da ist er ja!«, rief er aus. »Der Mann, den dieser Tage jeder sehen will!« Er ging schnurstracks auf Cicero zu, schlang seine muskulosen Arme um ihn und klopfte ihm kraftig auf den Rucken. Ich stand direkt hinter Cicero und konnte sehen, wie Pompeius' listige graue Augen jeden einzelnen von uns taxierten. Als er den verlegenen Hausherrn aus seiner Umklammerung freigegeben hatte, bestand er darauf, jedem von uns vorgestellt zu werden - sogar mir. Der bescheidene Haussklave aus Arpinum kann sich also damit brusten, im Alter von vierunddrei?ig Jahren beiden amtierenden Konsuln Roms die Hand geschuttelt zu haben.

Er hatte seine Leibwachter drau?en auf der Stra?e gelassen und das Haus allein betreten, was als au?ergewohnlicher Beweis von Vertrauen und Gunst zu deuten war. Als wie immer tadelloser Gastgeber wies Cicero Eros an, Terentia Bescheid zu geben, dass Pompeius Magnus im Haus sei, und mir befahl er, Wein einzuschenken.

»Nur einen kleinen Schluck«, sagte Pompeius und hielt seine gro?e Hand uber den Becher. »Wir haben nur kurz Zeit, wir sind auf dem Weg zu einer Abendgesellschaft. Aber wir wollten nicht am Haus unseres Nachbarn vorbeigehen, ohne kurz anzuklopfen und unsere Aufwartung zu machen. Wir haben deine Entwicklung in den vergangenen Tagen genau verfolgt, Cicero. Unser Freund Glabrio hat uns berichtet. Gro?artig, mein Kompliment. Lass uns auf dein Wohl trinken.« Er hob den Becher, nippte aber nicht einmal daran. »Nachdem du diese gro?e Aufgabe erfolgreich abgeschlossen hast, hoffe ich doch, dass wir uns nun etwas ofter sehen konnen. Zumal ich ja in Kurze wieder Privatmann sein werde.«

Cicero verbeugte sich leicht. »Ich wurde mich sehr freuen.«

»Ubermorgen zum Beispiel, hast du da schon irgendwelche Plane?«

»Das ist doch der Eroffnungstag deiner Spiele, da wird man dich sicher sehr beanspruchen. Vielleicht passt es ein andermal ...«

»Ach was. Ich lade dich ein, in unsere Loge. Schau dir die Eroffnung mit uns zusammen an, wird sicher nicht zu deinem Nachteil sein. Alle Welt soll sehen, dass wir Freunde sind«, fugte er pompos hinzu. »Du magst doch die Spiele, oder?«

Cicero zogerte. Ich konnte formlich sehen, wie sein Gehirn die Folgen eines Jas oder eines Neins durchspielten. Aber eigentlich hatte er keine Wahl. »Die Spiele faszinieren mich«, antwortete er. »Ich wusste nicht, was ich lieber tate.«

»Ausgezeichnet«, sagte Pompeius mit seiner drohnenden Stimme. In diesem Augenblick betrat

Eros das Atrium und richtete aus, dass Terentia unpasslich sei, sie habe sich hingelegt und lasse sich entschuldigen. »Schade«, sagte Pompeius leicht verstimmt. »Naja, es wird sich sicher noch eine Gelegenheit finden.« Er gab mir seinen vollen Becher. »Wir mussen uns jetzt verabschieden. Du hast sicher noch viel zu tun. Da fallt mir ein ...«, sagte er und drehte sich auf der Schwelle des Atriums noch einmal um. »Habt ihr euch schon uber die Hohe der Strafe geeinigt?«

»Noch nicht«, antwortete Cicero.

»Was haben sie dir angeboten?«

»Anderthalb Millionen.«

»Nimm das Angebot an«, sagte Pompeius. »Du hast die hohen Herren schon tief genug in die Schei?e geritten, zwing sie nicht auch noch, sie zu fressen. Es ware mir personlich unangenehm und der Stabilitat des Staates abtraglich, wenn sich dieser Prozess noch langer hinzieht. Wir verstehen uns?« Er nickte freundlich und verlie? das Atrium. Wir horten, wie die Haustur geoffnet wurde und der Kommandeur seine Leibwache strammstehen lie?. Dann wurde die Tur geschlossen. Eine Zeit lang sprach keiner ein Wort.

»So ein Dreckskerl«, sagte Cicero. »Bring mir noch was zu trinken.« Als ich mich umdrehte, um den Krug zu holen, sah ich, dass Lucius verargert die Stirn runzelte.

»Was gibt ihm das Recht, so mit dir zu sprechen?«, fragte er. »Ein Hoflichkeitsbesuch, von wegen.«

»Hoflichkeitsbesuch? Ach, Lucius«, widersprach Cicero und fing an zu lachen. »Das war der Besuch vom Mieteintreiber.«

»Mieteintreiber? Was bist du ihm denn fur Miete schuldig?« Lucius war vielleicht Philosoph, aber er war kein vollkommener Idiot. Er begriff jetzt, was geschehen war. »Ah, so ist das, jetzt verstehe ich.« Angewidert verzog er das Gesicht und drehte sich um.

»Verschon mich mit deiner Uberheblichkeit«, sagte Cicero und fasste ihn am Arm. »Ich hatte keine Wahl. Marcus Metellus war gerade der Gerichtshof fur Erpressungen zugelost worden. Die Geschworenen waren bestochen. Das Vorverfahren war eine abgekartete Sache. Ich war so nah dran ...« Er hielt seinem Vetter Daumen und Zeigefinger mit so geringem Abstand unter die Nase, dass die beiden Finger sich fast beruhrt hatten. »... dass ich die ganze Anklage fallen gelassen hatte. Und dann kommt Terentia und sagt, >Streich deine Rede zusammen!<«, und ich hab gewusst, das ist die Losung. Fahr jedes einzelne Beweisstuck auf, jeden einzelnen Zeugen, und das alles in zehn Tagen. Und stell sie an den Pranger! Das war der Punkt, Lucius, verstehst du? An den Pranger, vor ganz Rom, vor aller Augen, sodass sie gar keine andere Wahl hatten, als ihn schuldig zu sprechen.«

Als habe er ein Gericht mit nur einem Geschworenen vor ich, den es zu uberzeugen gelte, redete Cicero unter Aufbietung seines ganzen rhetorischen Arsenals auf seinen Vetter Lucius ein.

Er las in dessen Gesicht und suchte nach Hinweisen fur die passenden Worte und Argumente, um ihn auf eine Seite zu ziehen.

»Aber ausgerechnet Pompeius«, sagte Lucius verbittert. Nach allem, was er dir vorher angetan hat.«

»Ich habe nur eine einzige Sache gebraucht, Lucius, nur eine winzige Gefalligkeit, und das war die Zusicherung, dass ich den Prozess so durchziehen kann, wie ich das will, und die Zeugen sofort aufrufen kann. Da war keine Bestechung im Spiel, keine Korruption, nichts. Aber ich musste im Voraus wissen, dass Glabrio da mitspielt. Aber als Anklagevertreter konnte ich ja wohl kaum selbst auf den Prator zugehen. Also habe ich mir den Kopf daruber zerbrochen, wer das fur mich tun konnte.«

Quintus sagte: »Da kam in ganz Rom nur ein Einziger infrage, Lucius.«

»Genau«, rief Cicero. »Ein Mann, dem Glabrio moralisch so verpflichtet ist, dass er ihm sein Ohr nicht

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